Rund 100 Fotografien, einige Videos – und sehr viel Hype: Im Düsseldorfer Kunstmuseum K21 zeigt der Schauspieler Lars Eidinger mit was für einem offenen und interessierten Blick er durchs Leben geht.
Es ist schon ein besonderer Blick: Das Lager von Obdachlosen vor Werbeplakaten und das mit Schlafsäcken, deren Farben sich mit dem kuscheligen Luxusheim darauf doppeln, Geländer, die sich wie moderne Kunst Wände entlang schlängeln, sinnlose Absperrgitter und eine einsame Mickey Mouse, die vor dem Sonnenuntergang am Genfer See tanzt.
Lars Eidinger schaut genau hin, was sich auf den Straßen abspielt. Ob in Berlin oder dort, wohin seine Arbeit und seine Reisen ihn führen. Er erkennt, was nicht zusammenpasst, was sich auf aberwitzige Weise spiegelt, was lustig oder todtraurig ist.
So wie die Menschen, die auf der Straße leben müssen, die Einsamen und Verzweifelten, mit denen wir uns längst abgefunden haben. Aber er schaut auch auf das, was aufeinandertrifft, obwohl es nicht zusammengehört und so kuriose und launige visuelle Metaphern entstehen auf denen ein Disco-Schild inmitten trostlosen Wohnblöcken hängt, Mülltonnen neben Friedhofsstatuen lehnen oder viereckig getrimmte Bäume vor einer spektakulären Bergkulisse zu sehen sind.
»O Mensch« hat der Schauspieler seine Ausstellung im Kunstmuseum K21 in Düsseldorf genannt, die letzten Freitag eröffnet wurde. Mit Warteschlangen um das Museum herum und einem Set des begnadeten DJs, der er auch noch ist, samt wilder Party.
Den Ausstellungstitel hingegen hat er von Friedrich Nietzsches »Also sprach Zarathustra« entlehnt:
Oh Mensch! Gieb Acht!
Was spricht die tiefe Mitternacht?
»Ich schlief, ich schlief —,
»Aus tiefem Traum bin ich erwacht: —
»Die Welt ist tief,
»Und tiefer als der Tag gedacht.
»Tief ist ihr Weh —,
»Lust — tiefer noch als Herzeleid:
»Weh spricht: Vergeh!
»Doch alle Lust will Ewigkeit —,
»— will tiefe, tiefe Ewigkeit!«
Schließlich ist der Schauspielstar als Theaterschauspieler auch in der Hochkultur zu Hause – und bringt sie mit dem Alltag zusammen. Und damit, dass viele Zustände, an die wir uns gewöhnt haben, tieftraurig sind.
Airdancer mit umwerfenden Blick
Seit vielen Jahren fotografiert Lars Eidinger. Schon bevor er mit seinen Beobachtungen auf seinem Instagram-Account mit fast 200.000 Follower:innen Furore machte. Bevor er ihn 2022 überraschend gelöscht hat, da ihm das »antisoziale« Medium über den Kopf gewachsen ist.
Heute stellt er seine Bilder und Videos, die allesamt mit dem Smartphone entstehen, im Museum aus. Auch in der Hamburger Kunsthalle waren sie bereits zu sehen. Zusammen mit Arbeiten von Stefan Marx und Niederländischen Meistern.
In Düsseldorf hingegen zappelt in der Ausstellung ein Airdancer, einer dieser aufblasbaren Strichmännchen, die in schreienden Farben und mit wilden Bewegungen auf Tankstellen, Autohändler oder sonstiges aufmerksam machen.
Und ein wenig geht es einem auch mit der Ausstellung so. Natürlich lockt der Name dieses charismatischen Weltklasse-Schaupielers, der zudem zeitgemäß und offen über seine Gefühle und Ängste spricht, immer wieder ein anderes Bild von Männlichkeit vertritt und sehr präsent ist.
Natürlich faszinieren seine Bilder durch ihren neugierigen und aufmerksamen Blick. Aber sind dann auch, ganz wie beim scrollen auf Instagram, bald wieder aus dem Gedächtnis verschwunden.
Und ob das überhaupt schlimm ist? Wahrscheinlich auch für Lars Eidinger nicht. Denn die Welt dreht sich weiter und er dreht sich mit ihr. Immer weiter und mit unablässiger Neugier. Und das ist das eigentliche Glück.
O Mensch, K21 der Kunstsammlung NRW in Düsseldorf, bis 26. Januar 2025
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