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Warum Lamborghinis neues Logo durch den TÜV fällt

Was für ein widerspenstiger Stier! Seit mehr als sechzig Jahren nimmt das Logotier von Lamborghini Designer:innen auf seine Hörner. Dabei hätte die Luxusmarke jetzt die Chance gehabt, das zu ändern. Eine Designkritik von Norbert Möller

Warum Lamborghinis neues Logo durch den TÜV fällt Ich werde in meinem Leben wohl nie in einem Lamborghini sitzen. Weil ich ihn mir nicht leisten kann, aber auch, weil mir schlicht die Gier danach fehlt: Es gibt Designer:innen, die von sich behaupten, sie hätten Benzin im Blut – das kann ich von mir nicht sagen. Autos sind für mich Fortbewegungsmittel, und wenn es Alternativen gibt, dann nutze ich diese gerne. Wenn es sie nicht gibt, bringt mich mein 35 Jahre alter Mercedes überall hin.

 

Dieser Pragmatismus ist weit entfernt von der Welt von Lamborghini. Die Sportwagen der Marke sind Luxusgüter, Statussymbole und so stark motorisiert, dass sie im Alltag kaum ausgefahren werden können. Es geht also über Grenzen hinaus – und dazu passt die Mission, unter die Lamborghini seinen neuen Markenauftritt gestellt hat: »Driving Humans Beyond«. Unberechenbar, mutig und authentisch wolle man sein, teilt das Unternehmen mit. Normen und Konventionen überwinden.

Das Unberechenbare zeigt sich berechenbar

Bei so großen Worten wächst die Befürchtung, Lamborghini könnte sich zu einem radikalen Bruch mit der Vergangenheit entschließen, doch statt Unberechenbarkeit offenbart Lamborghini große Verlässlichkeit und Konstanz. Der Stier im Wappen, ein zweifelsfrei wertvolles Asset mit hoher Wiedererkennbarkeit, bleibt erhalten und wird nur behutsam weiterentwickelt: Das Bildzeichen ist jetzt flat gezeichnet, der Schriftzug leicht überarbeitet und das vorher glänzende Gold ist nur noch eine Akzentfarbe. In den Kommunikationskanälen darf der Stier zudem aus dem Schild herausgelöst werden und erscheint dann in Schwarz und Weiß.

Fehler bleiben Fehler

Alles gut, also? Ganz im Gegenteil! Wäre das Logo ein Auto, wäre es nicht durch den TÜV gekommen. Die Anforderungen an Qualität und Perfektion, die ein Sportwagenhersteller an seine eigenen Produkte hat, erfüllt es nämlich nicht.

So richtig es ist, den Stier als ikonisches Element beizubehalten, so unverständlich ist es, dass man nicht die Fehler ausbügelt, die er seit jeher hatte: Es war immer schon schlecht gezeichnet und hatte seltsame Details. Die frontale Ansicht eines angreifenden Stieres ist ungünstig für eine flächige Vereinfachung – und die Schwarzweißdarstellung reicht nicht aus, um die Tiefen in der Perspektive darzustellen. Man versteht nicht, was Hintergrund und Vordergrund ist, die Körperhaltung ist zu komplex, die Hörner sind schlecht zu entdecken, man sieht alle vier Beine gleichzeitig, die sogar die gleiche Länge haben.

Es ist ein einziges Knäuel. Hinzu kommt, dass es unterschiedliche Vektordarstellungen auf Weiß und auf Schwarz gibt, somit also auch unterschiedlich gezeichnete Stiere.

Dabei hätte man gut bei der dreidimensionalen Darstellung des Stieres bleiben können. Ja, flat liegt im Trend – aber hier funktioniert es halt einfach nicht. Daher: Lieber in die Vollen gehen, mit einem präzise gezeichneten Stier voller Details. Die Auflösungen digitaler Medien schaffen solche Darstellungen doch mittlerweile problemlos. Und ich glaube, die Zielgruppe hätte an einem opulent gezeichneten Tier auf dem Kühlergrill sicher auch mehr Spaß als an einer flächigen Variante mit Pseudo-Goldglanz.

 

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Vollgas gegen die Mauer

Neben dem Logo gibt es als weiteren wichtigen Brandcode eine neue Schrift namens Lambotype. Eine, die – so verrät uns die PR-Abteilung von Lamborghini – »unmissverständlich die Kanten und Linien der Fahrzeuge aufgreift und im vollkommenen Einklang mit der Designsprache des Autobauers aus Sant’Agata Bolognese steht.« Das Sechseck und Y-Formen sind laut Lamborghini typische Designmerkmale und tatsächlich gibt es ein paar schöne Details in der Schrift, die ungewöhnlich und kantig sind. Als Variable Font bietet die Schrift unterschiedlichste Laufweiten, Strichstärken und damit auch Einsatzmöglichkeiten.

Dass sie in den kommunikativen Umsetzungen vorwiegend mit extrem fetten, condensed gepressten Buchstaben verwendet wird, finde ich sehr schade: So fehlt es ihr an Speed und Eleganz. Sie wirkt massiv, starr, fast wie eine Mauer, gegen die ich eigentlich nicht fahren möchte. Nicht mit meinem 35 Jahre alten Mercedes – und erst recht nicht Vollgas im Lamborghini.

Norbert Möller ist seit 2003 Executive Creative Director der Peter Schmidt Group(Text: Norbert Möller, Executive Creative Director der Peter Schmidt Group)

Dieser Artikel erschien zuerst bei W&V, dem führenden Magazin für die Marketingbranche. W&V bietet Markenmacher:innen Wissen, Trends, Weiterbildung und Inspiration aus einer Hand. Schau doch mal bei W&Vvorbei!

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