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Geburtstagszugurteil

Der Bundesgerichtshof hat die Anforderungen an den urheberrechtlichen Schutz von Design gelockert. Sascha Faber, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht in der Kanzlei volke2.0, und Friederike Sobiech von der Allianz Deutscher Designer, erklären es und geben eine Einschätzung.

Ein Gastbeitrag von Sascha Faber

Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht in der Kanzlei volke2.0

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit einem Urteil vom 13. November 2013 (Az.: 1 ZR 143/12- Geburtstagszug) die seit Jahren vorherrschende Rechtssprechung zu den urheberrechtlichen Schutzvoraussetzungen von Werken angewandter Kunst (Designs) deutlich zu Gunsten der Kreativen abgeändert. Nach diesem Urteil können Designs – sogar rückwirkend vom 1. Juni 2004 an – deutlich leichter die urheberrechtlichen Schutzvoraussetzungen erreichen.

So die Pressemitteilung der Pressestelle des Bundesgerichtshofes vom 14. November 2013 (Nr. 187 aus 2013). Die Urteilsbegründung im Volltext liegt aktuell noch nicht vor.

Bisherige Rechtslage

Bis zu dem genannten Urteil des BGZ vom 13. November 2013 hatten Designer nur erschwerte Möglichkeiten, sich auf einen urheberrechtlichen Schutz ihrer so genannten Werke der angewandten Kunst berufen zu können. Die Rechtssprechung – und insbesondere auch der BGH selbst – sahen das Problem in dem für Designs zusätzlich möglichen Geschmacksmusterschutz.

Die Argumentation lautete, kurz gesagt, wie folgt. Designer könnten bereits einen Geschmacksmusterschutz für sich in Anspruch nehmen. Wenn nun für die betreffenden Werke auch noch ein Urheberrechtsschutz beansprucht werden soll, dann müsse aufgrund der ohnehin bestehenden Möglichkeit des Geschmacksmusterschutzes hierzu von besonders hohen Anforderungen zur Entstehung eines solchen Schutzes ausgegangen werden.

Kreative mussten zur Begründung eines Urheberrechtsschutzes für ihre Designs nicht nur die urheberrechtlich üblicherweise verlangte Schöpfungshöhe erreichen, sondern es wurden solch hohe Hürden errichtet, dass ein Urheberrechtsschutz nur in seltenen Einzelfällen möglich war. Den Designern blieb dann in der Regel nur noch die Hoffnung auf einen Geschmacksmusterschutz bzw. ein Vorgehen aus dem Wettbewerbsrecht.
Was hat der BGH geändert?

Mit der Entscheidung vom 13. November 2013 hat der Bundesgerichtshof nun die hohen Anforderungen für einen urheberrechtlichen Schutz von Designs als Werke der angewandten Kunst über Bord geworfen. Nunmehr sollen für diese Werke die gleichen Schutzvoraussetzungen gelten, die auch für Werke der zweckfreien bildenden Kunst sowie für literarische und musikalische Werke anzuwenden sind. Für diese Werkarten hat die Rechtssprechung schon lange, um Abgrenzungsprobleme zu vermeiden, das Institut der kleinen Münze entwickelt. Im Rahmen dieser kleinen Münze genügt für einen urheberrechtlichen Schutz das Überschreiten einer gerade noch urheberrechtlich relevanten Schwelle. Die Anforderungen für Designs als Werke der angewandten Kunst fallen also von den ehemals überdurchschnittlich hohen Voraussetzungen auf das Mindestmaß der kleinen Münze.

Begründet hat der BGH diese Kehrtwende mit dem Geschmacksmusterreformgesetz, das zum 1. Juli 2004 in Kraft getreten ist. Dieses Datum ist deshalb auch für die rückwirkende Berufung auf die neue Rechtssprechung maßgeblich. Jedenfalls ab diesem Zeitpunkt sollen nun die neuen entschärften Voraussetzungen gelten.

Welche Auswirkung hat die Entscheidung auf mich als Kreativer?

Die Auswirkungen sind immens. Ihnen als Kreativer stehen nun hinsichtlich Ihrer Designs deutlich mehr Rechtspositionen zur Verfügung. Gerade, wenn Sie für Ihre Werke keinen Geschmacksmusterschutz beanspruchen, könnten sich Ihnen mit dieser Entscheidung weitere rechtliche Möglichkeiten ergeben. Voraussetzung ist natürlich noch immer, dass zumindest die nun niedrigeren Schutzvoraussetzungen zur Erlangung eines Urheberrechtsschutzes erreicht werden. Ist dies der Fall, so kann z.B. bereits aus dem Urheberrecht selbst heraus gegen Nachahmer vorgegangen werden. Ein Geschmacksmusterschutz ist dann für ein solches Vorgehen keine zwingende Voraussetzung mehr. Selbstverständlich bleibt es jedoch auch weiterhin ratsam, zusätzlich auch einen Geschmacksmusterschutz zu erreichen, um im Falle des Falles auf verschiedene Rechte setzen zu können. Allerdings sind Designer ohne einen solchen Geschmacksmusterschutz nun nicht mehr schutzlos gestellt.

Auf der anderen Seite könnte die neue Rechtslage natürlich die rechtlich zulässige Nutzung neuer Designs erschweren. Zwar konnte auch bis zur Änderung der Rechtssprechung für Werke der angewandten Kunst ein urheberrechtlicher Schutz erreicht werden, allerdings war dies aus den genannten Gründen eher die Ausnahme. Künftig muss man zur Vermeidung eines Verstoßes nicht nur die bestehenden Geschmacksmuster im Auge behalten, sondern es muss auch jeweils festgestellt werden, dass durch den neuen Entwurf keine Urheberrechte verletzt werden. Dies ist bei der Fülle der nicht immer bekannten »Originale« wahrscheinlich nur im begrenzten Umfang praktikabel.

Wie das Urteil des BGH zeigt, ermöglicht die Änderung der Rechtssprechung nicht nur eine Berufung auf eine mögliche zusätzliche Rechtsposition aus dem Urheberrecht (neben dem Geschmacksmusterrecht) zur Verteidigung gegen Nachahmungen, sondern bietet auch noch darüber hinaus gehende Möglichkeiten, die dem Designer bei einem bloßen Geschmacksmusterschutz verschlossen geblieben wären. Im konkret vom BGH entschiedenen Fall ging es nicht etwa um die Abwehr von Nachahmern. Der Künstler hat sich vielmehr auf das dem Urheberrecht entstammende Recht zur angemessenen Vergütung berufen. Ein solches Recht kennt das Geschmacksmusterrecht nicht, so dass dem Designer als Urheber auch noch komplett andere Rechte zur Verfügung stehen können.

Fazit

Wie immer bleibt nach solchen Änderungen der Rechtssprechung abzuwarten, wie sich dies auf die Praxis im Einzelfall auswirkt. Insbesondere liegt die Entscheidung des BGH noch nicht im Volltext vor. Allerdings zeichnet sich bereits jetzt ab, dass Kreative mit hoher Wahrscheinlichkeit ihre Rechte gegenüber Dritten deutlich besser und breiter aufgestellt wahrnehmen können. Zwar kann es nunmehr auch schneller zu eigenen Verstößen kommen. Das Aufatmen der Kreativbranche war jedoch nach dieser Entscheidung deutlich zu hören.

Sascha Faber betreut als Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz, Urheber- und Medienrecht sowie Informationstechnologierecht seine Mandanten national und international ausschließlich in den Bereichen Wettbewerbs-, Marken-, IT-, EDV- und Internet-/ E-Commerce-Recht.

Friederike Sobiech von der Allianz Deutscher Designer über das Urteil

Der 13. November 2013 wird als ein guter Tag in die Geschichte der deutschen Designszene eingehen, denn das Urteil des Bundesgerichtshofs stellt auch die eigene bisherige Rechtsprechung richtig: Werke der freien und der angewandten Kunst werden in Bezug auf die Schöpfungshöhe nicht mehr unterschiedlich bemessen. Für die Designerinnen und Designer in Deutschland ist das ein Paukenschlag.

Nicht einmal 10 Jahre ist es her, da bestätigte das Bundesverfassungsgericht im Fall des »laufenden Auges« die bis zuletzt strenge Rechtsprechung des BGH (BVerfG, GRUR 2005, 410 – laufendes Auge). Das einprägsame Signet hatte der Berliner Grafiker Franz Zauleck 1993 im Auftrag der Allianz deutscher Designer (AGD) entworfen, das Design-Zentrum Nordrhein-Westfalen nutzte es für einen Wettbewerb.

Dass eine abgewandelte Form des »laufenden Auges« später auch von einem Gewerbeverein in Umlauf gebracht wurde, sei hinzunehmen so der Richterspruch damals, da das Signet keinen Urheberrechtsschutz genieße. Eine Ungleichbehandlung von angewandter und zweckfreier Kunst läge nicht vor – über das Geschmacksmusterrecht erlangten Designerinnen und Designer immerhin kostenfrei eine Schutzfrist von drei Jahren, die sie durch Anmeldung auf bis zu 25 Jahre verlängern könnten. Die sogenannte »Kleine Münze« als Maßstab für Schöpfungshöhe, reiche für angewandte Kunst nicht aus, hier sei ein sehr viel höherer Maßstab – »Große Münze« – anzulegen, als beispielsweise bei Texten, Fotografien und Werken der bildenden Kunst.

Der Bundesgerichtshof hat das nun im Fall einer klagenden Spielzeugdesignerin neu bewertet und ein wegweisendes Urteil gefällt (I ZR 143/12 – Geburtstagszug). Ab sofort und zum Teil auch rückwirkend ist Schluss mit den Unterschieden zwischen den Werkarten freier und angewandter Künste. Da das Urteil auch Bezug nimmt auf die Geschmacksmusterrechtsreform 2004, könnten nun zahlreiche Verfahren über den Schutz kreativer Arbeiten der vergangenen 10 Jahre neu aufgerollt werden, von der angemessenen Vergütung bis hin zu Schadensersatzklagen bei Urheberrechtsverletzungen. Hinzu kommen Revisionen bei Rechtsstreitigkeiten mit Finanzämtern über die Einordnung von Grafikdesignern in gewerbliche Tätigkeiten oder im Zuge von Umsatzsteuer-Nachberechnungen.

Victoria Ringleb, Geschäftsführerin der AGD, begrüßt das Urteil: »Die AGD hat das ‚laufende Auge’ bis vor das Bundesverfassungsgericht gebracht und wir freuen uns darum umso mehr, dass es nun soweit ist: der BGH hat sich endlich für eine einheitliche Bewertung von kreativen und künstlerischen Arbeiten entschieden, unabhängig vom Designfachbereich oder der Kunstgattung.« Auch der AGD-Vorstandsvorsitzende Andreas Jacobs befürwortet die Nachricht aus Karlsruhe: »Die Umsetzung dieser Rechtsprechung wird den Designer-Alltag verbessern: wir werden weniger rechtlichen Fallstricke und Unwägbarkeiten ausgesetzt sein. Und die angemessene Wertschätzung von Designleistungen ist im juristischen Bereich nun erreicht.« Zunächst einmal rechnen beide allerdings mit viel Wirbel: es müsse nun für die konkrete Rechtsprechung definiert werden, wie die Schöpfungshöhe der »Kleinen Münze« bei Designleistungen definiert sei. Beratungen mit den Juristen der AGD hierüber werden zeitnah folgen.

In der AGD-Geschäftsstelle rechnen sie darüber hinaus damit, dass der Vergütungstarifvertrag Design, den die AGD mit dem Verband der selbstständigen Designstudios (SDSt) seit 1977 aushandelt, nun auch noch mal in den vorherigen Auflagen von 2003 und 2006 nachgefragt wird, um als Grundlage von Gerichtsentscheidungen über zurückliegende Fälle zu dienen.

Der 13. November 2013 ist ein guter Tag und ein wichtiges Datum für die deutsche Designbranche – darüber sind sich alle in der Allianz deutscher Designer einig.

Friederike Sobiech arbeitet seit 2011 bei der Allianz deutscher Designer (AGD) in den Bereichen Kommunikation und Beratung. Zuvor hat die diplomierte Architektin fünf Jahre als freiberufliche Texterin und Designerin gearbeitet. Die AGD ist der größte designspartenübergreifende Berufsverband in Deutschland.

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