Bionic Reading App: mit individualisierbarer Typografie schneller lesen?
Die Satz-Methode des Schweizer Typografen Renato Casutt gewann einen German Design Award. Aber was steckt dahinter?
Schriftgröße, Zeilenabstand, Fontauswahl, Laufweite und Satz – die typografischen Details machen den Unterschied zwischen einem gut lesbaren und einem unverständlichen Text. Aber kann Typografie auch dabei unterstützen, Texte schneller zu erfassen?
Das versucht der Schweizer Type-Designer Renato Casutt mit seiner Bionic Reading App, die nicht nur auf TikTok viral gegangen ist, sondern auch einen German Design Award 2023 gewann.
Typografie neu gedacht
Bionic Reading begrüßt Nutzer:innen mit einem schlichten Interface und lässt sich als Web-App im Browser, als Chrome-Extension oder mobile App aufrufen. Sie ist dazu gedacht, lange Texte leichter lesbar zu machen und ruft Text aus Uploads, direkt eingefügten Inhalten aus der Zwischenablage oder von einer Web-URL ab.
Diese können Leser:innen anschließend individuell anpassen. Die Besonderheit: Bionic Reading setzt auf die Schnelligkeit unseres Gehirns. Das kann nämlich Worte erfassen, wenn wir bereits wenige Buchstaben gelesen haben, da diese ständig mit unserem bestehenden Wortschatz abgeglichen werden. Die Bionic Reading App soll diesen Prozess des Verstehens beschleunigen, indem sie die Anfangsbuchstaben der Wörter fettet und so künstliche Fixpunkte schafft, an denen sich das Auge entlanghangeln kann.
Mit der Bionic Reading App kann man die Fettungen am Wortanfang individuell einstellen, Satz und Schriftart anpassen, oder Farbeinstellungen am Text vornehmen. Außerdem lässt sich die Sakkade, also der Abstand zwischen Fixpunkten einstellen, sodass Leser:innen selbst bestimmen können, wie schnell sie durch den Text springen wollen. Anschließend kann man den Text als PDF, EPUP und Amazon Kindle Format exportieren.
Bionic Reading und Neurodiversität
Laut Bionic Reading soll diese typografische Methode auch neurodiversen Leser:innen helfen können, lange Texte leichter zu erfassen. Allerdings lässt sich das nicht generell sagen, da die Ausprägung von Lese-Schwierigkeiten beispielsweise bei Menschen mit Dyslexie oder ADHS stark variieren kann.
Bionic Reading liefert hierfür keine wissenschaftlichen Nachweise oder Studien, steht aber im regen Austausch mit ihrer Community und geht offen mit Feedback um. Während einige Nutzer:innen von deutlich verbesserter Lese-Experience berichten, scheint die Methode für andere nicht zu funktionieren, oder für mehr Lese-Fehler zu sorgen, da falsche Wörter eingesetzt werden.
Dennoch eröffnet die Idee von individualisierbarem Text spannende Möglichkeiten im Design um verschiedene Lese-Bedürfnisse zu erfüllen. Habt ihr bereits Erfahrungen mit Bionic Reading gemacht?
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