Unternehmen verschiedenster Branchen profitieren bereits von der designbasierten Arbeitsweise von IBM iX, mit der sich digitale Transformationsprozesse gestalten und skalieren lassen – darunter der Energieversorger Fortum, deutsche Krankenkassen sowie Automobilkonzerne.
Bild: Nikolaus Brade
Das Ziel des Projekt-Kick-offs für Fortum war hoch gesteckt: In wenigen Wochen wollten IBM iX und das finnische Energieunternehmen mit Hauptsitz in Helsinki »Lösungen finden, die die Welt verbessern«. Arun Aggarwal, Senior Vice President von Fortum, hatte bereits bei einem früheren Arbeitgeber gute Erfahrungen mit der IBM-Garage-Methode gemacht und setzte daher auch bei diesem Projekt auf agiles Arbeiten und ein Framework, das es laut IBM möglich macht, Menschen, Prozesse und Technologien auf eine Ebene zu bringen und in Start-up-Geschwindigkeit Ideen für komplexe Businessumfelder zu entwickeln. In diesem Fall ging es um »grüne Mobilität« und die Frage, was Fortum beitragen kann, um erneuerbare Energien effektiv für Elektromobilität einzusetzen.
Elektromobilität: Pain Points identifizieren
»Unsere Partner:innen bei Fortum haben einen starken Experimentiergeist und verfügen über enorm viel technologische Expertise. Das war natürlich eine gute Grundlage«, sagt Carlo Schulz, Design Research Director bei IBM iX. Schulz gehört zu einem internationalen Fortum-Team mit Kolleg:innen aus Berlin, Genf, Hamburg, Helsinki, London, Miami und Zürich, das komplett remote zusammenarbeitet. Ein Fokus seines Designteams lag darauf, auch die menschlich-emotionale Komponente zu berücksichtigen und herauszufinden, welche Bedürfnisse die unterschiedlichen Akteur:innen haben: Fahrer:innen von Elektroautos, E-Flotten, Energieunternehmen und Betreiber:innen von Ladestationen. Dafür galt es, zunächst die Pain Points beim Auf- und Ausbau sowie bei der Nutzung von Elektromobilität zu ermitteln. Die erste Projektphase, eine Woche im Februar 2021, bestand vor allem aus sehr strukturierter Recherche. Zu diesem Zeitpunkt saßen im Team neben Carlo Schulz sechs weitere Designer:innen mit den Schwerpunkten Business-, UX- und Frontend-Design, Artdirektion sowie ein IBM Garage Leader, ein Client Manager und ein Director für Plattformtechnologie. Später kamen noch zwei Strategieberater:innen dazu.
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Nach dem Prinzip der IBM Garage validierte das Team zunächst Problemhypothesen und hinterfragte eine initiale Lösung. Als Grundlage für beide Schritte dienten Interviews mit generativ erkundenden und dann evaluierenden Fragestellungen. Die Ergebnisse der intensiven Recherche förderten Anforderungen zutage, die miteinander in Konflikt standen. So sind Netz- und Ladestationsbetreiber:innen an einer möglichst gleichmäßigen Verteilung von Ladezeiten und Ladepunkten interessiert. Die Fahrer:innen von E-Autos legen dagegen vor allem Wert auf Komfort: Sie wollen oder können ihre individuelle Mobilität lediglich bedingt einschränken und sind nicht bereit, ihre Fahrzeuge an einem anderen Standort, zu anderen Zeiten oder langsamer zu laden, um eine bessere Verteilung zu garantieren.
Lesen Sie in unserem 36-seitigen Booklet, was Experience Design ausmacht, welche Aspekte dabei zu beachten sind und welche Herausforderungen Gestalter:innen dabei meistern müssen
Als wichtigste Schnittstelle zwischen Energieunternehmen und Endkund:innen identifizierte das Design-Research-Team die Betreiber:innen der Ladestationen. Für diese stellen Peaks bei den Ladezeiten ein wirtschaftliches Problem dar, weil sie dafür höhere Netzentgelte zahlen müssen – also eine Gebühr, die pro Ladestation gemäß der höchsten Last in einem bestimmten Zeitfenster berechnet wird. Mit jedem zeitgleich stattfindenden Ladevorgang erhöht sich die Last und entsprechend das Netzentgelt. Die Ladestationsbetreiber:innen stehen dann vor der Wahl, mit ihrem Service weniger bis gar nichts zu verdienen oder die Ladegeschwindigkeiten und damit die entstehende Last zu drosseln – ein Nachteil für die Nutzer:innen.
Lösungen für ausbalancierte Netzauslastung finden
»Leider retten wir die Welt nicht, indem wir schlicht mehr E-Autos auf die Straße bringen. Vor allem dann nicht, wenn wir gleichzeitig den Großteil unseres Stroms aus erneuerbaren Energien beziehen wollen«, so Carlo Schulz. Um diesen scheinbaren Widerspruch zu verstehen, muss man sich kurz die Funktionsweise des Stromnetzes und die Verbrauchsmuster in der Elektromobilität vergegenwärtigen: Die Frequenz im europäischen Stromsystem muss stabil bei 50 Hertz liegen. Jede Frequenzabweichung – nach oben oder unten – muss umgehend durch Anpassung der Energieproduktion ausgeglichen werden, weil es sonst zu Teil- oder Komplettausfällen in der Stromversorgung kommt. Auf der anderen Seite sind Elektromobilität und der damit einhergehende Strombedarf starken täglichen und stündlichen Schwankungen unterworfen – mit enormen lokalen Unterschieden. »Dadurch wird volatile Versorgung mit volatiler Nachfrage gekoppelt, was ohne intelligente Ausgleichslösungen zwangsläufig zu starken Frequenzabweichungen und Ausfällen der Stromversorgung führen wird – mit dem totalen Zusammenbruch als Worst-Case-Szenario«, erklärt Carlo Schulz.
»Das hypothesenbasierte, iterative Arbeiten ist einer der Grundgedanken des IBM-Garage-Ansatzes und erleichtert frühzeitiges Um- oder Gegensteuern enorm«
Carlo Schulz, Design Research Director bei IBM iX
Auf Basis dieser Erkenntnisse wurden in der zweiten Phase des Projekts Problem- und Lösungshypothesen entwickelt – immer mit dem Ziel, diese schnell auf ihre Realitätstauglichkeit hin zu prüfen. Das Team führte Interviews mit Energieunternehmen, Ladestationsbetreiber:innen und Flotteninhaber:innen. »Dieses hypothesenbasierte, iterative Arbeiten gehört zu den Grundgedanken des IBM-Garage-Ansatzes und erleichtert ein frühzeitiges Um- oder Gegensteuern enorm«, erläutert Carlo Schulz. So erwies sich etwa die Idee eines sogenannten Vehicle-to-Grid-Konzepts, in dem Energie aus Autoakkus zu bestimmten Zeiten an das Stromnetz zurückgegeben wird, als schwer umsetzbar und mit zu vielen technischen und rechtlichen Variablen behaftet. Ein anderer Lösungsansatz zeigte dagegen erhebliches Potenzial: Ladestationen könnten an eine große Batterie angeschlossen werden, wodurch zeitgleich stattfindende Ladevorgänge zuerst über die Batterie laufen. Erst wenn die Batteriekapazität erschöpft ist, würde die Ladung direkt über das Stromnetz erfolgen. Damit könnten nicht nur Last und Netzentgelt reduziert und Ladestationen profitabler betrieben werden – auch die Fahrer:innen würden davon profitieren, weil die Ladegeschwindigkeiten bei hoher Belastung nicht mehr gedrosselt werden müssten. »In der Projektplanung arbeiten wir in diesem Sinne ausschließlich mit Arbeitsaufgaben, die sich innerhalb eines viertel, halben oder maximal eines ganzen Tages lösen lassen«, erklärt Lisa Walter, Business-Designerin im Fortum-Team.
Experience Design: Geschäftsidee validieren
Diese Businessidee für die Ladestationen galt es im nächsten Schritt zu validieren. Das Team begann mit der Entwicklung erster Prototypen in Adobe XD und erstellte zunächst eine Landingpage, die die Idee beschrieb und in ihren Mehrwerten für die Betreiber:innenfirmen so ausformulierte, als wäre sie bereits im realen Einsatz. »Hierzu vereinbarten wir Interviews mit Vertreter:innen der Zielgruppe und ließen sie neben einem klassischen Interviewteil durch die Webseite navigieren und dabei quasi laut denken«, erläutert Lisa Walter. »So lernten wir nicht nur, welche unserer Hypothesen für die Zielgruppe zutreffend waren oder wo wir nacharbeiten mussten, sondern auch viel über das passende Wording und darüber, welchen Abstraktionsgrad es braucht, um die Idee schnell, aber auch vollständig zu kommunizieren.«
Die zweite Komponente war der sogenannte Benefit Simulator, über den anhand realer Daten einer echten Ladestation und unter Zuordnung unterschiedlicher Batteriegrößen der Nutzen für die Betreiber:innen sowie ihr zu erwartender Return on Investment ermittelt wurde. Durch Verwendung realer Markt- und Verbrauchsdaten im Simulator konnte die Kernzielgruppe der Ladestationsbetreiber die Plausibilität des gegebenen Wertversprechens prüfen und die wirtschaftliche Attraktivität valide bewerten.
Ein wichtiger Bestandteil bei der Entwicklung war das Feedback aus den Interviews, das die beiden UX-Designer:innen und der Design Research Director als Pain Points kategorisierten und in der Customer Journey verorteten. Mithilfe von gut strukturierten iterativen Arbeitsschritten, einer userzentrierten Recherche und einem klaren Blick auf die Bedürfnisse der Akteur:innen entwickelten IBM iX und Fortum so in nur vier Wochen eine tragfähige Lösung für ein klar definiertes Problem. Als Nächstes stehen die Kund:innensegmentierung und die Entwicklung finaler Produkte an. Bei beidem wird IBM iX Fortum unterstützen.
Krankenkassen: Entwicklung von Gesundheitsservices wie der elektronischen Patientenakte
Seit dem 1. Januar 2021 muss jede gesetzliche Krankenkasse ihren Versicherten eine elektronische Patientenakte (ePA) zur Verfügung stellen. Das sieht das Gesetz zur digitalen Versorgung im Gesundheitswesen vor. Mit der Entwicklung der ePA wurde IBM als Technologiepartner seit 2019 von mehreren Kassen beauftragt. Die Entstehung folgte strengen Vorgaben der gematik – ehemals Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte –, die alle Anwendungen auch offiziell zulassen muss.
»Es ging zunächst einmal darum, das Ökosystem, in dem der Kunde unterwegs ist, zu verstehen«
Berno Wrobel, Senior Creative Director und Product Owner bei IBM iX
Aufgabe von IBM war es vor allem, eine Plattform zu schaffen, die alle Akteur:innen des Gesundheitsökosystems vernetzt und über die Ärzt:innen, Krankenhäuser sowie andere Leistungserbringer:innen des Gesundheitswesens auf einen sicheren und zentralen Datenspeicher zugreifen können. Über eine mobile – und zukünftig auch stationäre – Nutzungsoberfläche sollen die Patient:innen ihre Daten verwalten können. Einige Krankenkassen bieten ihren Versicherten schon länger eine sogenannte elektronische Gesundheitsakte (eGA) als Zusatzleistung an, über die sie Daten wie ärztliche Termine, Medikationspläne et cetera organisieren können. Als Bestandteil des IBM-Health-Teams, das mit über hundert Kolleg:innen unterschiedlichste digitale Services auf der IBM-Gesundheitsplattform entwickelt, arbeiten auch Designer:innen von IBM iX bereits seit 2017 an der Entwicklung der eGA mit.
Damit eine attraktive und einheitliche User Experience entsteht, hat IBM die Systeme eGA und ePA zur sogenannten ePA+ integriert, die jetzt sukzessive weiterentwickelt wird. Dafür hat der Konzern mit seiner Designeinheit IBM iX eine White-Label-Lösung geschaffen, die von allen Krankenkassen adaptiert werden könnte.
Vorreiter-App umsetzen
Doch von Anfang an. »Zu Beginn der Zusammenarbeit – beispielsweise mit der Techniker Krankenkasse (TK) – hinkte die Digitalisierung im Gesundheitswesen noch ziemlich hinterher, und die TK sah das Potenzial, mit der Initiative die eigene Marktsituation zu stärken«, erinnert sich Berno Wrobel, Product Owner für die Entwicklungspartnerschaft.
Die Zusammenarbeit mit der Techniker Krankenkasse war eng, zeitweise saß das IBM-Team, darunter ein UX Designer mit Fokus auf Konzeption und Research sowie ein Visual Designer, sogar mehrmals pro Woche bei der TK vor Ort. »Es ging zunächst einmal darum, das Ökosystem, in dem das Kundenunternehmen unterwegs ist, zu verstehen«, erklärt Wrobel. Über Design-Thinking-Methoden mit Workshops, Sprints und Iterationen sowie Hypothesen und deren Validierungen anhand von Prototypen wurden mögliche Funktionen wie Medikationspläne, Impf- und Vorsorgestatus sowie eine Timeline für Vorsorgeuntersuchungen et cetera geprüft. Die Prototypen entstanden in Axure RP, die Testings erfolgten teils über Nacht in der Crowdtesting-App Applause.
Innerhalb von sechs Wochen waren die ersten Komponenten ready for development, und es konnte mit der Entwicklung der App begonnen werden. Das User Interface gestalteten die Frontend-Designer:innen auf Basis der Corporate Identity der Techniker Krankenkasse in Sketch und InVision. Die finale App-Entwicklung erfolgte nativ für Android und iOS mit den jeweiligen Entwicklungsumgebungen von Apple (Xcode) und Google (Android Studio). Seit 2018 steht das so entstandene Produkt TK Safe den Versicherten zur Verfügung.
Neben der Techniker Krankenkasse kooperiert IBM auch mit Krankenversicherungen wie der Barmer, der Knappschaft Bahn See, der Hanseatischen Krankenkasse und der Viactiv, um die Digitalisierung im Gesundheitswesen voranzutreiben und Versicherten zu ermöglichen, selbstbestimmt ihre Gesundheitsdaten zu verwalten.
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Um die digitale Akte und ihre Mehrwertservices für weitere gesetzliche und auch für private Krankenkassen nutzbar zu machen, entwickelte IBM eine White-Label-Lösung. Im Frühjahr 2018 stellte sich dafür ein siebenköpfiges Team aus UX- und UI-Designer:innen mit unterschiedlichen Schwerpunkten zusammen: Visual- und Screendesign, Illustration und Grafik, Motion und Animation, Design Thinking sowie Expert:innen für Workshops und Marketing. Den Team Lead übernahm Mitte 2020 Simon Boy als UX Designer mit Fokus auf Design Thinking und Konzeption. »Ziel war es, ein möglichst modulares System zu etablieren, das sich jeweils an das Corporate Design der verschiedenen Krankenkassen anpassen lässt«, erklärt er.
In Szenarien und Screenflows stellten die Designer:innen zunächst dar, welche Funktionen Nutzer:innen wie abrufen können und welche Schritte dabei nötig oder möglich sind. Für jede Funktion – also beispielsweise Impfstatus, Dokumenten-Upload, Vorsorgeerinnerungen oder Medikationspläne – wurde in Confluence eine Übersicht erstellt und diese wiederum auf Mural als digitales Whiteboard verlinkt. An den daraus abgeleiteten Screenflows arbeiteten Simon Boys Kolleg:innen in Sketch. Mit der Zeit wurden die Dateien aufgrund der hohen Komplexität sehr groß, daher nutzt das Team nun eine zentrale Sketch-Library für die Basis-User-Interface-Komponenten. Das Prototyping erfolgte über InVision, die Testings anfangs remote über die Testing-Community Applause und später vor Ort im Berliner Testlabor oder – bei kleineren Funktionen – auf dem »kurzen Dienstweg« auch mal mit Kolleg:innen. Ebenfalls in Sketch entstanden ein Styleguide für Farbcodes, Abstände und andere Gestaltungsdetails sowie eine Library für Symbole und Illustrationen.
»Gerade im Zusammenhang mit der gesetzlich vorgeschriebenen Patientenakte ePA wurde das Thema Barrierefreiheit Pflicht«, sagt Simon Boy. Die Anwendung verlangte nach einem insgesamt aufgeräumten, kontrastreichen Design. Zudem musste das Layout auch dann noch funktionieren, wenn die Bildschirmansicht auf 200 Prozent vergrößert ist, und auch die Schrift sollte sehr gut lesbar sein: Die Fontfamilie IBM Plex dient deshalb allen Krankenkassen als gemeinsamer typografischer Standard – die Farbgebung, Icons und Illustrationen sowie die Formulierung der Textbausteine sind jeweils individuell anpassbar. Dabei dienen die allgemein anerkannten Web Content Accessibility Guidelines zusammen mit der Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) der Bundesregierung als Grundlage.
»Ziel war es, ein möglichst modulares System zu etablieren, das sich jeweils an das Corporate Design der verschiedenen Krankenkassen anpassen lässt«
Simon Boy, Associate Director UX bei IBM iX
Die Designer und Designerinnen haben daraus eine Checkliste abgeleitet, anhand derer sie jedes Feature entwickeln und testen. »Auch die bereits bei den Krankenkassen implementierten Designs müssen regelmäßigen Accessibility Assessments standhalten, sodass wir sehen können, in welchen Bereichen wir unsere Lösung noch verbessern müssen und wo wir bereits jetzt sämtliche Anforderungen erfüllen«, erläutert der leitende User Interface Designer Johannes Höhmann.
Lösungen individuell anpassen
IBM setzt die Kombination aus eGA und ePA für diverse Krankenkassen in langfristig angelegten Partnerschaften um und lässt dabei zwei Backends quasi zusammenfließen, sodass sie einander ergänzen. Die Daten liegen verschlüsselt auf einem Server im IBM-Rechenzentrum in Frankfurt am Main. Die Datenhoheit liegt bei den Patient:innen – dem Zugriff durch Ärzt:innen müssen sie aktiv zustimmen. Die Herausforderung besteht darin, trotz unterschiedlicher und zudem sehr komplexer Systeme im Hintergrund eine einheitliche User Experience zu garantieren.
Bild: Lucas Coersten
In Kundenworkshops identifiziert IBM iX die Anforderungen der jeweiligen Auftraggeber:innen an das Branding und den Funktionsumfang, um dann aus dem White Label die passende Anwendung zu generieren. Im Laufe des Projekts entstand ein eigenes Webtool auf der Basis des Carbon Design Systems von IBM, um die Prozesse an der Schnittstelle von Design- und Entwicklungsteam zu vereinfachen.
Künftig werden immer mehr Funktionen zur ePA+ hinzukommen, etwa der Mutterpass für Schwangere oder das U-Heft für Kinder. Diese Erweiterungen gilt es seitens IBM iX zu begleiten, um mit kontinuierlichen Recherchen, iterativer Optimierung und Tests für eine gute User Experience
zu sorgen. Dazu kommt die Entwicklung zusätzlicher Services wie die KI-gestützte Auswertung von Röntgen-, MRT- und CT-Bildern oder auch die Integration von Barcodes für elektronische Rezepte sowie die Erweiterung der Schnittstellen – also die Anbindung externer Apps wie Sporttracker oder Ernährungscoaches. »Unsere Vision ist es, einen nachhaltigen Service zu bieten, der so viele Menschen wie möglich in allen Bereichen ihrer Gesundheit unterstützt und zudem die Kommunikation im Gesundheitswesen einfacher macht«, erklärt Simon Boy.
Vom Autokauf zur ganzheitlichen Mobility-Experience
Wie kaum ein anderer Wirtschaftssektor steht die Automobilindustrie vor großen Herausforderungen. PS im Produkt und Car Porn im Marketing reichen in Zukunft nicht mehr aus – den Unterschied werden diejenigen Hersteller:innen machen, die Mobilität neu definieren, Autokauf online ermöglichen und den Fahrer:innen maßgeschneiderte digitale Services bieten. IBM iX unterstützt Autokonzerne wie Hyundai, Volkswagen und Daimler bei dieser Transformation der digitalen Experience.
»Gerade in dieser Branche ist es wichtig, schon sehr früh Prototypen zu erstellen, um greifbar zu machen, wie sich Mobilität in der Zukunft anfühlt«
Andrea Goebel, Senior Creative Director UX bei IBM iX
»Das große Ziel ist, Businessmodelle für umfassende Mobilitätsökosysteme zu entwickeln – mit dem Auto im Zentrum«, sagt Marko Thorhauer, Executive Creative Director und Design Principal bei IBM iX in Berlin. Dafür müssen die Hersteller:innen sich vor allem in Sachen E-Commerce verbessern – und zwar mit Blick auf die Experience in allen Phasen des Customer Lifecycles. Es gehe in der Zusammenarbeit mit Auftraggebern aktuell oft darum, einzelne Services, Plattformen oder Onlineshops in eine ganzheitliche Experience zu integrieren, um sich im Markt zu differenzieren. Gerade die E-Mobilität und die Vernetzung der Autos bieten viele Möglichkeiten für digitale Ideen: Wo, wann und wie schnell kann ein Fahrzeug geladen werden? Wie lassen sich Fahrten effizient planen? Wie sollten neue Ownership- und Sharing-Modelle aussehen? Was können die Automobilunternehmen tun, um den Fahrer:innen ihre Fahrt so angenehm wie möglich zu machen?
Research macht den Anfang
Das Enterprise Design Thinking Framework von IBM hilft bei der Beantwortung dieser Fragen. Zu Beginn eines Projekts besteht das Team von IBM iX meist aus Experience- und Business-Designer:innen mit Industrie-Expertise und starkem Fokus auf Research. »Wir müssen zunächst verstehen, welche Herausforderungen und Standards im Markt aktuell bestehen, Trends und Best Practices sichten, Pain Points und kritische Punkte in der User Journey identifizieren sowie neue Businessmodelle und Potenziale aufzeigen«, sagt Andrea Goebel, Senior Creative Director UX bei IBM iX. Zu diesem Zweck führen sie und ihre Kolleg:innen Interviews mit möglichen Kund:innen und Händler:innen und erarbeiten mit Fokusgruppen die Anforderungen aus den unterschiedlichen Geschäftsbereichen wie Vertrieb, Aftersales oder Konnektivität. »Unsere Kompetenz besteht darin, Businessexpertise mit Designexzellenz zu verbinden«, erklärt Andrea Goebel. »Wir haben die Bedürfnisse und hohen Erwartungen der Nutzer und Nutzerinnen im Blick, aber auch die konkreten Businessanforderungen und technologischen Möglichkeiten – hierfür ist die Fähigkeit zur strukturierten Kollaboration sehr wichtig.«
Im nächsten Schritt geht es an Personas, Empathy Maps und Customer Journeys sowohl für End- als auch für Business-to-Business-Kund:innen. Darauf aufbauend folgen Prototypen und eine ganzheitliche Design Vision. »Gerade in dieser Branche ist es wichtig, schon sehr früh Prototypen zu erstellen, um greifbar zu machen, wie sich Mobilität in der Zukunft anfühlt«, erklärt Andrea Goebel. Zuerst kreieren die Designer:innen sogenannte Low-Fidelity-Prototypen, die anhand von Wireframes und -flows die Funktionalität der jeweiligen Anwendung aufzeigen, aber mit dem visuellen Erscheinungsbild der Marke noch wenig zu tun haben. Dieses definieren die UI- und UX-Designer:innen im Rahmen der Design Vision: Sie umfasst grundlegende Designprinzipien und Guidelines, um eine hohe Qualität und eine einheitliche Experience über alle Touchpoints und Devices hinweg sicherzustellen. Die Gestaltungselemente werden zumeist in einem Designsystem dokumentiert, für alle Touchpoints zur Verfügung gestellt und sukzessive erweitert. Im weiteren Verlauf der Entwicklung entstehen High-Fidelity-Prototypen, etwa von einer Handelsplattform oder einem Tool für die Buchung von Testfahrten. Damit diese den Anforderungen der User:innen entsprechen, validieren UX-Designer:innen die Prototypen in regelmäßigen User-Testings, bis sie in die technische Entwicklung gegeben werden.
Herausforderung E-Commerce
Die Notwendigkeit für die Automobilunternehmen, in Sachen E-Commerce aktiv zu werden, zeigt sich nicht zuletzt an diesen Zahlen: 2018 fanden nur 9 Prozent der Autokäufe weltweit online statt. 2019 konnten sich immerhin 32 Prozent aller möglichen Käufer:innen vorstellen, ein Fahrzeug im Internet zu kaufen – im Jahr 2020 waren es bereits 61 Prozent. »E-Commerce in der Automobilbranche ist eine Riesenchance. Aber die digitalen Commerce Journeys müssen sowohl für Nutzer:innen als auch für Händler:innen attraktiv und vertrauenswürdig gestaltet werden«, sagt Andrea Goebel. »Wir müssen die Menschen früh abholen, sie vom ersten Kontakt mit der Marke über alle Schritte im Kaufprozess – und darüber hinaus – begleiten.«
Besonders spannend an Projekten aus der Automobilbranche ist dabei auch die enge Zusammenarbeit mit den Auftrag-geber:innen. »Für Lösungen, die Kund:in-nen- und Fahrzeugdaten enthalten, ist der Austausch mit den Ingenieur:innen, Customer-Relationship-Management-Teams und teils auch mit externen Dienstleister:innen unerlässlich«, erklärt Marko Thorhauer. »Diese Herangehensweise, in der wir als Designer:innen zu Partner:innen für wichtige Businessentscheidungen werden, macht für mich erfolgreiches Experience Design aus.«
Lesen Sie in unserem 36-seitigen Booklet, was Experience Design ausmacht, welche Aspekte dabei zu beachten sind und welche Herausforderungen Gestalter:innen dabei meistern müssen