Immer mehr Agenturen betreiben Exklusiv- Ableger für jeweils einen Großkunden. Geht das Konzept solcher Customized Agencies tatsächlich auf? Wir haben uns umgehört.
In den vergangenen Jahren sind gleich mehrere Agenturen an den Start gegangen, die sich einzig und allein einem Auftraggeber widmen – und zwar in der Regel einem Riesenkunden. Zusammen mit thyssenkrupp gründete thjnkdas Joint-Venture Bobby&Carl; der bei Ogilvy Düsseldorf angedockte Content Cube betreut das L’Oréal-Content-Marketing; und Zum goldenen Hirschen konzipierte für MediaMarkt den Ableger Zum roten Hirschen. Zudem bauten André Kemper und Tonio Kröger antoni für Mercedes-Benz auf, C14Torce aus dem Hause DDB wurde für SEAT entwickelt.
Solche Customized Agencies entstehen aus vielerlei Gründen. Aus Agentursicht sprechen ein langfristig sicherer Umsatz und somit eine bessere Planbarkeit für die exklusive Bindung an einen Auftraggeber. Zudem sind die meisten Unternehmen, die sich für diesen Weg entscheiden, bekannt und prestigeträchtig, sie verfügen über beachtliche Budgets und sind global unterwegs – was auch für die Agentur eine Internationalisierung in greifbare Nähe rückt. Spark44, 2011 für Jaguar gegründet, ist mittlerweile mit gut 1000 Mitarbeitern in mehr als zwanzig Märkten aktiv. Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Vorteil für Agenturen, der mit der Gründung unabhängiger Ableger einhergeht: Konkurrenzklauseln lassen sich so umgehen.
Die andere Seite profitiert natürlich ebenfalls. Konzerne können sich dank der exklusiven Bindung genau die Agentur aufbauen, die ihren individuellen Bedürfnissen entspricht. Großunternehmen, die nach einer digitaleren, innovativeren Ausrichtung streben, setzen darauf, dass sich Dynamik und Kreativität der Agenturleute auch auf die eigenen Reihen übertragen. Im Gegensatz zu einer internen Kreativabteilung bewahrt eine Customized Agency trotz gewünschter Nähe zum Kunden eine gewisse Distanz – sitzt zum Beispiel häufig in eigenen Räumen und nicht im Unternehmen selbst. Mit einem Blick von außen kann sie als Sparringspartner eher herausfordern – wichtig, wenn Veränderung gewünscht ist. In der Theorie klingt das alles ziemlich gut. Doch wie sieht es in der Praxis aus? Ein paar Fragen.
Was können Customized Agencies bewegen?
Mit über 200 Jahren Firmengeschichte ist thyssenkrupp noch recht konservativ aufgestellt. Doch der Konzern befindet sich in einem Transformationsprozess, möchte moderner, dynamischer und lockerer werden. Mit einem frischen Markenauftritt, 2015 von thjnk und loved entwickelt, wird das schon sichtbar. »Kommunikation leistet bei thyssenkrupp einen großen Beitrag zur Transformation. Mit Bobby&Carl können wir thyssenkrupp dabei unterstützen, den Wandel schneller, effizienter und auch kreativer voranzutreiben. Impulse von außen sind wichtig«, sagt Kai Röffen, Geschäftsführer von Bobby&Carl in Düsseldorf. Thjnk und thyssenkrupp halten je 50 Prozent an der Customized Agency. Sie unterstützt den Konzern auf allen Kanälen – besonders im Digitalbereich und bei der internen Kommunikation – und beschleunigt die Modernisierung mit neuen Ideen.
Amir Habil ist seit Juli bei Bobby&Carl Head of Digital und Mitglied der Geschäftsführung. Vorher hat er bei thyssenkrupp im Digitalmarketing gearbeitet – und kam dort täglich im Anzug ins Büro. »Doch das lockert sich gerade alles«, berichtet er. Aufbruchsstimmung liege in der Luft, die thyssenkrupp-Kultur verändere sich. »Sie profitiert davon, dass wir bei Bobby&Carl flexibel sind, anders denken, neue Ideen haben und sehr offen an Themen rangehen«, sagt er. »Es ist nicht so, dass diese Werte im Konzern nicht vorhanden wären, doch durch uns werden sie amplifiziert.« Thyssenkrupp mischt jetzt öffentlichkeitswirksam zu Innovationsthemen wie Robotik, E-Mobility und autonomes Fahren mit. Veranstaltet Hackathons, druckt Flyer zum Thema Klimaschutz auf Esspapier und nimmt mit eigenem Wagen am Kölner Christopher Street Day teil.
Leidet die Kreativität in einer Customized Agency?
Auch die Aufgaben der MediaMarkt-Agentur Zum roten Hirschen sind enorm vielschichtig: »Im Laufe der Zeit entwickelt man ein tiefes Verständnis für den Kunden. Statt oberflächlich von einer Kampagne zur anderen zu springen, setzen wir uns viel intensiver mit den Herausforderungen von MediaMarkt auseinander, etwa der Digitalisierung des Handels«, sagt Arndt Rossnagel, Executive Creative Director. »Natürlich beschäftigen wir uns auch mit tagesaktuellen Aufgaben, darüber hinaus sind wir aber in Prozesse involviert, für die eine gewöhnliche Agentur normalerweise nicht beauftragt wird.« Dazu gehört die Entwicklung langfristiger Kampagnen- und Marketingstrategien für alle Kanäle. So kann sich das Team immer wieder in neuen Bereichen kreativ austoben – auch wenn der Absender gleich bleibt.
»Jeder unserer Mitarbeiter wurde speziell für diesen Kunden eingestellt. Das ist der größte Vorzug der Customization.« Jens Kurznack, Zum roten Hirschen
Die 17 Mitarbeiter von Zum roten Hirschen wurden für MediaMarkt »gecastet«, wie Jens Kurznack, Geschäftsführer und Beratungschef beschreibt: »Wir haben die Agentur genau auf die Ansprüche von MediaMarkt ausgerichtet und gemeinsam im Vorfeld besprochen, welche Strukturen wir brauchen werden – und welche Mitarbeiter. Jeder von ihnen wurde für speziell diesen Kunden eingestellt. Das ist meiner Meinung nach der größte Vorzug der Customization.« Denn entstanden sei ein erfahrenes, perfekt aufeinander abgestimmtes Team. Arndt Rossnagel ergänzt: »Was uns so stark macht, ist auch, dass sich alle ganz bewusst für diesen einen Kunden entschieden haben.« Und über Langeweile habe sich laut Jens Kurznack noch niemand beschwert. »Hier wechseln die Themen viel schneller als üblich, fast im Monatstakt. Abwechslung und Dynamik ergeben sich automatisch«, sagt er.
Der vollständige Artikel ist in PAGE 12.2017 zu lesen. Dort geht es auch um folgende Fragen zum Thema: Wie funktioniert die Zusammenarbeit von Customized Agencies und ihren Kunden? Gibt es große Unterschiede zu klassischen Agenturen? Und: Wie geht’s weiter mit Customized Agencies?