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Im Gespräch: Interview mit Oleksandr Parkhomovskyy

Der ukrainische Designer Oleksandr Parkhomovskyy ist mit viel Spielwitz dabei, in Hamburg Fuß zu fassen. Für die »ZEIT« hat er eine Headlineschrift entwickelt

Der ukrainische Designer Oleksandr Parkhomovskyy ist mit viel Spielwitz dabei, in Hamburg Fuß zu fassen. Für die »ZEIT« hat er eine Headlineschrift entwickelt

Wie spricht und schreibt man deinen Namen eigentlich korrekt?

Oleksandr Parkhomovskyy ist schon richtig, wobei mich alle Alex nennen – und das ist auch gut so! Auch das Doppel-y ist korrekt. Das verdanke ich den Bürohengsten, die meinen Pass aus dem Ukrainischen übersetzt haben.

Du bist 26 Jahre alt und vor zehn Jahren von Kiew nach Wismar übergesiedelt. Wie hast du diesen Wechsel damals erlebt?
Mein Deutsch war sehr bescheiden, ich musste feststellen, dass sich unser Schuldeutsch von dem, was tatsächlich gesprochen wird, sehr unterscheidet. So verständigte ich mich zu 50 Prozent auf Englisch – und sonst mit Zeichensprache oder auch dem einen oder anderen Piktogramm. Mein Vokabular habe ich dann mit Lesen und Fernsehen aufgebessert, besonders von den »Simpsons« habe ich viel gelernt. Ich hatte auch sehr hilfsbereite, freundliche Klassenkameraden und verständnisvolle Lehrer.
Ich kann gar nichts Bestimmtes ausmachen, was anders war – es war einfach alles anders! Der Wechsel von einer Großstadt in ein altmodisches ostdeutsches Städtchen (Wismar hat gerade einmal 50 000 Einwohner), die Popkultur, die Gestaltung – die ich sehr viel intensiver wahrnahm … Aber mein Ziel war ja, mich so schnell wie möglich einzugewöhnen, und diese Phase der Verwunderung hinter mir zu lassen. Wobei ich manches immer noch seltsam finde, zum Beispiel wenn die Freundinnen meiner Freunde mich zur Begrüßung umarmen. Ich kenne die doch gar nicht richtig.

Oleksandr Parkhomovskyys Beitrag zum CitID-Projekt (www.citid.net)

Wo wir bei den Vorbildern und dem Lernen sind: Ab wann war für dich klar, dass du als Gestalter arbeiten möchtest?
Wie so ziemlich alle Designer habe ich als Kind schon gern gezeichnet, und ich wollte unbedingt was »mit Computer« machen; irgendwann stieß ich auf eine Demoversion von Photoshop und war von den Möglichkeiten fasziniert. Dabei kamen natürlich ganz furchtbare Sachen raus. Aber es hat Spaß gemacht – und es gab ja tatsächlich Leute, die mit so was Geld verdienen. Ich wollte es auch probieren. Mit den furchtbaren Photoshop-Sachen und Zeichnungen wurde ich an der Design Schule Schwerin angenommen, und dann war für mich klar, dass es mein Job wird. Da hat mich auch die »unheilbare, aber nicht tödliche Krankheit Typomanie« (Spiekermann) erfasst, mein Zustand verschlimmert sich zusehends.

Ich glaube, mit der Krankheit kann man ganz gut leben.
Hat alles Vor- und Nachteile: Manchmal ist es schon nervig, wenn man aus einem historischen Film gerissen wird, weil die verwendete Schrift zu der Zeit noch nicht existierte. Oder wenn man den Inhalt des Textes gar nicht verinnerlicht, weil man sich die ganze Zeit die Typo anguckt. Ich kann ja nicht anders. Wenn ich eine Schrift sehe, die ich noch nicht kenne, muss schnellstens herausbekommen, um was es sich handelt – ein Musterbeispiel von Suchtverhalten. Ich habe auch schon missbilligende Blicke auf mich gezogen, wenn ich so manche Männermagazine studierte (aus rein typografischem Interesse, versteht sich!) – besonders als die Stag von Christian Schwartz im »Playboy« erstmals zum Einsatz kam.

Wettbewerbsbeiträge für den EIGA-Designkalender »Think Green« (www.designkalender.eu) und »USA by Designers« (http://usabydesigners.com)

Du hast nach der Ausbildung Praktika bei Landor, Factor Design und anderen Agenturen gemacht. Was hat dir das gebracht?
Ich habe einige sehr nette, talentierte Leute kennengelernt, es sind tolle Freundschaften entstanden. Einige Aufträge sind auch dadurch zustande gekommen. Ich habe auch für mich festlegen können, was ich eher machen mag, was weniger, wo die Messlatte hängt – und wie es ist, von Leuten umgeben zu sein, die den Anspruch teilen, gute Sachen zu machen. Und sich somit gegenseitig nach vorn bringen.

Kommen wir zu deiner Site rekord.cc. Ist das ein Designbüro oder ein Typolabel? Und was hat es mit dem Namen auf sich?
Momentan ist es meine Mikrofoundry – und es werden Schriften folgen. Ich habe lauter halbfertige Sachen und komme nicht voran, weil ich Aufträge annehmen muss … Der Name soll eigentlich nicht den Anschein erwecken, dass ich Rekorde aufstellen möchte – so nicht. Ich habe nach einem Namen gesucht, der weder kryptisch ist (wie etwa BBDO) noch nach Web 2.0 klingt. Ich wollte etwas Ernstes, Bodenständiges, wenn man so will – aber mit Anspruch. Und im Namen sollte unbedingt ein R vorkommen, so hab ich’s gleich doppelt. Rekord wird hoffentlich nicht nur Schriften veröffentlichen. Ich möchte verschiedene Produkte und Publikationen herstellen, auch kostenlose. Ich habe der Community viel zu verdanken, seien es Open-Source-Tools, FontLab-Skripte oder Tutorials; so möchte ich etwas zurückgeben.

Der gerade fertiggestellte Font Mingray von Oleksandr Parkhomovskyy wird demnächst über Rekord und MyFonts vertrieben

Liebhaberprojekt einer visualisierten Datensammlung zur Fußballbundesliga 2009


An welchen eigenen Projekten arbeitest du aktuell? Da ist ja auch einiges zum gerade grassierenden Thema Fußball dabei, wie ich sah. Ist das eine Herzensthema?

Definitiv! Auch wenn ich momentan viel weniger Zeit für Fußball habe als früher, ist es immer noch ein Spiel, an dem ich sehr hänge. In Kiew ist ja unmöglich, sich dem Magnetismus von Dynamo Kiew zu entziehen, und als sie die Champions League rockten (ist schon bisschen her) ist mein Interesse richtig entflammt. Damals kannte ich mich gut aus – und vielleicht ist es zum Teil auch Nostalgie, dass ich jetzt versuche, Fußball und Gestaltung zu verbinden. Meine Fußballprojekte sind mit der WM nicht vorbei, es wird noch einiges kommen.

Hast du noch persönliche Kontakte zur Ukraine? Wie siehst du die Typoszene dort?
Ich habe noch zu einigen wenigen Freunden aus der Schule Kontakt, es ist aber niemand aus der Designbranche. Die Typoszene kann ich nur als Beobachter aus der Ferne beurteilen, nicht als aktiver Teilnehmer. Sie hat auf jeden Fall eine wichtige Entwicklung hinter sich. Die Leute entdecken Typedesign für sich, und es entstehen tolle Sachen – einerseits. Andererseits sind es immer wieder die gleichen brillanten Persönlichkeiten, von denen die tollen Sachen stammen. Vielen fehlt einfach eine fundierte Ausbildung – und es gibt nicht viele Unis, wo man sie bekommt. Im Vergleich zu Deutschland ist das eine Wüste. Und wenn es um Schrift geht, sowieso. Dafür hält sich dieser Kreis dicht zusammen – auch nach außen hin – und macht gemeinsame Projekte. Wenn man dort Schriften entwirft, ist es ein bisschen so, als ob man alleine gegen den Rest der Welt spielt – aus vielerlei Gründen. Daraus entwickeln sich aber auch gegenseitige Sympathien.

Was ist denn für dich das Besondere am kyrillischen Alphabet? Was sind die Schwierigkeiten, mit denen man als (Type-)Designer umgehen muss?
Das Besondere und gleichzeitig das Leidige ist die Geradlinigkeit, viele bezeichnen sie als Zaun. Witzigerweise habe ich mich ja erst in Deutschland bewusst damit auseinandergesetzt. Vorher gab’s ja auch keinen triftigen Grund dazu: Alle Bücher waren in Schkolnaya (Schoolbook) oder Times gesetzt. Es ist für ein lateinisch geübtes Auge einfach ungewöhnlich, so viele ähnliche Formen auf engem Raum zu sehen. So einen Buchstaben wie S oder J wünschen sich die Typedesigner dort über alles. Es ist auch ungewöhnlich, dass viele Formen in den Kleinbuchstaben wiederholt werden. Viele machen auch den Fehler und übertragen lateinische Formen ohne Anpassung ins Kyrillische. Das ist aber nicht immer möglich. Jüngstes Beispiel ist die Whitney von H&FJ. Eigentlich eine meiner Juwelen unter den unscheinbaren Fonts – aber die kyrillische Version ist grausig! Yuri Gordon – den hast du ja auch schon kennengelernt, toller Designer – hat das Problem super erklärt: Es reicht einfach nicht, hier zu spiegeln, da zu drehen, dort ein Dreieck drauf setzen; es greifen die gleichen Gesetzmäßigkeiten, wie im Lateinischen auch – aber man muss sie verstehen. Ich will mich da gar nicht herausstellen, ich habe auch noch viel zu wenig Erfahrung damit. Und es wird noch einige Zeit dauern, bis ich eine Schrift mit Cyrillics anbiete. Klar, auch weil der Markt dafür nicht wirklich existiert.

Grim ist ein ultrafetter, kontrastarmer Displayfont in sechs Varianten. Die Lesbarkeit zu erhalten, gestaltete sich weitaus schwieriger, als bei dem simplen Konzept anzunehmen war

Letzteres kann sich ja bald ändern. Aber da du deine eigenen Fonts ansprichst: Ich finde dein Schriftenprojekt Grim sehr schön! Mir ist aufgefallen, dass es bei den russischen und ukrainischen Designern häufiger einen Hang zu kontrastarmen, fetten Schriften gibt. Hat das einen bestimmten Grund oder hältst du das für Zufall?
Ich denke, es ist eher Zufall. Vermutlich denken die meisten (ich ja auch), dass es schön einfach ist, so eine zu machen, und das sind dann oft die ersten Schriften, die man entwirft. Die waren ja auch eine Zeit lang voll im Trend. Man kann sicher spekulieren, ob der Hang zum Konstruktivismus im Ostblock rumgeistert, aber die flüssigen, feinfühligen Fonts wie zum Beispiel Oksana beweisen sehr schön das Gegenteil und die ultrafetten, blockigen Schriften kommen überall auf der Welt raus.

Infografik (mit Joshua Dardens Font Omnes) über die Häufigkeit von Buchstabenvorkommen in der englischen Sprache


Zum Schluss möchte ich noch auf eines deiner letzten Projekte kommen, die ZEIT-Hausschrift. Wie kommt man als junger Designer zu einem so prominenten Job?
Das habe ich der Freundschaft von Johannes Erler (1/3 GF bei Factor Design) und Mirko Borsche zu verdanken. Zunächst wurde der neue Kopf für das »ZEITmagazin Leben« gebraucht, auf der Basis des klassischen Zeitungslogos. Dann war das Projekt eigentlich abgeschlossen, aber ich hatte einfach Spaß daran, noch mehr Zeichen zu entwerfen. Dann habe ich gemerkt, dass in den Spezialausgaben wie »ZEIT Literatur« und »ZEIT Kinder« ein Mix aus meinen Buchstaben und irgendwelchen anderen verwendet wurde. Dazu kam, dass ohne einheitliche Schrift gleiche Zeichen in verschiedenen Ausgaben anders aussahen (verschiedene R). Da habe ich Mirko meine Entwürfe gezeigt und gefragt, ob die »ZEIT« nicht daran interessiert wäre, den Zeichensatz zu komplettieren. Ich hatte letztlich sehr viel Freiheit, und konnte meine Vorstellung ziemlich genau umsetzen. Dazu muss ich sagen, auch wenn es sich vielleicht toll und irgendwie wichtig anhört: Es ist ja nur eine Displayschrift, es ging nur um die Versalien. Dennoch war es ein sehr schönes Projekt und ich hatte sehr viel Spaß dabei!

Headlineschriftentwicklung in der Anmutung des »ZEIT«-Logos

Das glaube ich gern. Ich danke dir für das aufschlussreiche Gespräch, wünsche dir weiterhin ein ebenso gutes Auge wie Händchen bei deiner Gestaltung. Und allzeit eine gute Typo!

In PAGE 09.2010 stellt Klaus-Peter Staudinger die russische Typedesignszene vor, in Ausgabe 11.2010 folgt dann ein Bericht über die der Ukraine

Links
www.rekord.cc
www.fontblog.de/wm-spielplan-n-6-immer-dabei

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