Was für ein Programm! Auch auf der 12. Pictoplasma stellten Grafikdesigner, Illustratoren und Charakter Designer ihre Arbeiten vor und sorgten für unbändige Inspiration.
Fünf Tage lang verwandelte das 12. Pictoplasma Festival Berlin in die Hauptstadt des Character Designs – mit 14 Ausstellungen, einen Speed-Pitching mit Größen der Branche, Workshops, Partys und einer großartigen Konferenz im Babylon-Kino.
Zu der waren diesmal auch Dozentinnen mit ihren Studierenden angereist – und man kann sich nichts Besseres wünschen. Nicht nur wegen des mitreißenden Updates an Arbeiten und Arbeitsweisen, die man alljährlich auf der Pictoplasma bekommt, sondern auch, weil es bei diesem Festival wirklich einfach ist, Kontakte zu knüpfen. Viele der Speaker sind die gesamte Festivalzeit vor Ort und man trifft immer wieder aufeinander.
Doch nicht nur im Kinofoyer, auf der Wiese vor der Volksbühne, die in den Pausen zum Hotspot wird, in Workshops und dem diesjährigen Abend-Venue Villa Elisabeth geht es persönlich zu, sondern auch auf der Bühne.
Dort geht es um Leidenschaften, um Inspiration, um Lebensläufe – und wie alles begann mit der Karriere, die einen schließlich auf die Pictoplasma-Bühne brachte. Dabei sah man in diesem Jahr Kinderfotos von kleinen Mädchen mit Apfelsinenbrüsten, Jungs, die wie Forscher durch Gras gestreift sind, aufgeregte Kids beim Bingo, Jungs im Hexenkostüm oder Kleidchen, mit der Plastik-Kalaschnikow im Arm oder bunt bemaltem Bauch.
Eine der vielen Entdeckungen der Pictoplasma konnte man gleich am ersten Konferenz-Tag machen als das allmorgendliche Screening startete: Da liefen in dem prallen Programm mit Kurzfilmen, Werbespots und Musikclips die handgezeichneten Filme von Peter Millard (siehe unten), die wirklich unique sind und streckenweise auch schon Mal auf Sprache verzichten.
Sehr eigen sind auch die Arbeiten des südkoreanischen Animation-Directors Jun seo Hahm, spezialisiert auf 3D Graphics, der den diesjährigen Pictoplasma-Trailer (siehe unten) drehte.
Als Kind wollte er Biologe werden, heute erschafft er seltsame Kreaturen, wurmartige, hautfarbene Figuren, die sich in fließenden Bewegungen verwandeln. »Die Menschen reden zu viel« sagte Jun seo und zeichnet lieber – und folgt dabei den 3 B’s, Kriterien, die er aus seiner Arbeit für die Werbung kennt: Baby (cute), Beauty (sexy) und Beast (strange).
Wesentlich politischer arbeitet Guillaume Kashima. Weil er sich, halb Japaner, halb Franzose und schwul, in der Kleinstadt nahe Avignon, in der er aufwuchs, nirgends dazugehörig fühlte, zeichnet er die Welt so, dass jeder darin eine Heimat hat: Jenseits von Stereotypen bevölkert er die CitiX60 Reiseführer, die er seit ein paar Jahren illustriert, mit kiffenden Frauen und kuschelnden Schwulen, lässt die Ladies die Szenerie dominieren, beim Sightseeing die große Kamera vor der Brust tragen anstatt, wie meist im wirklichen Leben, nur davor zu posieren und flicht immer wieder auch Frauen mit Jihab ein. Ganz wie in seinen Illustrationen in einer großen französischen Tageszeitung, die kurz nach den Terrorattacken in Paris erschienen – und zeichnet so gegen Rassismus und Islamophobie an.
Mit einzigartigem und sehr amerikanischen Selbstbewusstsein führte Julian Glander aus New York (von dem auch das GIF oben stammt) durch seine eiscremefarbenen und ausgelassenen Arbeiten für VICE Magazine, Domino Pizza zu einem Animationsfilm über James Franco drehte, der darin von seiner rebellischen Jugend erzählt. Zudem philosophiert Glander in seinen Animationen und Gif’s über Memphis Möbel und Minimalismus – und erarbeitet sich, gerade mal 25 Jahre alt, ein Werk, das man unbedingt beobachten sollte. Kein Wunder, dass er am Ende seines Talks gut gelaunt und mit tiefer gelegter Stimme »What a wonderful world« von Louis Armstrong sang.
Während Becky & Joe erklärten, wie ihre kultige Animationsreihe »Don’t Hug Me I’m Scared« entsteht, Ugo Gattoni von seinen detailreichen Arbeiten für Hermès erzählte und Mr Bingo wie er ein Kickstarter-Rap-Video drehte und er seine abgründigen Hate-Mails komponiert, zeigte Cécile Dormeau wie sie mit dicken Mädchen mit Picken, Haaren, Tattoos und vor allem auch mit wunderbarem Humor gegen Bodyshaming und Schönheitsideale anzeichnet, sorgten Arbeiten und Werdegang des Niederländers Merijn Hos für ein weiteres und unerwartetes der zahlreichen Highlights.
Vom schwierigen Kid, das nicht viel mehr als Skateboard fahren und Graffitis interessierte und das irgendwann eine Geldstrafe von 100.000 Gulden für’s Sprayen im Nacken hatte, wurde Merjin Hos zum Kunststudenten, arbeitete erfolgreich als Character Designer mit Kunden wie Coca Cola und wechselte schließlich in die Abstraktion. Auf der Suche nach Herausforderungen und einer ganz eigenen Sprache, hat er dabei immer wieder Auszeiten genommen und so radikale wie konsequente Entscheidungen getroffen, lukrative Jobs aufgegeben und nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten gesucht. Wie diese aussehen, kann man unten in dem umwerfenden Trailer für das Musikfestival Down The Rabbit Hole sehen.
»Mein Kopf fühlt sich an, als würde sich dort ein Bilderkarussell auf Highspeed drehen«, sagte ein Besucher nachdem Samstag Abend der letzte Vortrag gehalten war – von the one and only Jim Avignon, der später auch auf der Party auflegte.
Auch unser Bilderkarussel wirbelt noch auf Hochtouren und wir freuen uns schon aufs nächste Pictoplasma-Jahr wenn es wieder ordentlich auf Fahrt gebracht wird.
l.a.y.l.o.m. von Peter Millard:
l.a.y.l.o.m from peter millard on Vimeo.
Der Pictoplasma Festival Trailer 2016 von Jun seo Hahm:
PICTOPLASMA FESTIVAL 2016 Opener from Pictoplasma on Vimeo.
California Inspires Me: James Franco – von Julian Glander:
California Inspires Me: James Franco from JULIAN GLANDER on Vimeo.
Clip zur Kampagne für das Musikfestival The Rabbit Hole von Merijn Hos:
Down The Rabbit Hole Festival 2016 from Jurriaan Hos on Vimeo.