Zeit Magazin: Kein Cover als Kunst von Tino Sehgal?
Hält man mit der Ausgabe des Zeit Magazins, das heute erscheint, etwa ein Kunstwerk in der Hand? Auf jeden Fall hat es Kunst-Star Tino Sehgal mit gewohnt hintergründiger Bravour gestaltet.
Sie war einer der Höhepunkte der letzten Documenta in Kassel: Die Arbeit von Tino Sehgal mit der er einen Raum in einem Hinterhof in der Kasseler Innenstadt bespielte und das mit Tänzern, die im Stockdusteren um einem herumtanzten, rhythmisch stampften und einen in ganz andere Dimensionen versetzten.
Genauso besonders war es, als er im Guggenheim Museum in New York alle Kunstwerke heraus räumen ließ und statt dessen Bewohner der Stadt in der Rotunde platzierte, die sich kreisförmig nach oben windet. Diese befragten einen zu Befindlichkeiten und gesellschaftlichen Problemen – und je höher man stieg, desto älter wurden sie. Standen unten Kinder, waren es oben Senioren …
Fotos gibt es von seinen Arbeiten keine, Videos sind untersagt, Tonaufzeichnungen ebenso und auf Katalogtexte legt der Künstler Tino Sehgal genauso wenig Wert wie auf Abbildungen seiner eigenen Person.
Sein gesamtes Werk, stark beeinflusst vom Tanz und von Regisseuren wie Einar Schleef und Christoph Schlingensief, setzt auf die Vergänglichkeit, schafft Situationen, wie er seine Performances nennt und Arbeiten, die nur im Moment ihres Stattfindens existieren.
Tino Sehgal ist nicht der erste Künstler, den das Zeit Magazin bat, dessen Doppelcover zu gestalten. Elizabeth Peyton, Marlene Dumas oder Thomas Demand haben es vor ihm getan. Doch natürlich ist man bei ihm besonders gespannt, wie er im Sinne seines Werk reagiert, wie er dem Papier das Flüchtige und den Prozess seiner Arbeiten abringt – und es entstand eine Interaktion auf Papier, dargelegt in einem Magazin, das diesmal kein Cover hat.
Dafür bat er den Chefredakteur Christoph Amend in Textform und sehr persönlich auf die Frage »Wann hattest du ein Gefühl der Ankunft?« zu antworten.
Immer wieder ging der Text, der sich um die Liebe und die Begegnungen in »Lost in Translation« dreht, um Anfänge und um Unvorhergesehenes, hin- und her, immer wieder musste Christoph Amend ihn überarbeiten, bis Tino Sehgal schließlich zufrieden war …
Ist das Nicht-Cover jetzt trotzdem ein Cover? Weil es zwar direkt einsteigt in das Heft, aber immerhin die erste Seite ist? Und eine geheimnisvolle dazu. Ist das aktuelle Zeit Magazin Kunst? Ein Tino Sehgal’scher Prozess? Eine seiner Situationen die durch das Magazin ausgelöst wird?
Christoph Amend ist davon überzeugt.
»So hat Sehgal mit dieser Arbeit wieder eine Situation geschaffen. Die Schutzhülle fehlt und löst eine Reaktion aus. Und erstmals gibt es nun ein Objekt in seinem Werk. (…) Oder auch nicht – je nach Betrachtungsweise.«
So viel Tino Sehgal zum Festhalten, zum Einrahmen und Besitzen gab es bisher auf jeden Fall noch nicht …
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