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So lassen sich Etiketten nachhaltig produzieren

Etiketten geben einem Produkt oder einer Verpackung ein Gesicht. Neue Materialien bieten jetzt die Möglichkeit, Labels konsequent umweltfreundlich zu gestalten

Regional? Ja bitte! Die craftLabels der Druckerei Vollherbst bringen Lokalkolorit in die Etikettengestaltung. Hier wird für das Label des Demeter-Weins Terra Lössboden zer­kleinert und dann dem Relieflack hinzugefügt.

Immer mehr Kreative und ihre Kunden wählen für ihre Projekte umweltfreundliche Papiere, Farben und Veredelungen. Aber erstreckt sich dieses Bewusstsein auch auf die Etiketten? Oder herrscht da eher der Gedanke: So klein, wie sie sind, fallen sie eh nicht ins Gewicht? »In der Entwicklung einer Brand Identity, eines Corporate und Packaging Designs spielt Nachhaltigkeit von Anfang an als Markenwert für uns eine wichtige Rolle«, sagt Katrin Oeding, Gründerin des Hamburger Studios Oeding.

Schön zu sehen am soeben gestalteten Auftritt für Natural Doze, Hersteller veganer Nahrungsergän­zungsdrops. »Wir sind das Thema ganzheitlich angegangen und haben es konsequent umgesetzt. Von der Umverpackung, die ohne jede Ver­klebung beim Versand auskommt, über die Verwendung von recyceltem PET bis zum Etikett«, so Katrin Oeding. Dieses besteht aus Cane Fiber, ei­nem Papier, das aus 95 Prozent Zuckerrohr- und 5 Prozent Hanffasern produziert wird.

Rohrzucker-Hanf-Mix Die von Studio Oeding gestalteten Natural-Doze-Labels bestehen aus Cane Fiber als Bedruckstoff und Liner aus FSC-zertifiziertem Papier. Veredelt sind sie mit einer matten, silbernen Heißfolienprägung.

Die Designerin verbindet in ihren Projekten schon seit vielen Jahren Design und Nachhaltigkeit, über die Zeit hat sie sich ein aktives, bereicherndes Netzwerk aus innovativen Herstellern und Drucker:innen aufgebaut. »Ich muss am Ball bleiben und mich informieren, denn es gibt permanent Materialneuent­wicklungen, die noch ein Stückchen nachhaltiger sind. Unsere Aufgabe ist es, diese mit dem Kundenbriefing auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten für den Produktionsprozess auszuwählen.«

Etikettenmaterial: Ober- und Unterschichten

Tatsächlich hat sich in der letzten Zeit einiges in Bezug auf umweltfreundliche Etikettenmaterialien ge­tan. »Ein Etikett besteht aus den vier Teilen Bedruck­stoff, Trägerband, Kleber und Druckfarbe«, erklärt Phillip Schoeni, Kundenberater bei der Druckerei Vollherbst im süddeutschen Endingen, die sich auf hochwertige Etiketten spezialisiert hat. »Der Bedruck­stoff ist das Obermaterial – quasi das Gesicht des Labels – und dafür lassen sich verschiedenste Ma­terialien nutzen, etwa Zellstoff aus Frisch- oder Recyclingfasern oder auch Kunststoff.« Dieser muss nicht unbedingt schlecht sein. Die Firma Herma aus Filderstadt zum Beispiel stellt ein Folienetikett her, das zu 100 Prozent aus wiederaufbereitetem Poly­ethylen (PE) besteht, jeweils zur Hälfte aus Industrie­abfällen und aus alten Verpackungen.

Zweites Element ist das Trägerband (oder Liner), das bei Selbstklebeetiketten den Klebstoff und das Obermaterial trägt. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Selbstklebe- und Nassleimetiketten: Bei Ersteren ist der Bedruckstoff bereits mit Kleber versehen, bei Letzteren trägt man ihn erst beim Etikettieren auf, deshalb braucht diese Variante keinen Liner. »Bei Vollherbst machen heute rund 70 Prozent die flexibleren, weniger arbeitsaufwendigen Selbstklebeetiketten aus. Sie bieten mehr Freiheit in der Formatgestaltung, eine Vielzahl an Bedruck­stof­fen sowie eine größere Bandbreite an Veredelungs­optionen«, so Kommunikationsdesigner Phillip Schoeni, der als Gestalter bei Vollherbst arbeitete, bevor er in den Außendienst wechselte.

Gut trennbar CleanFlake-Klebstoffe von Avery Dennison sorgen dafür, dass sich Etikett und Klebstoff während des Recyclings sauber von der PET-Verpackung trennen lassen – gut für hochwertiges Rezyklat.

Beim Trägerband gibt es Sorten aus Papier und aus PET (Polyethylenterephthalat). Für Schoeni ist tatsächlich PET die etwas nachhaltigere Alternative: »Es lässt sich einfacher vom Papier trennen, somit besser recyceln und in den Kreislauf zurückführen. Etwa mit dem Ad-Circular-System von Avery Denni­son. In einem Behälter sammeln wir die Liner-Res­te. Sobald dieser voll ist, wird er abgeholt und der Inhalt wiederverwendet.« Und es gibt auch die Möglichkeit, von vorneherein recyceltes Trägermaterial zu nutzen.

Richtig kleben und drucken

Bei den Klebstoffen als drittem Bestandteil unterscheidet man zwischen nicht ablösbaren aus Acryl oder Kautschuk und ablösbaren, die in der Regel aus Acryl bestehen. Wer wie manche Weingüter ein eigenes Mehrwertsystem hat, kann mit wasserlöslichem Kleber versehene Etiketten rückstandslos von den leeren Flaschen waschen und diese wiederverwenden. Doch auch bei Etiketten für PET-Ver­packungen ist es sinnvoll, dem Kleber ein paar Gedanken zu widmen. Avery Dennisons CleanFlake-Klebstoffe etwa sorgen dafür, dass sich Etikett und Klebstoff während des Recyclings sauber von der PET-Verpackung trennen lassen – und so für hochwertiges Rezyklat sorgen.

Acrylklebstoffe haben eine gute UV-Beständigkeit und halten auch bei hohen Temperaturen, vor allem auf glatten Flächen. Kautschuk-basierte bieten eine hohe Flexibilität besonders bei der Verklebung auf rauen und unebenen Oberflächen. Beide Materia­li­en enthalten sehr wenig Chemie und keine Lösungsmittel, sind also recht umweltverträglich.

Wer nachhaltige Labels gestalten möchte, sollte zudem keine Druckfarben – die vierte Komponente – mit Blei, Kadmium, Quecksilber, Chrom, Mineralöl oder Schwermetallen nutzen, sondern pflanzenbasierte Varianten. Übrigens gibt es alle Bestandteile ei­nes Etiketts auch ohne tieri­sche Inhalte – vegan produzierten Labels steht also nichts im Wege.

Reine Baumwolle Für den österreichischen Winzer von der Vogelwaide setzte Vollherbst auf Etiketten aus Cotton White. Auf dem reinen Baumwollpapier kommt die partielle Reliefprägung des Schriftzugs schön zur Geltung.

Bedruckstoffe aus Hanf und Traubenresten

Besonders fleißig bei der Erfindung neuer Bedruckstoffe ist Avery Dennison, ein US-amerikanischer Her­steller von Selbstklebemateria­lien. Im Sortiment gibt es wel­che aus 95 Prozent Zuckerrohr und 5 Prozent Hanf­fasern (Cane Fiber), aus reiner Baumwolle (Cotton White), mit 15 Prozent Trester (rCrush Grape) oder Zitronenschalen (rCrush Citrus). »Sehr interessant finden wir Materialien mit Hanf, da dieser deutlich längere Fasern als Zellstoff hat und sich so häufiger recyceln lässt«, sagt Phillip Schoeni. »Außerdem sind solche Bedruckstoffe schön stabil und haben eine tolle Haptik.«

Voll recycelt: Avery Dennison hat verschiedene reine Recyclingsorten im Programm. Zum Beispiel rGranitBlanc mit geprägter Oberfläche. Hier im Einsatz für ein von Supperstudio aus Madrid gestaltetes Olivenöl­etikett zum Thema Diversity.

Die VPF Veredelungsgesellschaft für Papiere und Folien entwickelte kürzlich das reine Hanfpapier von Gmund zu selbstklebenden, 120 Gramm starken Etiketten weiter. Das Material ist so neu, dass es leider noch keine Anwendungsbeispiele gibt. Aus der Kooperation von Gmund und Avery Dennison entstand die Graduate Collection mit vier weißen, ungestrichenen und strukturierten Papieren aus 50 Pro­zent Post-Consumer Waste. »Das Gute an all diesen etwas besonderen Sorten ist, dass man sie auch in geringeren Mengen bestellen und nicht nur im Offset, sondern auch im Digitaldruck bedrucken kann. So kommen sie auch für kleine Auflagen infrage«, erklärt Phillip Schoeni.

Avery Dennison bietet auch Bedruckstoffe aus 100 Prozent Recyclingfasern an. Diese sollen sich in Aussehen, Haptik und Leistung nicht von herkömmlichen Materialien unterscheiden und nassfest sein, also auch für Wein, Spirituosen oder Craftbeer taugen, wo die Etiketten ja schon mal feucht werden können.

Etiketten mit Struktur: Zusammen mit der Papierfabrik Gmund entwickelte Avery Dennison die Graduate Collection mit vier weißen, ungestrichenen und strukturierten Papieren aus 50 Prozent Post-Consumer Waste: rSienaBianco mit geometrischer Prägung, rEvoraBlanc, das an ein geflochtenes Seil denken lässt, rSorbonneBlanc mit Wellen wie in fließendem Wasser sowie rOxford White mit einer Leinwandprägung, die an alte Bücher erinnert.

Nachhaltige Etiketten: Alternativen zu Zellstoff

Spannend sind aus nachhaltiger Sicht Etiketten aus der schnell wachsenden Silphie-Pflanze, die von Her­ma hergestellt und unter anderem von der Druckerei Etiket Schiller verarbeitet werden – die im Üb­rigen auch Labels aus Gras-, Recycling- oder Baumwollpapier anbietet. Der Anteil der Silphie-Fasern in den Etiketten beträgt momentan 35 Prozent. Der Nachteil: Sie sind nicht nassfest, eignen sich also nicht für Getränkeflaschen. In trockener Umgebung, etwa auf Kaffee- oder Teeverpackun­gen, sorgt die un­behandelte Oberfläche des Materials für ein natür­liches Aussehen und eine ebensolche Haptik. Gras­papier, das sich ebenfalls für Etiketten verwenden lässt, kann besser mit Feuchtigkeit umgehen, weil es nicht ganz so fest und dick ist.

Mit Grasanteil: Für alle, die sichtbar nachhaltig auftreten wollen, kommen Etiketten aus Graspapier infrage – wie auf diesen Dosen.

Das sogenannte Steinpapier ist eigentlich keines, denn es besteht aus Schneideabfällen, die zum Beispiel bei der Marmorverarbeitung anfallen. Dieser Gesteinsstaub wird zusammen mit recyceltem PE ver­schmolzen. Der daraus entstehende Bedruckstoff hat eine samtige Oberfläche und ist relativ resistent gegen Feuchtigkeit. »Steinpapier ist auf jeden Fall nachhaltig, für seine Herstellung werden keine Bäu­me gefällt, man benötigt kein Wasser und keine optischen Aufheller«, sagt Phillip Schoeni. Recycling von Steinpapier ist fast unendlich möglich. Man kann es immer wieder einschmelzen und neues Material daraus herstellen. Die Entsorgung sollte dementsprechend über den Gelben Sack erfolgen.

Mineralstoff: Umweltfreundlich ist sogenanntes Steinpapier. MarbleBase von Avery Dennison besteht zu 80 Prozent aus Kalziumkarbonat – Abfall aus Marmorsteinbrüchen. Der Rest ist recyceltes High-Density Polyethylen (HDPE), das größtenteils aus Plastikflaschen gewonnen wird. Visuell unterscheidet es sich kaum von herkömmlichem Papier.

Nachhaltig und regional veredeln

Für Veredelungen gilt dasselbe wie für andere Druck­sachen auch. Normale Farben sind besser als Neon- oder Metallicfarben, Prägungen besser als Lack. Manch­mal allerdings lohnt ein zweiter Blick: »Re­lieflacke beispielsweise sieht man bei Etiketten ja recht häufig«, sagt Phillip Schoeni. »Und eine vor sich hinglänzende, erhabene Lackschicht wirkt zwar schon sehr künstlich, aber sie entsteht im Siebdruck. Das heißt, man rakelt den Lack auf das Etikett und alles, was für den partiellen Auftrag nicht verwendet wird, kann für den nächsten Job zurück in die Dose. Es gibt quasi keine Materialverschwendung.« Bei einer Heißfolienprägung werden zwar Metallicpartikel übertragen, aber in sehr geringer Stärke. »Wichtiger als so eine Veredelung zu verdam­men ist es, den Platz auf der Folie wirklich auszunutzen, um wenig Abfall zu haben.«

Deutlich weniger Material als konventionelle Me­tallisierungsverfahren verbraucht die EcoLeaf-Tech­nologie der Actega Metal Print GmbH. Sie überträgt Metallpigmente mittels Lack auf das Etikett, Prägefolien sind somit in diesem Verfahren überflüssig. Als welt­weit erste Etikettendruckerei testet Vollherbst EcoLeaf gerade für Wein- und Spirituosenetiketten. »Wir sehen sie als zukunftsorientierte Ergänzung zu bestehenden Technologien, die Material und Abfall sparen kann und zudem mehr metallische Farbtöne bietet«, sagt Schoeni.

Wer etwas ganz Besonderes möchte, kann bei Vollherbst sogenannte craftLabels wählen, bei denen Relieflack regionaltypische Bestandteile zugesetzt werden. Für den Weißburgunder der Winzergenossenschaft Achkarren etwa, der am Kaiserstuhl auf Vulkangestein reift, sammelte Vollherbst etwas Vulkangestein, mörserte es und mischte es in den Lack für das Etikett.

Stein im Lack: Das Etikett für diesen Weißburgunderaus dem Kaiserstuhl spielt mit der Regionalität des Produkts. Unter den Lack mischte Vollherbst etwas ortstypisches Vulkangestein. Gedruckt ist das Label auf dem FSC-­zertifizierten Papier Fasson Martele Blanc.

Umweltfreundliche Label: Den ganzen Prozess im Blick

Neben der Wahl der Materialien gibt es noch andere Stellschrauben für mehr Nachhaltigkeit im Etikettendesign. Phillip Schoeni rät, die Formate zu überprüfen, um das Material bestmöglich auszunutzen, und Bestellungen zu sammeln, nicht mal hier 1000 und da 500 Labels zu ordern. Das spare Kosten, schließlich könnten umweltfreundliche Varianten nur mit herkömmlichen Lösungen konkurrieren, wenn sie nicht deutlich teurer seien.

So klein Etiketten auch sind, ihr Einfluss auf die Entsorgungs- und Recyclingfähigkeit einer Verpackung ist groß. Mit biologisch abbaubaren Labels auf einer Verpackung lässt sich diese im Ganzen kom­postieren. Und Etiketten, die sich im Recyclingprozess einfach und sauber von PET-Verpackungen entfernen lassen, erhöhen den bislang viel zu geringen Anteil an hochwertig recyceltem Plastik.

Glänzende Alternative: Eine Alternative zur herkömmlichen Heißfolienprägung ist die EcoLeaf-Technologie, bei der der Auftrag der Metallic-Partikel partiell erfolgt und die so Material und Abfall sparen kann. Gedruckt ist dieses Muster von Vollherbst auf Fasson Martele Blanc, eine echte Anwendung der recht neuen Technologie gibt es noch nicht.

Dieser Artikel ist in PAGE 06.2022 erschienen. Die komplette Ausgabe können Sie hier runterladen.

PDF-Download: PAGE 6.2022

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