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Die erste Seite eines Romans ist zweifelsohne die, über die Schriftsteller am meisten grübeln, soll sie doch den Leser gleich so fesseln, dass er das Buch gar nicht wieder aus der Hand legen kann …
Die erste Seite eines Romans ist zweifelsohne die, über die Schriftsteller am meisten grübeln, soll sie doch den Leser gleich so fesseln, dass er das Buch gar nicht wieder aus der Hand legen kann.
Ebenso viel tüfteln wohl die Gestalter, die diese Sogwirkung durch ihr Seitenlayout unterstützen, aber auch den Ton für das ganze Buch setzen sollen. Wie unterschiedlich man diese Aufgabe lösen kann, zeigt ein kleines Experiment: Lucienne Roberts und Rebecca Wright baten siebzig renommierte Designer und Typografen, die erste Seite von Charles Dickens’ Klassiker »Große Erwartungen« umzusetzen.
Dieses abwechslungsreiche Büchlein zeigt die Ergebnisse und fängt zunächst ganz ernsthaft an – auch mit Beiträgen deutscher Gestalter wie Erik Spiekermann oder Judith Schalansky, die sich für klassische Layouts entschieden. Andere gingen experimenteller vor, wie Susanne Dechant oder Cartlidge Levene, die die Wörter nach Anfangsbuchstaben oder Wortarten sortierten. Jonathan Barnbrook präsentiert den Text als Diagramm, Astrid Stavro als Boustrophedon, sprich mit von Zeile zu Zeile wechselnder Schriftrichtung. Andere stellten Bezüge zum digitalen Zeitalter her. Yu Jin Kang etwa lieferte einen QR-Code, der zu einer im Default-Font gesetzten Textversion in der Notes-App führt. Oded Ezer aus Israel ließ eine hebräische Textversion per Google Translate ins Englische übersetzen … Alle Gestalter erklären ihre Schriftwahl und ihren Ansatz mehr oder minder ausführlich, sodass man nicht nur viel über die Gestaltung literarischer Texte erfährt, sondern auch über Charles Dickens und den Stellenwert, den Literaturklassiker im digitalen Zeitalter für Designer haben.
Lucienne Roberts, Rebecca Wright: Page 1: Great Expectations. Seventy graphic solutions.
London (GraphicDesign&) 2012
316 Seiten
15 Pfund
ISBN 978-0-9572381-0-7
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