
So lassen sich Etiketten nachhaltig produzieren
Etiketten geben einem Produkt oder einer Verpackung ein Gesicht. Neue Materialien bieten jetzt die Möglichkeit, Labels konsequent umweltfreundlich zu gestalten
Zweites Element ist das Trägerband (oder Liner), das bei Selbstklebeetiketten den Klebstoff und das Obermaterial trägt. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Selbstklebe- und Nassleimetiketten: Bei Ersteren ist der Bedruckstoff bereits mit Kleber versehen, bei Letzteren trägt man ihn erst beim Etikettieren auf, deshalb braucht diese Variante keinen Liner. »Bei Vollherbst machen heute rund 70 Prozent die flexibleren, weniger arbeitsaufwendigen Selbstklebeetiketten aus. Sie bieten mehr Freiheit in der Formatgestaltung, eine Vielzahl an Bedruckstoffen sowie eine größere Bandbreite an Veredelungsoptionen«, so Kommunikationsdesigner Phillip Schoeni, der als Gestalter bei Vollherbst arbeitete, bevor er in den Außendienst wechselte.

Beim Trägerband gibt es Sorten aus Papier und aus PET (Polyethylenterephthalat). Für Schoeni ist tatsächlich PET die etwas nachhaltigere Alternative: »Es lässt sich einfacher vom Papier trennen, somit besser recyceln und in den Kreislauf zurückführen. Etwa mit dem Ad-Circular-System von Avery Dennison. In einem Behälter sammeln wir die Liner-Reste. Sobald dieser voll ist, wird er abgeholt und der Inhalt wiederverwendet.« Und es gibt auch die Möglichkeit, von vorneherein recyceltes Trägermaterial zu nutzen.
Richtig kleben und drucken
Bei den Klebstoffen als drittem Bestandteil unterscheidet man zwischen nicht ablösbaren aus Acryl oder Kautschuk und ablösbaren, die in der Regel aus Acryl bestehen. Wer wie manche Weingüter ein eigenes Mehrwertsystem hat, kann mit wasserlöslichem Kleber versehene Etiketten rückstandslos von den leeren Flaschen waschen und diese wiederverwenden. Doch auch bei Etiketten für PET-Verpackungen ist es sinnvoll, dem Kleber ein paar Gedanken zu widmen. Avery Dennisons CleanFlake-Klebstoffe etwa sorgen dafür, dass sich Etikett und Klebstoff während des Recyclings sauber von der PET-Verpackung trennen lassen – und so für hochwertiges Rezyklat sorgen.
Acrylklebstoffe haben eine gute UV-Beständigkeit und halten auch bei hohen Temperaturen, vor allem auf glatten Flächen. Kautschuk-basierte bieten eine hohe Flexibilität besonders bei der Verklebung auf rauen und unebenen Oberflächen. Beide Materialien enthalten sehr wenig Chemie und keine Lösungsmittel, sind also recht umweltverträglich.
Wer nachhaltige Labels gestalten möchte, sollte zudem keine Druckfarben – die vierte Komponente – mit Blei, Kadmium, Quecksilber, Chrom, Mineralöl oder Schwermetallen nutzen, sondern pflanzenbasierte Varianten. Übrigens gibt es alle Bestandteile eines Etiketts auch ohne tierische Inhalte – vegan produzierten Labels steht also nichts im Wege.

Bedruckstoffe aus Hanf und Traubenresten
Besonders fleißig bei der Erfindung neuer Bedruckstoffe ist Avery Dennison, ein US-amerikanischer Hersteller von Selbstklebematerialien. Im Sortiment gibt es welche aus 95 Prozent Zuckerrohr und 5 Prozent Hanffasern (Cane Fiber), aus reiner Baumwolle (Cotton White), mit 15 Prozent Trester (rCrush Grape) oder Zitronenschalen (rCrush Citrus). »Sehr interessant finden wir Materialien mit Hanf, da dieser deutlich längere Fasern als Zellstoff hat und sich so häufiger recyceln lässt«, sagt Phillip Schoeni. »Außerdem sind solche Bedruckstoffe schön stabil und haben eine tolle Haptik.«

Die VPF Veredelungsgesellschaft für Papiere und Folien entwickelte kürzlich das reine Hanfpapier von Gmund zu selbstklebenden, 120 Gramm starken Etiketten weiter. Das Material ist so neu, dass es leider noch keine Anwendungsbeispiele gibt. Aus der Kooperation von Gmund und Avery Dennison entstand die Graduate Collection mit vier weißen, ungestrichenen und strukturierten Papieren aus 50 Prozent Post-Consumer Waste. »Das Gute an all diesen etwas besonderen Sorten ist, dass man sie auch in geringeren Mengen bestellen und nicht nur im Offset, sondern auch im Digitaldruck bedrucken kann. So kommen sie auch für kleine Auflagen infrage«, erklärt Phillip Schoeni.
Avery Dennison bietet auch Bedruckstoffe aus 100 Prozent Recyclingfasern an. Diese sollen sich in Aussehen, Haptik und Leistung nicht von herkömmlichen Materialien unterscheiden und nassfest sein, also auch für Wein, Spirituosen oder Craftbeer taugen, wo die Etiketten ja schon mal feucht werden können.

Nachhaltige Etiketten: Alternativen zu Zellstoff
Spannend sind aus nachhaltiger Sicht Etiketten aus der schnell wachsenden Silphie-Pflanze, die von Herma hergestellt und unter anderem von der Druckerei Etiket Schiller verarbeitet werden – die im Übrigen auch Labels aus Gras-, Recycling- oder Baumwollpapier anbietet. Der Anteil der Silphie-Fasern in den Etiketten beträgt momentan 35 Prozent. Der Nachteil: Sie sind nicht nassfest, eignen sich also nicht für Getränkeflaschen. In trockener Umgebung, etwa auf Kaffee- oder Teeverpackungen, sorgt die unbehandelte Oberfläche des Materials für ein natürliches Aussehen und eine ebensolche Haptik. Graspapier, das sich ebenfalls für Etiketten verwenden lässt, kann besser mit Feuchtigkeit umgehen, weil es nicht ganz so fest und dick ist.

Das sogenannte Steinpapier ist eigentlich keines, denn es besteht aus Schneideabfällen, die zum Beispiel bei der Marmorverarbeitung anfallen. Dieser Gesteinsstaub wird zusammen mit recyceltem PE verschmolzen. Der daraus entstehende Bedruckstoff hat eine samtige Oberfläche und ist relativ resistent gegen Feuchtigkeit. »Steinpapier ist auf jeden Fall nachhaltig, für seine Herstellung werden keine Bäume gefällt, man benötigt kein Wasser und keine optischen Aufheller«, sagt Phillip Schoeni. Recycling von Steinpapier ist fast unendlich möglich. Man kann es immer wieder einschmelzen und neues Material daraus herstellen. Die Entsorgung sollte dementsprechend über den Gelben Sack erfolgen.

Nachhaltig und regional veredeln
Für Veredelungen gilt dasselbe wie für andere Drucksachen auch. Normale Farben sind besser als Neon- oder Metallicfarben, Prägungen besser als Lack. Manchmal allerdings lohnt ein zweiter Blick: »Relieflacke beispielsweise sieht man bei Etiketten ja recht häufig«, sagt Phillip Schoeni. »Und eine vor sich hinglänzende, erhabene Lackschicht wirkt zwar schon sehr künstlich, aber sie entsteht im Siebdruck. Das heißt, man rakelt den Lack auf das Etikett und alles, was für den partiellen Auftrag nicht verwendet wird, kann für den nächsten Job zurück in die Dose. Es gibt quasi keine Materialverschwendung.« Bei einer Heißfolienprägung werden zwar Metallicpartikel übertragen, aber in sehr geringer Stärke. »Wichtiger als so eine Veredelung zu verdammen ist es, den Platz auf der Folie wirklich auszunutzen, um wenig Abfall zu haben.«
Deutlich weniger Material als konventionelle Metallisierungsverfahren verbraucht die EcoLeaf-Technologie der Actega Metal Print GmbH. Sie überträgt Metallpigmente mittels Lack auf das Etikett, Prägefolien sind somit in diesem Verfahren überflüssig. Als weltweit erste Etikettendruckerei testet Vollherbst EcoLeaf gerade für Wein- und Spirituosenetiketten. »Wir sehen sie als zukunftsorientierte Ergänzung zu bestehenden Technologien, die Material und Abfall sparen kann und zudem mehr metallische Farbtöne bietet«, sagt Schoeni.
Wer etwas ganz Besonderes möchte, kann bei Vollherbst sogenannte craftLabels wählen, bei denen Relieflack regionaltypische Bestandteile zugesetzt werden. Für den Weißburgunder der Winzergenossenschaft Achkarren etwa, der am Kaiserstuhl auf Vulkangestein reift, sammelte Vollherbst etwas Vulkangestein, mörserte es und mischte es in den Lack für das Etikett.

Umweltfreundliche Label: Den ganzen Prozess im Blick
Neben der Wahl der Materialien gibt es noch andere Stellschrauben für mehr Nachhaltigkeit im Etikettendesign. Phillip Schoeni rät, die Formate zu überprüfen, um das Material bestmöglich auszunutzen, und Bestellungen zu sammeln, nicht mal hier 1000 und da 500 Labels zu ordern. Das spare Kosten, schließlich könnten umweltfreundliche Varianten nur mit herkömmlichen Lösungen konkurrieren, wenn sie nicht deutlich teurer seien.
So klein Etiketten auch sind, ihr Einfluss auf die Entsorgungs- und Recyclingfähigkeit einer Verpackung ist groß. Mit biologisch abbaubaren Labels auf einer Verpackung lässt sich diese im Ganzen kompostieren. Und Etiketten, die sich im Recyclingprozess einfach und sauber von PET-Verpackungen entfernen lassen, erhöhen den bislang viel zu geringen Anteil an hochwertig recyceltem Plastik.

Dieser Artikel ist in PAGE 06.2022 erschienen. Die komplette Ausgabe können Sie hier runterladen.