Zertifikat für Gemeinwohl-Ökonomie: Gut für alle
Wer sein Unternehmen nach den Kriterien der Gemeinwohl-Ökonomie zertifizieren lässt, liefert damit ein Bekenntnis zu mehr Nachhaltigkeit. Und auch wenn der Schritt mit Aufwand verbunden ist: Die Agentur visuellverstehen hat ihn nicht einen Moment bereut. Wie so ein Zertifizierungsprozess aussieht
»Über gut sechs Monate haben wir interne Workshops zu Themen wie Solidarität, Menschenwürde und ökologische Nachhaltigkeit durchgeführt«, berichtet Sören Riechmann. »Die Ergebnisse haben wir im GWÖ-Bericht festgehalten und zur externen Prüfung geschickt.« Ein unabhängiger Berater der International Federation for the Economy for the Common Good e. V. ( www.ecogood.org ) überprüfte das Ganze gründlich und führte Gespräche mit der Geschäftsführung und Einzelnen der rund dreißig Mitarbeiter:innen. Anschließend bekam visuellverstehen das Testat mit 405 Punkten ausgehändigt – die mögliche Zahl reicht von minus 3600 bis plus 1000 Punkte. »Mit dem Wert sind wir sehr zufrieden«, meint Sören Riechmann. »Gut abgeschnitten haben wir vor allem bei unserem Umgang mit den Mitarbeitenden und unserer ethischen sowie sozialen Haltung zu Geldmitteln.«

An anderen Stellen gab es noch Luft nach oben, nach der Bilanzierung nahm sich visuellverstehen vor, insbesondere vier Themen weiter zu verfolgen: Transparenz der Gehälter, ökologische Weiterbildungen, verringerte Arbeitszeiten mit dem Ziel einer 32-Stunden-Woche und Beteiligungen von Mitarbeitenden. Insbesondere der letzte Punkt erwies sich als recht knifflig: »Es wird noch etwas dauern, bis wir hinsichtlich einer stärkeren ökonomischen Beteiligung der Mitarbeitenden am Unternehmen einen fairen und machbaren Weg finden. Aktuell gibt es immerhin schon einen Teambonus, der jährlich als Gewinnbeteiligung ausgezahlt wird und die letzten drei Jahre ein dreizehntes Gehalt überstieg.«
Unterstützung bei Recruiting und Akquise
Umsonst gibt es das Testat nicht. Die Kosten einer Gemeinwohl-Bilanzierung hängen stark von der Unternehmensgröße ab. Die Mitgliedschaft im GWÖ-Verein kostet visuellverstehen ungefähr 400 Euro im Jahr, das externe Audit knapp 1500 Euro. Und auch die eigenen Personalkosten, beispielsweise für die Erstellung der Bilanz oder die Teilnahme an den Workshops schlagen zu Buche – ein fünfstelliger Betrag kommt da schnell zusammen. Trotzdem kann Sören Riechmann die Zertifizierung unbedingt empfehlen: »Sich gemeinschaftlich über zukunftsweisende Themen Gedanken zu machen schweißt nicht nur zusammen, sondern öffnet auch den Blick des Teams für größere Zusammenhänge. Das motiviert, weil einem noch bewusster wird, was die eigene Arbeit bewirkt.«
Um die Ergebnisse mit anderen Interessierten zu teilen, präsentierte visuellverstehen die gewonnenen Erkenntnisse in einem Magazin (siehe oben ), das den Kreativen wichtiger als die Punktzahl. Denn es verdeutlicht auf 48 Seiten, wie die Agentur tickt und wofür sie steht. Die Gemeinwohl-Zertifizierung bietet auch Vorteile beim Recruiting: »Die Bilanzierung ist ein Pfund, das wir gerne und erfolgreich in die Waagschale werfen. Sie hilft nicht nur bei der Akquise von Aufträgen, sondern auch von Mitarbeitenden«, so Sören Riechmann. Ob man es nun Purpose, Wertekultur, Achtsamkeit oder wie auch immer nenne: Den Menschen sei heutzutage wichtiger denn je, mit wem und für wen sie arbeiteten. Anstelle von Lippenbekenntnissen kann visuellverstehen einen handfesten Bericht auf den Tisch legen.
Zwei Jahre ist das Testat gültig. Aktuell können die Flensburger noch nicht sagen, ob sie im Anschluss direkt einen neuen GWÖ-Bericht vorlegen werden. Sie versprechen aber, dass sie sich nicht auf den Ergebnissen ausruhen und sich weiter mit den Themen beschäftigen werden. Und vielleicht wollen sie auch noch nach anderen Zertifizierungsmöglichkeiten Ausschau halten – um wieder neue Impulse zu bekommen.

Dieser Artikel ist in PAGE 04.2022 erschienen. Die komplette Ausgabe können Sie hier runterladen.



