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Custom Fonts – mit viel Charakter oder doch lieber neutral?

Große Unternehmen wie Coca Cola, IBM oder eBay ließen sich in letzter Zeit serifenlose, recht neutrale Schriften maßschneidern. Was halten Typedesigner davon? Wir fragten nach.

Torsten Lindsø Andersen, Senior Type Designer bei Kontrapunkt in Kopenhagen

»Ich weiß nicht, warum so viele Unternehmen darauf verzichten, sich über ihre Schrift erkennen zu lassen – auch im Netz. Derzeit sind viele User Interfaces sehr streng: weißer Hintergrund, eine Farbe, ein Font. Mit einer exklusiven Type könnte man eine stärkere Markenbildung erzeugen. Viele Brands setzen aber lieber auf beliebte Retailfonts, die auch andere nutzen. So verwenden sowohl Airbnb als auch Spotify die Circular von Lineto.«

Phil Garnham, Type Design Director bei Fontsmith, London

»Es ist unmöglich, anderer Leute Arbeit zu kommentieren, wenn man das Briefing nicht kennt. Ich weiß aber, wie große Custom-Design-Projekte laufen können. Was als lebendiger, kreativer Prozess beginnt, kann als Szenario enden, in dem alle Abteilungen Ideen und Feedback geben. Unter diesen Bedingungen lässt sich kaum ein konsistentes und rationales Design entwickeln.«

Göran Söderström, Gründer von Letters from Sweden, Stockholm

»Wenn ich an den viel diskutierten Coca-Cola-Font von Neville Brody denke, habe ich dazu keinen kurzen Kommentar – das ist eine größere Diskussion, und ich kenne auch nicht das ganze Corporate Design. Was ich aber sagen kann: Die Promotion rund um das Projekt war eine der schlechtesten, die ich je gesehen habe. Für mich fühlte es sich wie der verzweifelte Versuch an, Alleinstellungsmerkmale zu verkaufen, die es in der Schrift gar nicht gibt.«

Erik Spiekermann, Designer und Typograf, Berlin

»Die Coca-Cola-Schrift finde ich manieriert und hässlich, und die Netflix Sans von Dalton Maag ist langweilig, zu nahe am Mainstream. Die IBM Plex von Mike Abbink und Bold Monday ist die beste Neuerscheinung seit Langem. Raffiniert, wie sie ein paar Ecken aus dem IBM-Logo eingebaut haben. Die Eigenheiten sind da, wenn man sie sehen will, werden aber nie auffällig und nutzen sich damit nicht ab.«

In vielen Buchstaben der IBM Plex, die es mit und ohne Serifen gibt, erinnern die im rechten Winkel nach rechts oder links zeigenden Striche an das Logo
Julia Sysmäläinen, Gründerin von Juliasys Studio, Berlin

»Wir erleben mit unseren Kunden genau das Gegenteil. Ich muss allerdings zugeben, dass wir gar nicht so schauen, was andere machen, weil wir zu sehr mit unseren eigenen Custom Fonts ausgelastet sind. Das sind alles Aufträge, bei denen es um die Entwicklung einer starken, individuellen Schriftpersönlichkeit geht. Mögen andere sich um die neutralen Schriften kümmern.«

Noch viel mehr Infos zum Thema Custom Fonts als Brandingtool, eine Untersuchung aus Dänemark sowie schöne Corporate-Type-Projekte gibt es in der PAGE 06.2018.

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Report: Existenzgründung im Bereich Type Foundries – Marketing, Lizenzfragen, Kundenpflege, Rechtsformen, Versicherung

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