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Type-Revivals in Zeiten von Variable Fonts

In letzter Zeit kamen einige Schrift-Revivals auf den Markt: Fünf dieser wiederbelebten Klassiker stellen wir Ihnen hier vor.

Eric Gill Series, die Londoner U-Bahn-Schrift Johnston, die Max-Bill-Bibliothek oder die Neue Kabel. Viele Schrift-Revivals sind bereits auf dem Markt und es werden garantiert noch mehr. Denn viele Foundries müssen ihre Klassiker ins neue Variable-Font-Format konvertieren und nutzen die Gelegenheit, über (erweiterte) Achsen für Strichstärke, Buchstabenbreite und optische Größen nachzudenken und damit die Stilvielfalt zu vergrößern. Man darf gespannt sein, was in nächster Zeit noch passieren wird.

Johnston

Seit Anfang des 20. Jahrhunderts kommt die serifenlose Linear-Antiqua Johnston für die Beschriftungen im Londoner Nahverkehr zum Einsatz. Besonders bekannt ist die Type wegen der Verwendung auf dem von Harry Beck entworfenen Liniennetzplan und den Namensschildern der U-Bahn. 1915 gab Frank Pick, Werbeverantwortlicher der Underground Group und späterer Direktor von London Transport, für das Corporate Design der Londoner U-Bahn eine Schrift in Auftrag. Entworfen wurde diese im darauffolgenden Jahr von Edward Johnston, nach dem sie auch benannt ist.

Auffällige Merkmale der Schrift sind das kreisrunde O und die rautenförmigen Punkte von “, j, ? und !.

Zum 100-jährigen Jubiläum der Schrift brachte Monotype die Johnston 100 heraus, in den fünf Schnitten Hairline, Thin, Light, Regular und Medium. Type Director Nadine Chahine und Senior Typedesigner Malou Verlomme ist es gelungen, die Schrift behutsam an heutige Bedürfnisse anzupassen, ohne den Charme des Originals zu verlieren. Kaufen kann man den Custom Font Johnston 100 nicht, sich aber beim nächsten Londonbesuch an ihr erfreuen.

Folkwang

Von 1948 bis 1971 war Hermann Schardt Direktor der Folkwangschule für Gestaltung in Essen. Wahrscheinlich 1949 gestaltete er die Schrift Folkwang, eine ungewöhnliche Antiqua, deren Kleinbuchstaben an aufrecht stehende Kursive erinnern. Die asymmetrischen Serifen am oberen Teil der Buchstaben kontrastieren mit kaum vorhandenen im unteren Teil der Lettern. 1955 hatte die Schriftgießerei Klingspor die Folkwang herausgebracht, jetzt hauchte ihr Patrick Griffin, Gründer der Foundry Canada Type, neues Leben ein. Es gibt sie nur in einem Schnitt, dafür mit OpenType Features wie Ligaturen oder Stylistic Alternates. Erhältlich ist sie bei P22.

Sequel Sans

Von ogj type design, dem Label des Berliner Designers Oliver Jeschke kommt die Sequel Sans, ein Design auf den Spuren von Max Bill, entwickelt für vielseitige Anwendungen. Die funktionale Schrift entstand in enger Zusammenarbeit mit der Max Bill Georges Vantongerloo Stiftung und ist eine moderne Antwort auf das traditionelle Max Bill-Thema. Die Familie umfasst 48 Fonts und ist über Myfonts zu beziehen.

 

Oliver Jeschke veröffentlichte bereits zuvor zwei Max Bill Revivals: Bill Display und Bill Corporate. Im März 2015 begann Oliver Jeschke, zusammen mit dem Max Bill-Typografie-Spezialist Hans Rudolf Bosshard die Max Bill Font Library weiter zu entwickeln. Während die Max Bill Schriftbibliothek nie offiziell digitalisiert wurde, investierten Oliver Jeschke und Hans Rudolf Bosshard viel Arbeit in das anspruchsvolle Projekt, die Werke Max Bills mit neuem Ansatz zu unterstreichen. Bill Corporate variiert das Thema der scharf gezeichneten Sans Serifs. Beide Schriften umfassen jeweils 16 Fonts und sind ebenfalls bei Myfonts erhältlich.

Bill Display

Bill Display

Bill Corporate

 

Eric Gill Series

Mit der Eric Gill-Serie stellt Monotype eine umfassende Schriften-Neuauflage vor. Das Paket besteht aus 77 Fonts und gliedert sich in die drei Familien Gill Sans Nova, Joanna Nova und Joanna Sans Nova. Es umfasst Überarbeitungen und Erweiterungen der in den 1920er und 30er Jahren vom Künstler und Schriftentwerfer Eric Gill geschaffenen Gill Sans – einer der weltweit beliebtesten Schriften aller Zeiten – sowie der Buchschrift Joanna.

Die vier Monotype Schriftdesigner Steve Matteson, George Ryan, Ben Jones und Terrance Weinzierl arbeiteten aus verschiedenen Teilen der Welt an der Eric Gill-Serie, um Gills Arbeiten für das 21. Jahrhundert neu zu beleben und sein Schaffen sowohl für digitale Komunikationsmittel als auch für anspruchsvolle Print-Anwendungen fit zu machen. Dank Original-Zeichnungen und -Material aus Gills Hinterlassenschaft, aufbewahrt in Monotypes historischem Archiv, sind viele Neuerungen von Gill selbst vorbereitet. Teil der Serie ist außerdem eine völlig neue, von Gill inspirierte Schrift des Monotype Designers Terrance Weinzierl, die speziell für den Einsatz und die Lesbarkeit in digitalen Umgebungen entwickelt wurde. Joanna Sans Nova setzt als Sans-Version mit einem frischen Look-and-Feel die humanistische Tradition der Joanna fort. Die Eric gill Series gibt es bei Fontshop.

Gill Sans Nova

• Designer: George Ryan, Monotype

• Anzahl der Schriftschnitte: 43 (gegenüber 18 im Original Gill Sans), von Ultra Light bis Ultra Bold, zusätzlich eine komplette Serie an Condensed-Schnitten

• Neue Display-Schriftschnitte: sechs Inline-Schnitte sowie schattierte Outline-Schriften, inspiriert vom nie digitalisierten Original-Design und von der Gill Sans Nova Deco-Schrift, die einst aus der Monotype-Schriftbibliothek entfernt wurde

• Sprachunterstützung: Lateinische Sprachen (nur für Display-Schriftschnitte), Griechisch und Kyrillisch

• OpenType-Features mit typografischen Leckereien sowie für Stilvarianten aus verschiedenen Phasen der Sans-Historie

Joanna Nova

• Designer: Ben Jones, Monotype

• Anzahl der Schriftschnitte: 18 (gegenüber 6 im Original Joanna), von Thin bis Ultra Black

• Sprachunterstützung: Lateinische Sprachen, Griechisch und Kyrillisch

• OpenType-Features für typografische Feinarbeiten, einschließlich Kapitälchen, diverse Ziffernarten und kontextbedingte Ligaturen

Joanna Sans Nova

• Designer: Terrance Weinzierl, Monotype

• Anzahl der Schriftschnitte: 16, von Thin bis Back

• Sprachunterstützung: Lateinische Sprachen, Griechisch und Kyrillisch

• OpenType-Features für anspruchsvolle Typografie, einschließlich Kapitälchen, diverse Ziffernarten und Ligaturen

Neue Kabel

Marc Schütz, Typedesigner aus Frankfurt, gestaltete eine auf heutige Anforderungen zugeschnittene Version der Schrift Kabel, die Rudolf Koch 1927 entworfen hatte. Für Marc Schütz war klar, dass ungewöhnliche Formen wie das kleine g in allen Varianten der Schrift erhalten bleiben müssen. Auch wollte er den Rhythmus der Kabel nicht zu sehr reduzieren. »Rudolf Koch hat das w sehr breit angelegt, f und t dagegen sehr schmal. So bekam die Schrift eine sehr eigene Dynamik. Ich habe das Wechselhafte in den Kleinbuchstaben beibehalten, aber nicht so stark wie im Original, eben gerade so, dass es den Lesefluss nicht stört,« erklärt er. Ohnehin seien der Rhythmus und die Proportionen einer Schrift für flüssiges Lesen wichtiger als Details einzelner Buchstaben. »Das Grundkonzept der Neuen Kabel basiert ganz klar auf verbesserter Lesbarkeit. Das zu erreichen, ohne die typischen Eigenheiten der Kabel zu verlieren, war knifflig.«

Nicht eine einzige Papierskizze fertigte Marc Schütz an, sondern er konstruierte die Zeichen gleich in Glyphs – eine Arbeitsweise, die sich aufgrund des geometrischen Charakters der Schrift anbot. Da der Regularschnitt ja bereits vorlag, leitete er von diesem die Thin- und Black-Schnitte ab. Diese drei bildeten die Master, aus denen er die anderen Gewichte interpolierte: Extra Light, Light, Medium, Bold und Extra Bold.

Mit neun Strichstärken plus Kursiven ist die Neue Kabel sehr gut ausgebaut. Jeder der 18 Schnitte hat mehr als 1100 Glyphen: echte Kapitälchen, acht Ziffernsets und jede Menge Alternativbuchstaben. Je nach Anwendung kann man sie also lesbarer oder etwas exzentrischer und dichter am Original einsetzen. Zu kaufen ist sie über Myfonts.

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