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Visuelle Trends in Design, Werbung, Medien

Ab sofort im Handel: PAGE 02.2015

Editorial: Blickwechsel

»Herzlich willkommen in der Augmented Reality!« O ja, mit diesen Worten begrüßte jüngst die »Vogue« ihre Leser zur umsatzstärksten Ausgabe seit Launch des Titels. Im September läuten Modemarken traditionell die Herbst/Winter-Saison ein. Kein Wunder also, dass auch das September-Issue der deutschen »Vogue« etwas Besonderes war. Und ebenso kaum verwunderlich, dass sich die Redaktion genau diese Ausgabe ausgeguckt hatte, um ihr Magazin erstmals mit AR-Inhalten anzureichen: »[Smartphone] einfach draufhalten, und schon beginnt der Film«.

Aber wozu? Weil es angesagt ist? Weil heute nichts mehr ohne Smartphone geht? Vor zwei Jahren stellte ich den Augmented-Reality-Hype schon einmal infrage: »AR – Mode oder relevanter Trend?« Damals feierte die US-»Vogue« die stärkste Ausgabe ihres Bestehens. Doch AR-Marker suchte ich in ihr vergebens. Und auch, dass Models, mit Googles AR-Brille Glass ausgestattet, über den Laufsteg defilierten, war mehr als PR-Gag denn als Indiz für das nächste große Ding zu werten.

Erst seit Kurzem erproben sich Agenturen an Kommunikationsideen für Wearables: Bei der Präsentation des BMW i8 zum Beispiel konnte man mit Google Glass die neuen Features animiert direkt an der Karosserie studieren. Und auch für Smartwatches werden wir noch völlig neue Anwendungen entwickeln. Keine klassischen Werbe-Apps, sondern Mehrwert stiftende Services, die durch ihre besondere Nä he zum Nutzer fast ohne Interaktion auskommen. Schließlich schnallen wir uns diese Devices nicht ums Handgelenk, um noch ein Display mehr im Blick haben zu müssen.

Doch die Fashionshows von heute, sie können da rauf bauen, dass die Zuschauer das Geschehen auf dem Catwalk durchs Smartphone verfolgen, um – klick, klick, klick – die Entwürfe sogleich ins Internet zu stellen. Modeschöpfer richten ihre Kollektionen schon gar nicht mehr nach künstlerischen Gesichtspunkten aus, sondern im Hinblick auf die Reproduzierbarkeit im Web. Ob die Modelle ankommen oder nicht, das entscheiden allein die Communitys im Netz: Die neue Konsumentengeneration sammelt ihre Looks auf Instagram und Co. Ihr Motto: Liken statt shoppen, online repräsentieren statt besitzen! Ja, die sogenannten Fauxsumerists nehmen Mode erstmals rein digital und vor allem selbstbestimmt wahr. Und auch wenn das Handy dabei eine entscheidende Rolle spielen mag, erübrigt sich damit nicht erneut die Frage, ob die AR-Anreicherung eines Modemagazins mit dem Titel »Shoppinglust« überhaupt en vogue sein kann? – Trends in Design, Werbung, Medien, siehe Seite 16 ff.

Gabriele Günder,
Chefredakteurin/Publisher

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