Ob Corporate Design, Markenkommunikation, Digital Product Design oder Datenvisualisierung: Die Projekte werden immer umfangreicher und komplexer. Wie man trotzdem den Überblick behält
Die Digitalisierung hat dafür gesorgt, dass Markenkommunikation und Corporate Design in den letzten fünfzehn Jahren wesentlich komplexer geworden sind. Zig neue Touchpoints, die gestaltet werden müssen, unzählige Kanäle, jeder mit eigenen Anforderungen an Inhalt und Format. Deshalb ist es heute wichtig, als Kommunikationsdesigner nicht mehr medienorientiert zu denken, sondern lösungsorientiert, so Patrick Wachner, Founder und Managing Director von Elevate in München. »Was ist das Problem des Kunden? Was will er mit einem Rebranding erreichen? Das sind sehr vielschichtige und breit gefächerte Fragestellungen.«
Die Vorarbeit für derart umfangreiche Projekte wird immer entscheidender. Marktanalysen, Nutzerinterviews und Markenworkshops mit den Kunden sind notwendig, um eine gute Basis für Designlösungen zu schaffen. »Kein Design ohne Beratung«, lautet die Devise von Patrick Wachner. Vor allem in den Workshops setzen die Designer von Elevate auf ihre Fähigkeit, komplexe Sachverhalte verständlich zu visualisieren. Dabei sei Vereinfachung aber nur bedingt sinnvoll, warnt er: »Man kann nicht alles auf einem PowerPoint-Chart oder in einem Vier-Quadranten-Modell abbilden. Zu starke Vereinfachung birgt die Gefahr, dass man zum Beispiel wichtige Stakeholder übersieht oder bestimmte Rückkopplungseffekte nicht antizipiert.«
Einfachheit nur um der Einfachheit willen ist also nicht ratsam. Für das Ergebnis gilt das allerdings nur bedingt: Kunden fordern von ihren Agenturen vermehrt eine einfache Anwendbarkeit der entwickelten Designkomponenten, weshalb Brandportale und Designsysteme einen starken Aufschwung erleben. »In den meisten Briefings steht heute, dass Kunden sich eine Toolbox wünschen«, sagt Irmgard Hesse, Inhaberin der Design- und Brandingagentur Zeichen & Wunder in München. »Sie wollen einen übersichtlichen Werkzeugkasten, mit dem man für alle Anwendungsfälle gewappnet ist – also schlüssige Gestaltungssysteme statt Einzellösungen.« Das klingt logisch und einfach – aber dahinter steckt ein aufwendiger und komplexer Prozess.
Projektmanagement als Schlüsselkompetenz
Um solch anspruchsvolle Aufgaben lösen zu können, braucht es laut Patrick Wachner immer mehr Generalisten, die das große Ganze im Blick behalten und eng mit den jeweils benötigten Spezialisten zusammenarbeiten. Das muss gut gesteuert werden.
»Wir widmen dem Prozess deutlich mehr Aufmerksamkeit als früher«
sagt Irmgard Hesse. Je komplexer Projekte sind, desto wichtiger ist ein gutes Projektmanagement. Bei Zeichen & Wunder hat die Zahl an Projektmanagern in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Heute bestehen die Team-Leads aller Projekte jeweils aus einem Designer und einem Projektmanager. Letztere sind nicht nur dafür zuständig, Zeitpläne zu erstellen und für deren Einhaltung zu sorgen, sondern stellen auch die erforderlichen Ressourcen zur Verfügung. Sie müssen ein offenes Ohr für Kunden genauso wie für Mitarbeiter haben und auf Probleme schnell und flexibel reagieren. Entsprechend geht es nicht nur um Organisationstalent, sondern auch um Soft Skills wie Einfühlungsvermögen und Führungskompetenz.
In kleineren Agenturen und Designabteilungen in Unternehmen ergibt sich der Bedarf an Projektmanagement oft erst nach und nach, wenn die Aufträge größer und komplexer werden. Nicht wenige Designer übernehmen mit zunehmender Erfahrung diese Position. Bei Zeichen & Wunder bringen die Projektmanagerinnen verschiedene berufliche Hintergründe mit – von Sport-, Kultur- und Eventmanagern über Diplombetriebswirtinnen bis zu freien Filmschaffenden ist alles vertreten. Das Wissen über Grundlagen, Methoden und Modelle des Projektmanagements lässt sich gut in Weiterbildungen und Onlinekursen erlernen. Und natürlich spielt die richtige Software eine große Rolle: Projektmanagementtools wie Asana, Trello oder Jira erleichtern es, Aufgaben klar zuzuordnen und in einer Timeline festzuhalten, um sie dann sukzessive durchzugehen.
Agil gegen komplex
Eine weitere Option, auf die gestiegene Komplexität kreativer Projekte zu reagieren, ist agiles Arbeiten. Ursprünglich in der Softwareentwicklung entstanden, finden agile Frameworks wie Scrum oder Kanban zunehmend den Weg in Unternehmen und Agenturen aus anderen Bereichen. Grob gesagt geht es dabei vor allem darum, große Projekte in viele kleine Schritte aufzuteilen und diese nach und nach abzuarbeiten, und zwar in iterativen Schleifen mit fest eingeplanten regelmäßigen Feedbackrunden.
Set-up klar ist und die Umsetzung beginnt«, sagt Alina Schlaier, Design Director bei der Kölner Digitalagentur denkwerk. Sie und ihr Team beginnen Projekte grundsätzlich mit Kundenworkshops, um die strategische Richtung festzulegen. Erst dann geht es an Logistik und Ressourcenplanung: Was sind die Abläufe beim Kunden? Wer sind die wichtigsten Ansprechpartner? Wie viele Mitarbeiter muss man für das Projekt einplanen? Et cetera. Im nächsten Schritt erarbeitet die Agentur einen Designentwurf. Erst, wenn diese drei Phasen durchlaufen sind, was laut Alina Schlaier circa drei Monate dauert, startet die agile Umsetzung. »Das Grundgerüst muss stehen, bevor wir in den agilen Prozess übergehen. In diesem Rahmen kann man dann zügig auf eventuelle Veränderungen reagieren.«
Wichtig sei für eine möglichst leane – also schnelle und unkomplizierte – Vorgehensweise zudem, dass die Teams autonom agieren können. Um dies zu gewährleisten, arbeiten in den denkwerk-Teams überwiegend Senior Designer: »Wenn man sämtliche Entscheidungen von oben abnicken lassen muss, dauert der Prozess viel zu lange. Deshalb besetzen wir die Teams mit erfahrenen Gestaltern mit entsprechender Entscheidungskompetenz.« Das bedeute zwar höhere Personalkosten, garantiere aber einen schnellen und reibungslosen Prozess.
Grundvoraussetzung für eine agile Arbeitsweise ist allerdings, dass der Kunde das Konzept ebenfalls verstanden hat und sich komplett darauf einlässt. Manche Auftraggeber sind diesbezüglich aber auch schon weiter als ihre Agenturen – siehe den Case weiter unten. In jedem Fall gilt: Agile Prozesse sind kein Heilsversprechen. Bei jedem Projekt muss man neu entscheiden, welche Herangehensweise sinnvoll ist. Fest steht allerdings, dass eine Aufteilung in Einzelschritte bei umfangreichen Projekten sehr hilfreich sein kann – vorausgesetzt natürlich, die Kommunikation stimmt.