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Rau, packend und komplex: Branding des Wiener Aktionismus Museum

Mit der Axt, mit Blut und Vehemenz stürmten die Wiener Aktionisten gegen Tabus und den Nachkriegsmief an. Jetzt haben sie ihr eigenes Museum bekommen – und das ist mit einer packenden Identity der Duisburger Designagentur oppa franz versehen, die so konzentriert wie komplex ist.

Wenige waren so radikal wie die Wiener Aktionisten. Vom Ende der 1950er Jahre an rüttelten sie 25 Jahre lang die Kunstwelt mit ihren extremen Aktionen auf, rechneten mit der Religion ab, mit Tabus und Konventionen, nutzen den eigenen Körper und bespiegelten das Ich.

Und das mit ausgestellter Sexualität, mit Fäkalien und Selbstverstümmelungen, die sie in Kunsträume und Galerien trugen.

Oder in den Hörsaal der Universität Wien, wo sie 1968 bei der von der Presse als »Uni-Ferkelei« bezeichneten Aktionskunst, ein so Kotlastiges wie politisches Spektakel aufführen, das bis heute als bahnbrechende Performance gilt.

Jetzt haben die Wiener Aktionisten, zu denen Günter Bruns (1938-2024), Otto Muehl (1925-2013), Hermann Nitsch (1938-2022) und Rudolf Schwarzkogler (1949-1969) gehörten, ein eigenes Museum bekommen.

Das Wiener Aktionismus Museum, das aus einer Initiative von Privatsammlern entstand und sich in jährlichen Ausstellungen der berühmtesten österreichischen Kunstströmung widmet.

Es startet mit der Schau »Was ist Wiener Aktionismus?« – und mit einem Branding der Duisburger Designagentur oppa franz, die immer auch stark auf Typografie setzt. Ganz so wie bei dem Erscheinungsbild des WAM, wie das neue Museum kurz heißt.

Eindrückliche Typografie

Bold, prägnant und lautstark visualisiert das schwarze Wortlogo den Wumms, mit dem die Wiener Aktionisten die Nachkriegsgesellschaft in Aufruhr brachten. Oder den Knall, wie die Kreativen es nennen und zeigt zugleich, was den Wiener Aktionismus definiert: »Reibung und Berührung, Widerstand und Schmerz sowie Rohheit und Präzision«, wie es von oppa franz heißt.

Im Zentrum des Designs stehen die Schriften Söhne Schmal und Noe Display. Die Söhne Schmal der neuseeländischen Klim Type Foundry soll an eine handwerklich gesetzte Typografie wie beim Bleisatz erinnern, aber ohne dabei nostalgisch zu wirken, heißt es.

Gleichzeitig hat oppa franz einige geringfügige Anpassungen vorgenommen, um das rohe, brutale und handwerklich präzise zu verstärken und die Schrift enger zu setzen, ohne, dass die einzelnen Buchstaben einander berühren.

Die Renaissance-Antiqua Noe Display der Foundry Schick Toikka aus Berlin/Helsinki mit ihren starken Kontrasten zwischen dünn und dick, wird als klassischer Gegenpart zur Primärschrift verwendet.

Gleichzeitig bekommt die gewohnte Eleganz einer Renaissance-Antiqua durch die Serifen, die oppa franz an frisch geschliffene Reißzähne erinnern, eine Härte und Aggressivität, ohne, dass dabei ihre Ausgeglichenheit und Finesse beeinträchtigt wird.

Branding mit Überraschungen

Die übergeordnete Gestaltung hingegen ist an den Aufbau von Boulevard-Zeitungen angelehnt, um die Brisanz und die Skandale der Wiener Aktionisten widerzuspiegeln, die bis heute nachhallen. Erst in ihren Aktionen und zuletzt in der Kommune, die Otto Muehl in den Siebzigern gründete und der 1991, auch nach zahlreichen Aussagen von Kommunen-Mitgliedern, wegen sexuellem Missbrauch von Minderjährigen zu sieben Jahren Haft verurteilt wurde.

Die starke Typografie und das geradlinige Design und das raue und radikale, das sich durch das Branding zieht, wird zudem mit überraschenden Farben kontrastiert.

Denkt man beim Wiener Aktionismus vor allem an Blutrot, an Erdtöne und vielleicht auch noch an das brüchige Weiß der Körperbemalungen von Günter Bruns, bricht oppa franz damit. Mit der »klischeebehafteten Darstellung« und schafft mit poppigen Farben, mit Rosa oder leuchtendem Blau einen Gegenpol, der die kraftvolle Schwarzweiß-Ästhetik durchbricht, irritiert und gleichzeitig auch zugewandt und einladend ist.

Dieser Burch wirkt wie das Heute, dass das so konzentrierte und gleichzeitig so komplexe Erscheinungsbild durchweht, das von der Kunst, von deren Rezeption und Wucht erzählt – und gleichzeitig das Museum für Besucher:innen weit öffnet, Hemmschwellten abbaut und es in die Gegenwart holt.

 

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