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Die besten Tipps und Tools, um unterwegs kreativ zu arbeiten

In der Bahn, im Coffeeshop, auf dem Handy und dem iPad – Gestalten ist längst nicht mehr nur am Desktop möglich. Wir zeigen fürs Mobile optimierte Tools und Workflows abseits vom Schreibtisch

3d Illustration für Maison Valentino von Marietta Bernals
Marietta Bernals geometrischer Stil und ihre modeverliebten Artworks finden Anklang bei großen Marken. Für Maison Valentino modellierte sieTeile der Pink PPCollection und Fashion Show für Social Media

Bei PAGE ist mobiles Arbeiten Teil des Alltags. Un­sere Redaktion sitzt im Homeoffice, in unserem Büro in Ham­burg, zeitweise in Los Angeles und auch mal in Barcelona. Von den großen iMacs haben wir uns bereits verabschiedet – mittlerweile arbeiten wir fast ausschließlich am Laptop, Eventfotos machen wir mit dem Smartphone, und für Recherchen, Meetings und E-Mails nutzt eine unserer Redakteurinnen am liebsten das iPad.

Und nicht nur wir genießen die Flexibilität, die ein Workflow außerhalb des Büros mit sich bringt, sondern auch Designerinnen und Designer aus den unterschiedlichsten Bereichen haben mobile Technik und Tools für sich entdeckt. Von fürs mobile Arbeiten optimierten Apps der Adobe Creative Cloud über Cap­ture One fürs iPad bis hin zu rein mobil ver­füg­baren Werkzeugen wie der 3D-Modeling-App Nomad Sculpt: »Heute kommt man als Designer:in unterwegs auch nur mit einem Tablet und entsprechen­dem Zubehör wie Maus und Keyboard zurecht«, sagt der UX Designer Nick Groeneveld. »Allerdings sind noch nicht alle Designtools für das iPad verfügbar, und in der Zusammenarbeit mit anderen Kreativen kann das den Workflow stören.«

Genau diese Lücken zwischen mobilen Geräten und dem Desktop gilt es in Zukunft zu schließen. Bis dahin warten iPad und Smartphone allerdings schon mit einigen beeindruckenden Tools auf, die Kreativen das mobile Arbeiten erleichtern und Prozesse verbes­sern können. Hier stellen wir euch die spannendsten Apps und Geräte vor und zei­gen, wie vier Kreative ihren Workflow fürs mobile Arbeiten gefunden haben.

1. 3D Design in Nomad Sculpt und Blender

Wie die argentinische Designerin Marietta Bernal Visuals für Kund:innen aus der Fashionbranche auf dem iPad modelliert

3d modelling für Maison Valentino von Marietta Bernals: Form

Die Mode- und Grafikdesignerin Marietta Bernal hat schon immer gerne mit ihren Händen gearbeitet – vom Töpfern bis zum Nähen ihrer eigenen Textil-Patterns. 2021 begann sie zum ersten Mal mit 3D-Modeling zu experimentieren und brachte sich selbst den Umgang mit Blender bei. Seitdem hat sie bereits mit Design Studio B.O.B. zusammengearbeitet und Social-Media-Visuals für die Modehäuser Valentino und Benetton gestaltet.

 

Sobald sie mit ihrem Modell zufrieden ist, spielt sie wieder eine OBJ-Datei aus Nomad Sculpt über AirDrop auf ihren Mac und bearbeitet sie in Blender weiter, fügt Materialien, Lichter oder eine zuvor gebaute Szenerie hinzu. So kann sie die höhere Rechen­leistung ihres Macs zum Rendern nutzen und dort die organischen Texturen aus Nomad Sculpt ent­spre­chend der gewünschten Ästhetik glätten oder kleine Animationen hinzufügen.

Portrait von Marietta Bernals»Ich schaffe mit dem iPad einen Flow zwischen meinen Händen und der Leinwand, und der Screen erlaubt mir, zu üben, zu experimentieren und fast wie mit realen Materialien zu modellieren«

Marietta Bernal, Freelance 3D Artist und Illustratorin, Buenos Aires

2. Fotoshootings in Lightroom managen

Wie der schottische Produktfotograf Andrew Lanxon mit iPad und Handy erste Edits testet und unterwegs Lightroom nutzt

Pilz-Fotografie von Andrew Lanxon

Andrew Lanxon fotografiert sowohl professionell als auch privat – in seinem day job hat er eher mit Produkt- und Editorial-Shoots zu tun, während er in seiner Freizeit Makroaufnahmen in der Natur für Social Media und seinen YouTube-Kanal macht. Min­destens ein Mobilgerät hat er eigentlich immer dabei. »Ich arbeite mit dem kleinen iPhone Pro, oder wenn ich professionell unterwegs bin, nehme ich das 12,9-Zoll-iPad-Pro mit, für private Reisen reicht auch das Mini«, so Lanxon.

Seine Fotografien lädt er mit einem USB-C-CFexpress-Kartenlesegerät auf sein iPad. Lightroom und Capture One fürs iPad bieten aber mittlerweile auch eine Tethering-Funktion, über die man die Kamera direkt verkabeln und Bilder in Echtzeit auf dem Tab­let anschauen kann. Während professio­nel­len Foto­shootings zeigt Andrew Lanxon seinen Kund:innen erste Aufnahmen auf dem iPad, spricht mit ihnen über die Komposition und über unterschiedliche Ein­stellungen oder demonstriert in ei­nem schnellen Edit via Lightroom-Preset, wie das finale Bild aussehen könnte. Zudem markiert er dabei gleich eine grobe Auswahl. Auf diese Weise muss er später für die tatsächliche Bearbeitung am Desktop nur Lightroom öff­nen und kann direkt loslegen.

Work Setup mit iPad von Andrew Lanxon
Unterwegs bearbeitet Andrew Lanxon seine Fotos auf dem iPad. Nur für bestimmte Softwares und Tools wechselt er auf einen maßgefertigten Windows-PC

Manches lässt sich allerdings noch nicht effizient auf Mobilgeräten fertigstellen, weil nicht alle Tools auch auf dem iPad laufen. Gerade bei Produktshootings oder Makroaufnahmen hat Lanxon oft meh­rere Bilder mit unterschiedlichem Fokus, die er in Lightroom mit dem Fokus-Stacking-Plug-in Helion Focus übereinanderlegt, um so eine höhere Tiefenschärfe zu erzeugen. Dafür verwendet er einen selbst zusammengebauten Windows-Rechner, der auch die ent­sprechende Leistung für die Bearbeitung seiner YouTube-Videos in Premiere Pro mitbringt. Unterwegs filmt Andrew Lanxon Videos allerdings auch auf dem iPhone und schneidet sie in der kostenlo­sen App LumaFusion auf dem iPad. »Das iPhone ist mein liebstes Kreativtool«, so Lanxon. »Damit habe ich eine mächtige Kamera und meine Editing-Programme immer dabei und kann meine Ergebnisse auch gleich auf Social Media teilen.«

Portrait Andrew Lanxon »Das iPhone ist mein liebstes Kreativtool. Damit habe ich eine mächtige Kamera und meine Editing-Programme immer dabei«

Andrew Lanxon, Freelance Fotograf und Fotojournalist, Edinburgh

 

3. UX-Workshops mit FigJam

Warum der niederländische UX Designer Nick Groeneveld am liebsten mit Mobilgeräten arbeitet

Screen von Nick Groeneveld mit FigJam
FigJam ist gerade Nick Groenevelds liebstes Designtool. Darin entwickelt er in Kollaboration mit Kund:innen und anderen Kreativen Webexperiencesund Ressourcen, wie das interaktive Wörterbuch uxdictionary.io

Nick Groeneveld ist UX Designer, Researcher und Mentor für andere Kreative. Neben Apps und Websites für Kund:innen bietet er auch UX-Workshops an und betreibt die Plattform The Designer’s Toolbox, auf der er UX-Designer:innen Tipps gibt und Tool- und Technikrezensionen postet. In seinem Job ist er viel unterwegs. »Kann ich damit im Zug arbeiten? Kann ich in einem Workshop damit durch den Raum gehen? Das sind Fragen, die ich mir bei der Auswahl meiner Geräte stelle«, so Groeneveld.

Aktuell arbeitet er auf einem 14-Zoll-Laptop, den er im Büro an einen externen Monitor anschließt. Laut Groeneveld kann man als UX Designer aber auch rein mit einem Tablet, einer Bluetooth-Tastatur und einer Maus zurechtkommen. Unterwegs verwen­det er meist das iPad Air 2022, das mit dem neuen M1-Chip mit ausreichend Power für seine täglichen Auf­gaben ausgestattet ist. Dazu gehören User-Research und Konzeption mit der Miro-App sowie Design in Figma. In Workshops verwendet er zudem das Kolla­borationstool FigJam, mit dem er auch vor Kund:in­nen präsentiert. Detailliertere Skizzen oder Illustra­tionen fertigt Groeneveld in Procreate an.

Das Wichtigste beim mobilen Arbeiten ist für ihn ein reibungsloser Workflow zwischen den Geräten. Er rät deshalb dazu, mobile Geräte passend zum Betriebssystem des Desktops anzuschaffen und in eine gute Cloud-Storage-Lösung zu investieren. Seine Da­ten tauscht der UX Designer zumeist über eine Drop­box oder seine Apple iCloud aus, von der er auch bestimmte Ordner für Kund:innen und Kol­la­bora­tions­part­ner:innen freigeben kann.

Allerdings sieht Nick Groeneveld bei dem Thema Kol­laboration noch Luft nach oben: »Nicht alle Standarddesigntools laufen mobil problemlos. Gerade in der Zusammenarbeit mit anderen Designer:innen stört das den Workflow, und in einer Agentur macht es Sinn, dass alle dieselbe Technik verwenden. Als Freelancer:in kann man experimentieren und den idealen Workflow für unterwegs finden.«

Portrait Nick Groeneveld»Unterwegs reicht ein Lightweight-Tablet mit Bluetooth-Maus und Tastatur, um kreativ zu arbeiten«

Nick Groeneveld, Freelance UX Designer und Mentor, S’Hertogenbosch, Niederlande

4. Lettering in Adobe Fresco und Illustrator

Warum die US-amerikanische Typografin Alanna Flowers ihre Lettering-Kunstwerke am liebsten mit Adobe CC auf dem iPad erstellt

Handlettering Illustration von Alanna Flowers

Illustrator:innen haben das iPad schon lange für sich entdeckt. Seit Procreate 2011 auf den Markt kam, ist die Entwicklung von Mobile-optimierten Zeichen­apps nicht mehr zu stoppen. Lettering Artist Alanna Flowers nutzt am liebsten Adobes Creative Cloud. »Ich komme ursprünglich aus dem klassischen Grafikdesign«, erklärt die New Yorkerin. »Deshalb fühlt sich für mich das Adobe-Ökosystem sehr natürlich an, ich bin mit den Interfaces vertraut und kann dank der Cloud-Funktion meine Werke nahtlos mobil und auf dem Desktop bearbeiten.«

Thumbnail Sketches für Handlettering Illustration von Alanna Flowers

Zum Illustrieren nutzt Flowers Adobe Fresco, das explizit für das Zeichnen mit dem iPad und dem Ap­ple Pencil optimiert ist. Die Hardware ist für sie allerdings nicht so wichtig, solange sie darauf ausreichend Platz zum Illustrieren hat. Heute nutzt sie ein iPad Pro mit 12,9-Zoll-Display. Darauf startet sie ihren Workflow mit einer kurzen Bildrecherche in der Pinterest-App und erstellt drei bis vier Thumbnail-Skizzen in Fresco, um mit Kund:innen über den Entwurf sprechen zu können.

Anschließend verfeinert Alanna Flowers die Details und kreiert eine detailliertere Illustration, die wieder freigegeben werden muss, bevor sie vektorisiert werden kann. Für diesen Schritt öffnet Flowers ihre Fresco-Illustration über die Creative Cloud am MacBook Air und exportiert sie als JPEG, das sie anschließend in Adobe Illustrator lädt und mit der Maus und dem Pen Tool vektorisiert. »Leider ist Illustrator eines der Programme, das auf dem iPad nicht wirklich gut läuft und auch schon länger kein Update erhalten hat. Deshalb bin ich zum Vektorisieren lieber am Laptop, wo ich das gewohn­te Interface nutzen kann«, so Flowers.

Sketch für Handlettering Illustration von Alanna Flowers

Das vektorisierte Artwork kann die New Yorkerin anschließend in verschiedenen Variationen kolorie­ren, skalieren und weiterbearbeiten. Texturen und Effekte wie Schlagschatten oder Körnung kommen dann in Photoshop hinzu. Hier erstellt Flowers außer­dem auch kleine GIF-Animationen für Social Me­dia oder für die Websites von Kundinnen oder Kunden. An der Arbeit mit dem iPad genießt sie vor allem die Flexibilität im Alltag: »Mein iPad ist heute fast genauso leistungsstark wie mein Computer, nur dass ich darauf meinen kompletten Zeichenworkflow von der Skizze bis zum Posten auf Social Media an einem Ort habe – und das auch in meinem Lieblingscafé, wenn ich meine Familie besuche oder ein­fach mal draußen arbeiten will.«

Portrait Alanna Flowers »Das iPad hat meinen Workflow verschlankt. Auf einmal hatte ich alles, was ich brauchte, in einem Gerät – vom Illustrieren bis zum Teilen auf Social Media«

Alanna Flowers, Freelance Lettering Artist und Grafikdesignerin aus New York

Design on Mobile: What to get?

Denkt ihr darüber nach, euren Workflow um ein Mobilgerät zu erweitern? Stellt euch diese drei Fragen zuerst:

  • Apple oder Microsoft?

Grundsätzlich immer das Ökosystem, mit dem ihr am meisten arbeitet. Allerdings gibt es einige Apps – wie Procreate –, die nur auf dem iPad verfügbar sind. Im iPad Air 5 (ab 770 Euro) ist der M1-Chip verbaut, der auch im iPad Pro und einigen iMacs für eine Leistung sorgt, die für grafische Arbeiten geeignet ist. Vergleichbar und mit einem etwas größeren Screen von Microsoft ist das Surface Pro 8 (ab 890 Euro).

  • Welches Zubehör brauche ich?

Zeichnest oder modellierst du viel? Dann macht natürlich ein Touchpen Sinn. Der Apple Pencil und Microsofts Surface Pen funktionieren dabei in der Regel nur im heimischen Betriebssystem. Wer allerdings viel tippt oder mit Tastenkürzeln arbeiten will, sollte über Bluetooth-Tastatur und -Maus nachdenken, um auch unterwegs effizient arbeiten zu können. Dabei muss es nicht immer Apple oder Windows sein.

  • Wie speichere ich meine Daten?

Ein kleiner interner Speicher reicht in der Regel aus – viel wichtiger ist eine gute Cloud-Storage-Lösung wie Dropbox, Apple iCloud oder Google Drive. Auf Mobilgeräten lassen sich diese als Apps downloaden und direkt als Speicherort nutzen, sodass eure Projekte immer online gesichert und verfügbar sind. 200 Gigabyte in Google Drive oder in der Apple iCloud gibt es für monatlich 2,99 Euro; 2 Terabyte kosten bei Dropbox 9,99 Euro im Monat.

Dieser Artikel ist in PAGE 06.2023 erschienen. Die komplette Ausgabe können Sie hier runterladen.

PDF-Download: PAGE 06.2023

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