Der Type Directors Club New York hat erneut die beste Gestaltung weltweit auszeichnet. Wir stellen in fünf Teilen unsere Favoriten vor. Heute: Editorial Design – und das reicht von Handarbeit zu Augmented Reality.
Im vierten Teil unseres Best-of des Type Director Clubs New York 2022, des hochkarätigen, weltweiten Wettbewerbs, zeigen wir eine kleine Auswahl an Editorial Design, das ausgezeichnet wurde.
Wie schon die großartigen getöpferten Poster in der Kategorie Plakatdesign, stammen gleich vier der spannendsten Gewinnerprojekte im Editorial Design aus der Nachwuchs-Kategorie Young Ones TDC – und eines davon erneut von der Hochschule für Gestaltung Offenbach.
In die Zukunft blättern
Dort hat Verena Mack ihre Illustrationen »Nonbinary Future« in einem Magazin zusammengefügt und in Reise verwandelt, die vom binären in das nonbinäre Spektrum führt.
Werden am Anfang des Magazins NON/BINÄR Sexismus, Queer-Feindlichkeit oder Hierarchien des binären Systems kritisiert, geht es mit jedem Umblättern weiter in eine Welt, in der das drängende Bestreben nach Akzeptanz herrscht, das Auflösen von Rollenbildern und Machstrukturen und den Weg für die Utopie ebnen, die den Abschluss des Magazins bildet.
Und auch die Gestaltung nimmt diese Entwicklung auf. »Das Magazin wird von der binären Doppelseite durch Ausklappseiten in ein größeres Format erweitert«, beschreibt Verena Mack ihr Konzept. »Auf den letzten Seiten beginnt das Magazin sich durch Konturschnitte aufzulösen, wobei durch das Umblättern neue Bildkombinationen entstehen, welche das Verwischen von Grenzen und den Austausch untereinander visualisieren.«
Editorial Design als Sternmarsch
Mit der Schönheit des Miteinanders beschäftigt sich auch die wunderbare und verblüffende Publikation Freund*innenschaft von Julia Klenovsky .
Bereits auf die Shortlist des Förderpreises für junge Buchgestaltung 2021 der Stiftung Buchkunst gesetzt, feierte jetzt auch der TDC die Abschlussarbeit der Studentin der Hochschule Augsburg.
Deren Editorial Design folgt dem Prinzip eines Sternmarsches bei dem sich Menschen aus verschiedenen Richtungen auf ein gemeinsames Ziel zubewegen. In diesem Fall ist es das Buch von Julia Klenovsky, das dem von Frauen geprägten Freundschaftsbegriff folgt – und dabei nichtbinäre Personen ebenso einbezieht wie alle anderen, die sich als Frau identifizieren.
Werden im Zentrum der Freund*innenschaft verschiedene Stimmen und Standpunkte zusammengebracht, folgen auch Typografie und Illustration diesem Prinzip.
Gleichzeitig ermutigt ein flexibler Buchrücken dazu, die beiden Buchdeckel zusammenzuführen und die Hierarchie von Anfang und Ende aufzuheben.
Ein Leineneinband und ein Schuber hingegen schützen die Geschichten von 17 Autorinnen deren Illustrationen gestalterisch an mittelalterliche Darstellungen angelehnt sind, der Zeit von Unterdrückung und Hexenverfolgungen, die aber im Gegensatz dazu von Freundschaft und Solidarität erzählen.
»Dieses Buch exponiert und zelebriert, es träumt und trauert«, sagt die Illustratorin, Grafikdesignerin und Künstlerin über ihren inhaltlichen und visuellen Sternenzug. »Freund*innenschaft ist ein konzeptionelles Buch, das Raum für die Beziehungen zwischen Frauen* schafft.«
Wenn Buchseiten laufen lernen
Schön öfter haben wir über die Arbeit der Berliner Agentur Neue Gestaltung berichtet, vor deren umwerfenden Publikationen wie Vertauschte Köpfe und allem auch von ihrem Umgang mit Augmented Reality.
Ihre Gestaltung für das Theater Erlangen wurde bereits ausgezeichnet, allen voran ihre Plakate, deren Motive mit Hilfe der Theater-Erlangen-App plötzlich in Bewegung geraten.
Genauso wie im Spielzeitheft, das in diesem Jahr ebenfalls beim TDC ausgezeichnet wurde:
Bild: Neue Gestaltung
Aufregend autobiografisches Design
Die Arbeiten des chinesischen Gestalters Yiwei Dai, der an der Tongji University in Shanghai studiert, sind sehr persönlich.
In seinem Buch I’m Proud Of You, das ebenfalls bei den Nachwuchsprojekten Young Ones des TDC ausgezeichnet wurde, erzählt von seiner Erziehung.
Auf dem Cover: die Beyblade mit der seine Mutter ihn schlug, innen eine Reise ins Erwachsensein unter den unterschiedlichen Einflüssen und mit den verschiedensten Gegenständen – und einem Porträt am Rand der Seiten, das ihn wie in einem Daumenkino immer älter werden lässt und seine Entwicklung visualisiert.
Für die Publikation China Shoe Problem hingegen kehrte Yiwei Dai in seine Heimatstadt zurück, die seinen Angaben nach einst das Zentrum chinesischer Schuhherstellung war und erforscht, wie diese unter der Pandemie und den Lockdowns gelitten hat.
Eingearbeitet in das Buch sind die dünnen Papiere, mit denen die Schuhe eingepackt werden und die Yiwei Dai vor Ort gesammelt hat. Die Interviews der Arbeiter mit denen er sprach hingegen, hat er hinter ihren Porträts verborgen um zu visualisieren, da diese keine eigene Stimme haben dürfen.