Der Bundesgerichtshof entscheidet am 20. Dezember in einem Rechtsstreit zwischen einem Industriedesigner und einem Hersteller. Das Urteil könnte weitreichende Folgen für den Designschutz haben. Wir erklären, wieso.
Die Designs von novakonzept
Mit einer Anmeldung von Designs beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) können Gestalter ihre Designs schützen und sich im Falle eines Rechtsstreits darauf beziehen. Die Anmeldung ist unkompliziert, kostengünstig und bislang ohne anwaltliche Unterstützung möglich. Ein aktueller Fall vor dem BGH droht, dieses Konstrukt zu gefährden. Konkret betroffen ist das Industriedesignstudio novakonzept in Gudow – letztlich aber alle Kreativen in Deutschland.
Die Allianz deutscher Designer (AGD) unterstützt novakonzept bei diesem Fall, da das Studio sonst nicht die finanziellen Mittel für den weiteren Prozess hätte. Wegen des Ausschöpfens sämtlicher Rechtsbehelfe entsteht leicht der Eindruck, dass der Hersteller die Designer an die Grenze ihrer finanziellen Kapazitäten treiben möchte.
Wir rollen den Fall für Sie auf.
Wie alles begann
Ende 2007 entwarf novakonzept für einen Hersteller eine Sportbrille und einen Schutzhelm und präsentierte ihm diese im Vertrauen mit der Möglichkeit auf eine Lizenzierung. Der Hersteller lehnte ab. novakonzept meldete die Designs beim Deutschen Patent- und Markenamt (DMPA) an, um die Gestaltung schützen zu lassen.
Ein Sieg vor dem Landgericht
Anschließend mussten die Designer feststellen, dass der Hersteller mit ihren Designs in die Massenproduktion gegangen war – und das bis heute, also seit 10 Jahren. Nachdem der Hersteller nicht auf eine außergerichtliche Kompromisslösung einging, reichte novakonzept zur Vorbereitung ihrer Schadensersatzforderung Klage vor dem Hamburger Landgericht auf Feststellung und Auskunft ein.
2014 entschied das Gericht zugunsten von novakonzept. Es bestätigte, dass keine Übertragung der Nutzungsrechte erfolgt ist – weder ausdrücklich noch stillschweigend. Damit hat das LG Hamburg den Schadensersatzanspruch bestätigt, woraufhin der Hersteller vor dem Oberlandesgericht in Berufung gegangen ist.
Pikanterweise hatte der Hersteller im Laufe des Verfahrens vor dem Landgericht beantragt, die angemeldeten Rechte auf sich als angeblicher Entwerfer übertragen oder sich als Mitinhaber eintragen zu lassen, womit er die Designs eigentlich als rechtsgültig anerkannte – und gab das sogar zu Protokoll. Das Gericht wies die Anträge zurück.
Der Weg zum BGH
Der deutsche Designschutz gilt erst mit der wirksamen Eintragung der Arbeit
Parallel zum Berufungsverfahren reichte der Hersteller einen Nichtigkeitsantrag beim DPMA ein. Sein Ziel: Wenn die Designs für nichtig erklärt werden, entzöge das der parallelen Schadensersatzklage die Grundlage. Der deutsche Designschutz gilt nämlich erst mit der wirksamen Eintragung der Arbeit.
Formfehler bei der Designanmeldung?
Seinen Antrag stützt der Hersteller auf einen vermeintlichen Formfehler bei der Anmeldung des Designs. Beim DPMA kann man Einzel- oder Sammelanmeldungen vornehmen. novakonzept hat die Einzelanmeldung gewählt, weil sie den Helm wie auch die Brille als einheitliches Design ansieht. Da der Helm auf den Abbildungen jedoch verschiedene Aufdrucke hat und mal mit, mal ohne Ohrenklappen gezeigt wird, argumentiert der Hersteller, dass es sich um unterschiedliche Designs handelt und daher eine Sammelanmeldung hätte erfolgen müssen. Ähnlich argumentiert der Hersteller bei der Sportbrille. Aufgrund der angeblichen Formfehler sei der Schutz nichtig.
Die Schnittmengenlösung
Tatsächlich kommt es relativ häufig vor, dass statt einer Sammel- eine Einzelanmeldung erfolgt. Der BGH schlägt für diesen Fall eine sogenannte Schnittmengenlösung vor: Das Gericht sucht die Gemeinsamkeiten zwischen den Designs und gewährt den Schutz für diese Schnittmenge. Der Schutzumfang mag geringer ausfallen, aber die Grundidee bleibt weiterhin geschützt. Das ist vor allem für Fälle wichtig, in denen jemand etwas einfach in einer anderen Farbe herstellt und behauptet, es handle sich um ein komplett neues Design.
Ein Sieg vor dem Bundespatentgericht
Die Nichtigkeitsanträge des Herstellers wurden vom DPMA abgewiesen. Daraufhin reichte er beim Bundespatentgericht Beschwerde ein. Auch diese Instanz entschied im Sinne der Designer – ließ aber gleichzeitig eine Beschwerde beim BGH zu. Diese reichte der Hersteller dann auch ein, höchstwahrscheinlich in der Hoffnung, dass novakonzept spätestens jetzt das Geld für den Rechtsstreit ausgehen würde. Hier sprang dann jedoch die AGD ein, um eine auch für ihre Mitglieder geltende negative Rechtsprechung abzuwenden.
Das macht das Urteil zu einer Grundsatz-entscheidung
Dass der Fall nun vor den BGH kommt, liegt vor allem daran, dass das Designrecht 2014 reformiert wurde. Vor diesem Hintergrund sei nun zu klären, ob die Schnittmengenlösung weiterhin Bestand hat. Das macht das Urteil zu einer Grundsatzentscheidung.
Bedeutung des Falls für alle Designdisziplinen
Mit dem Designschutz gibt der Gesetzgeber Kreativen ein möglichst einfaches Werkzeug an die Hand, um Schutz für ihre Gestaltungen zu erlangen. Eine Designanmeldung kostet rund 70 Euro und kann auch von Nicht-Juristen problemlos eingereicht werden. Zumindest bis jetzt.
Wenn der BGH nun entscheidet, dass der Schutz aufgrund von Formfehlern komplett entfällt (statt sich auf die Schnittmengenlösung zu beziehen), kann die Anmeldung von Designs wesentlich komplizierter werden und das Hinzuziehen eines Fachanwalts erforderlich machen. Damit würde die Anmeldung wesentlich teurer, und weniger Designer würden diese Möglichkeit in Anspruch nehmen. Damit wären ihre Designs nicht geschützt, und Gestalter hätten bei Rechtsstreitigkeiten ein wichtiges Mittel weniger.
Kein unbedingter Verlass aufs Urheberrecht
Der Designschutz ist auch für die Gerichte eine Entlastung, da es sie davor bewahrt, im Einzelfall die Gestaltungshöhe von Designs ermitteln zu müssen. Das ist nämlich beim Urheberrecht der Fall.
Als Designer kann man sich nicht darauf verlassen, dass die eigenen Entwürfe urheberrechtlich geschützt sind
Als Designer kann man sich nicht darauf verlassen, dass die eigenen Entwürfe urheberrechtlich geschützt sind. Das Urheberrecht wurde zwar vor fünf Jahren zugunsten von Designern geändert (Stichwort: Geburtstagszugurteil), aber letztlich unterliegt es immer der Einzelfallentscheidung des jeweiligen Gerichts.
Da es seit der Änderung erst wenige höchstgerichtliche Urteile gab, lässt sich nur schwer vorhersagen, ob sich ein Urheberrechtsstreit für einen Designer lohnen wird. Denn natürlich sind auch diese Prozesse teuer – ganz zu schweigen von der Zeit und den Nerven, die man in Rechtsstreitigkeiten steckt.
Es sei unbedingt wichtig, Gestaltern die Möglichkeit der niedrigschwelligen Designanmeldung weiterhin zu bieten, so AGD-Anwalt Alexander Koch. »Sie hilft dabei, die unrechtmäßige Verwendung von Designs außerhalb des Urheberrechts zu ahnden und gibt Designern damit mehr Rechtssicherheit. Deshalb wäre es ein herber Schlag, wenn mit dem anstehenden Urteil dieser Schutzmechanismus ausgehebelt würde.«
Wir bleiben dran.
Update
Der BGH hat am 20. Dezember 2018 entschieden, den Fall zurück an das Bundespatentgericht zu geben. Bis zur Begründung dieser Entscheidung – und einer Einschätzung, was das für novakonzept bedeutet – kann es noch drei bis vier Monate dauern.
Gibt es was neues zu dem Urteil? Wahrscheinlich wirft die anstehende Neuauslegung des EU-Urheberrechts nochmal alles durcheinander. Hoffen wir, dass die wirklich Kreativen gestärkt aus der Sache hervorgehen.
Nun, nach bisher 43 Berufsjahren wurde mir mehrfach bewiesen, dass der nötigste Mitarbeiter in meiner kleinen Design-Agentur kein Grafiker, sondern ein mit allen Wassern gewaschener Rechtsanwalt gewesen wäre. Seit meiner Übersiedlung aus der DDR 1986 habe ich bitteres Lehrgeld im Umgang mit den verschiedensten Kunden (und dem Finanzamt) gezahlt. Als Mitglied der AGD stützte ich mich sowohl in Verhandlungen, bei Angeboten, Projektverträgen, den Abrechnungsmodalitäten (nach den Empfehlungen des Vergütungstarifvertrages) wie bei allen geschäftlichen Entscheidungen auf fachlich beratende Dienstleister (Anwälte, Steuerberater, Fachliteratur…). Meine Kunden waren grössere Mittelständler mit Umsätzen im zwei- und dreistelligen Millionenbereich, die ich bis zu 10 Jahren betreute. Symptomatisch war die Antwort eines Geschäftsführers eines deutschen Tochterunternehmens eines Schweizer Weltmarktplayers, der mir den Wunsch nach einem Vertrag zwischen uns (Jahresetat 0,8 Mio DM) abschlug mit den Worten: Wissen Sie, wenn man mit dem Partner nicht mehr zufrieden ist, wird man auch einen Weg finden, sich von ihm zu trennen. Es waren noch 4 Jahre absolut vertrauensvoller Zusammenarbeit bis zu dem Punkt, als der Schweizer Konzern den Verkauf der deutschen Tochter plante und die Bilanz verschönerte, indem er die Kosten für Werbung nicht mehr bezahlen wollte. 3 Gerichtsjahre später verzichtete ich in einem Vergleich auf 30 Tsd. DM…
Hallo,
zum Einen muß man natürlich das Verhalten des Herstellers strengstens ahnden. Er hat nichts Anderes versucht, als die Kollegen zu betrügen. Ich wünsche Ihnen jedenfalls alles Gute für das letztinstanzliche Urteil (oder kann das auch noch vor den EuGH gehen?).
Aber, “Auf hoher See und vor Gericht ist man in Gottes Hand”!
Vielleicht sollten wir aber Alle daraus lernen und diese Unsitte beenden, unsere Leistungen kostenfrei oder ohne vorherige vertragliche Vereinbarungen Dritten zur Verfügung zu stellen .Es hätte doch an dieser Stelle ausgereicht, im Vorfeld der Vorstellung des Designkonzepts vom Hersteller eine Vertraulichkeitserklärung unterschreiben zu lassen. Am Besten noch illustriert, damit in einem möglichen späteren Verfahren einwandfrei geklärt werden kann, wer was wann wem vorgestellt hat. Wenn der Hersteller dazu nicht bereit ist, hat man eine eindeutige Indikation, dass an dieser Stelle keine vertrauliche Zusammenarbeit zu erwarten ist oder kein Interesse an der Entwurfsarbeit besteht.
Ich möchte den Kollegen nicht zu nahe treten. Ärgere mich aber doch über ein solches Verhalten. Es trägt nämlich meiner Meinung nach zur weiteren Erosion der Wahrnehmung unseres Berufsstandes als ernstzunehmenden Geschäftspartner in der Industrie bei.
Mit freundlichen Grüßen
Jens Arend
niedrigschwelligen Designanmeldung …
was soll das sein. wenig geld oder wenig schutz oder geringe anforderung an den schutz. der AGD anwalt möge seien forderung verständlich machen und bedenken, dass wir mit den EU design eine lösung und auf gäbe haben, die wir zugunsten von Ostunternehmen nicht national zurecht schnitzen koennen. ach der sache beschreibung wird es m.E. hier kein zweifel an dem ausgang dieses verfahrens geben . vor einem halben jahr hat schon ein designer mit seinem niedrigschwelligen Bettgestell gegen IKEA beim BGH einen erfolg verbucht.