PAGE online

Buchdesignerin Christina Schmid: »Kleine Welten zum Mitnehmen und Eintauchen«

Buchdesignerin und Verlagsmitinhaberin Christina Schmid im Gespräch über ihren Werdegang, ihren Gestaltungsprozess, Trends im Buchdesign und Tipps für angehende Buchgestalter:innen.

Buchdesignerin Christina Schmid, PorträtBild: Bernhard Kahrmann

Faszinierendes Cover, schöner Umschlag, angenehmes Papier und Aufschlagverhalten: Nicht nur der Inhalt macht ein gutes Buch aus. Das wissen Gestalter natürlich. Für unseren Artikel über Buchdesign in PAGE 5.21 haben wir mit unterschiedlichen Buchdesignern gesprochen.

Darunter war auch Christina Schmid, freie Designerin in Stuttgart und Mitinhaberin von Prima.Publikationen.

Wie bist du zum Buchdesign gekommen?
Christina Schmid: Ich liebe Bücher und habe schon als Kind kleine Editionen für meine Familie gebas­telt. Ich habe dann Kommunikationsdesign an der Hochschule Konstanz studiert, wo der Fokus stark auf Konzeption lag, also auf dem Zusammendenken von Inhalt und Form. Als Abschlussarbeit entstand das interaktive Geometriebuch für Kinder »Vom Punkt zur Kugel und zurück« , das mittels Crowdfunding bei Prima.Publikationen, dem Verlag von zwei Freun­den, veröffentlicht wurde.

Nach meinem Abschluss wollte ich mehr über das Handwerk des Büchermachens lernen und habe mich als Gasthörerin an der Kunstakademie Stuttgart eingeschrieben. Dort verbrachte ich viel Zeit in den Papier- und Druckwerkstätten und es entstand das Künstlerbuch »Tag für Tag«, ein Kalender mit all meinen Terminen von 2001 bis 2011.

Schließlich wollte ich mein Schreiben vertiefen und habe Kulturpublizistik an der Zürcher Hochschule der Künste studiert. Hier entstand als Abschlussarbeit das Buch »Oma Heidi« , eine Koch­biografie mit Gesprächen zwischen meiner Groß­mutter und mir. Auch dieses Buch habe ich über Crowdfunding finanziert – meine bisher größte Kam­pagne für 1000 aufwendig produzierte Exemplare, mittlerweile sind leider alle vergriffen.

Bei diesem Buch habe ich gelernt, wie Kalkulation, Marketing und Pressearbeit funktionieren. Also schlug ich meinen Freunden von Prima.Publikationen vor, ihren schlummernden Verlag gemeinsam aufleben zu lassen. Nun betreiben wir ihn zu dritt. Außerdem arbeite ich als selbstständige Grafikdesignerin und gestalte neben Büchern auch Erscheinungsbilder und Websites.

Was ist dein Schwerpunkt?
Am liebsten mache ich meine eigenen Bücher, ich arbeite aber auch gerne zusammen mit Künstler:innen und Autor:innen, die ich von der Buch­idee bis zur Umsetzung und Herstellung begleiten darf. Für mich sind Bücher Kommunikationsmittel, die über das gedruckte Werk hinausgehen. Mit »Oma Heidi« veranstaltete ich zum Beispiel kuli­narische Lesun­gen – meine Oma hat gekocht und ich habe aus dem Buch gelesen. Das Schöne an diesem Format war der Austausch zwischen den Gene­rationen und dass unsere Gäste auch untereinander ins ­Gespräch ­kamen.

Coverdesign von Christina Schmid für das selbstverlegte Buch »Kochbiografie in Gesprächen« von Oma HeidiBild: Jochen Froehlich, lensmood.com

Vorgehen bei der Buchgestaltung

Was gefällt dir besonders am Buchdesign?
Dass Bücher langlebiger sind als andere Grafikprodukte. Bücher sind für mich kleine Welten zum Mitnehmen und Eintauchen. Ich mag das Objekthafte, das haptische Erlebnis, den Rhythmus der Seiten, die Konzentration und auch die Intimität.

Wie gehst du an die Gestaltung heran?
Am Anfang steht die Konzeption, das Finden der Buchidee. Jedes meiner Bücher hat Paten aus mei­nem Buchregal, von denen ich mich in Sachen Umfang, Größe, Material und Bindung inspirieren ­lasse. Dann geht es ans Strukturieren der Inhalte – bei externen Inhalten muss ich mir dafür erst einmal einen Überblick verschaffen. Ich drucke alles als Minibilder aus und lege Abfolgen, mache Handskizzen und kleine Papiermodelle. Mir persönlich liegt eine eher ruhige, klare und möglichst zeitlose Gestaltung. Durch unseren Verlag kommen dann noch Aufgaben dazu, mit denen sich Buchgestalter sonst wohl eher nicht beschäftigen, wie Kalku­lation, Herstellung und Vertrieb. Mir ist die enge ­Zusammenarbeit mit Druckereien und Buchbindereien wichtig. Bei »Treppauf – Treppab« war beispielsweise die Farbabstimmung der verschiedenen Rottöne von Druckfarbe, Prägung, Vorsatzpapier, Faden und Leinen eine überraschend große Heraus­forderung. Bei der Materialsuche hat mir die Druckerei sehr geholfen.

»Jedes meiner Bücher hat Paten aus meinem Buchregal«

Welche deiner Bücher magst du besonders und warum?
»Vom Punkt zur Kugel und zurück«    (Prima.Pu­blikationen, zweite Auflage 2019): Bei diesem Geometriebuch für Kinder habe ich lange am Inhalt, der Struktur und der Sprache gefeilt – der Ton sollte kindgerecht sein, humorvoll und frech. Protagonist ist der kleine Punkt, der seine Freunde aus der geometrischen Formenwelt besucht. Die abstrakte Gestaltung hebt sich stark von herkömmlichen Schulbüchern und Lernhilfen ab. Es ist eher ein Spiel als ein Buch und verbindet Kunst und Mathematik, Schu­le und Freizeit. Kindern gefällt besonders, dass sie in diesem Buch so viel machen dürfen: reinschrei­ben, malen, ausschneiden. Ausgeschnittene Formen finden Platz im transparenten Buchumschlag, der auch ein Geodreieck und zwei Spiegel enthält. 2014 wurde »Vom Punkt zur Kugel und zurück« von der Stiftung ­Buchkunst ausgezeichnet. Gerade ist eine zweite Auflage erschienen.

Buchgestaltung von Christina Schmid für das Buch »Vom Punkt zur Kugel und zurück«, Doppelseite InnenteilBild: © Simon Malz
»Oma Heidi« (Eigenverlag, 2015, vergriffen): Für dieses sehr persönliche Buch führte ich mit mei­ner Großmutter Gespräche über das Leben und das Kochen. Typografisch sind diese so gesetzt, dass sie im Fluss bleiben: Wo die eine aufhört, zu sprechen, setzt die andere an – so laufen die Zeilen durch das Buch wie eine Perlenkette. Oma und mir ist jeweils eine eigene Schrift zugeordnet. Am Seitenrand stehen Verweise zu den Rezepten, die im Gespräch ­genannt werden. Auf kleineren Zwischenseiten sitzen Kochrezepte und Familienbilder. Aus diesem Rhyth­mus ergab sich eine bestimmte Anzahl an Text­seiten – da war es hilfreich, dass ich das Buch selbst geschrieben habe.

Buchgestaltung von Christina Schmid für das selbstverlegte Buch »Kochbiografie in Gesprächen« von Oma Heidi, InnenteilBild: Jochen Froehlich, lensmood.com
»Treppauf – Treppab« (Prima.Publikationen, 2019): Für das Buch sind Sabine Fessler und ich ein Jahr lang über die für Stuttgart typischen »Stäffele« spaziert. Ich habe geschrieben und sie hat gezeichnet. Zum Buch gibt es eine Karte mit zweihundert Treppen auf handgezeichneter Topografie. Die letzten beiden Sommer veranstalteten wir Treppen­lesun­gen, die – wie das Buch – gut in die Coronazeit passen, in der ja viele das Spazieren und die Frei­räume der eige­nen Stadt neu für sich entdecken. Das Buch wurde 2020 von der Stiftung Buchkunst ausgezeichnet.

Buchgestaltung für das Buch »Treppauf Treppab«, das 2020 von der Stiftung Buchkunst ausgezeichnet wurdeBild: Jochen Froehlich, lensmood.com

> Mehr Bilder in der Galerie unter dem Interview

Tipps für angehende Buchgestalter

Gibt es andere Buchgestalter, deren Arbeiten du bewunderst?
Gerade habe ich Bruno Munaris wunderbare »Vorbücher« für Kleinkinder wiederentdeckt. Ich schätze Judith Schalansky, die ihre Bücher schreibt und gestaltet und zudem die »Naturkunden«-Reihe heraus­gibt. Auch die Bücher von Leanne Shapton finde ich sehr inspirierend. Aus meinem direkten Umfeld mag ich die humorvollen Bücher und Daumenkinos von Matthias Bumiller und Nathalie Wolff, die zusammen den deutsch-französischen Verlag édition totale éclipse betreiben, sowie die experimentellen Publikationsformate von Demian Bern und seiner EXP.edition.

Welche Trends beobachtest du gerade im Buchdesign?
Als Jurymitglied der Stiftung Buchkunst im letzten Jahr ist mir aufgefallen, dass Verlage nach Alternativen zur Folienverpackung suchen. Eine Klappe als Schutz für den Vorderschnitt der Seiten eröffnet neue Gestaltungsmöglichkeiten. Ob das schon ein Trend ist, kann ich nicht sagen.

Was sind deine Tipps für angehende Buchgestalter?
Wenn ihr Bücher gestalten wollt, macht einfach selber welche – besonders im Studium, wo ihr die Zeit und den Freiraum dafür habt. Lernt Buchbinden, experimentiert mit Papier, schaut euch viele Bücher und deren Machart an und fragt die Hersteller aus, was alles möglich ist. Besucht die Buchmessen mit viel Zeit für den Stand der Stiftung Buchkunst: Blättert euch durch die prämierten und die eingereichten Bücher der Wettbewerbe Die Schönsten Deutschen Bücher und Schönste Bücher aus aller Welt. Interessant sind hier auch die Anmerkungen der Jury, die den Büchern beiliegen.

Dieser Beitrag ist erstmals am 26. April 2021 erschienen.

Vom Punkt zur Kugel und zurück | 2010
Bild: Simon Malz
1/20
Vom Punkt zur Kugel und zurück | 2010
Bild: Simon Malz
2/20
Vom Punkt zur Kugel und zurück | 2010
Bild: Simon Malz
3/20
Vom Punkt zur Kugel und zurück | 2010
Bild: Simon Malz
4/20
Vom Punkt zur Kugel und zurück | 2010
Bild: Simon Malz
5/20
Oma Heidi | 2015
Bild: Jochen Froehlich, lensmood.com
6/20
Oma Heidi | 2015
Bild: Jochen Froehlich, lensmood.com
7/20
Oma Heidi | 2015
Bild: Jochen Froehlich, lensmood.com
8/20
Oma Heidi | 2015
Bild: Jochen Froehlich, lensmood.com
9/20
Oma Heidi | 2015
Bild: Jochen Froehlich, lensmood.com
10/20
Rues et Feuilles de la Krutenau | 2017
Bild: Jochen Froehlich, lensmood.com
11/20
Rues et Feuilles de la Krutenau | 2017
Bild: Jochen Froehlich, lensmood.com
12/20
Buchdesign_ChristinaSchmid_2017_Krutenau_5_Rues_4
Bild: Jochen Froehlich, lensmood.com
13/20
Rues et Feuilles de la Krutenau | 2017
Bild: Jochen Froehlich, lensmood.com
14/20
Rues et Feuilles de la Krutenau | 2017
Bild: Jochen Froehlich, lensmood.com
15/20
Treppauf – Treppab | 2019
16/20
Treppauf – Treppab | 2019
Bild: Jochen Froehlich, lensmood.com
17/20
Treppauf – Treppab | 2019
Bild: Jochen Froehlich, lensmood.com
18/20
Treppauf – Treppab | 2019
Bild: Jochen Froehlich, lensmood.com
19/20
Treppauf – Treppab | 2019
Bild: Jochen Froehlich, lensmood.com
20/20
PDF-Download: PAGE 05.2021

Kalkulation: Das ist Design wert ++ 3D animation with Blender ++ Buchgestaltung ++ Kleine & mittels-tändische Kunden ++ WebGL-DJ-Party ++ Fontfamilie für den Cornelsen Verlag ++ Spezialpapiere für Packa-gings & Co

8,80 €
AGB
Produkt: Download PAGE - Das Soundbook von Serviceplan mit gedruckten Lautsprechern - kostenlos
Download PAGE - Das Soundbook von Serviceplan mit gedruckten Lautsprechern - kostenlos
Making-of: Gedruckte Lautsprecher von der TU Chemnitz

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Das könnte dich auch interessieren