Im Rahmen der neuen Visual Identity rollte Twitter sein erstes größeres Interface-Update aus und erntet nun Kritik von allen Seiten – mal wieder.
Wo verstecken sich eigentlich all die Memes zu den ewig gleichen Kritiken bei jedem UI-Redesign von Twitter?! In den letzten 15 Jahren waren das mehr als genug – mal kleiner, mal größer – und jedes Mal war sich die Community höchstens darüber einig, dass Twitter schon wieder die falschen Annahmen getroffen hatte, was die Nutzer:innen sich eigentlich wünschen und brauchen.
Twitter Redesign – wie immer nur schlimmer
So auch diesmal, nur schlimmer. Sollte das neue Design doch besonders zugänglich sein, scheint es nun, als habe man es vorher offenbar nicht intensiv genug an einem repräsentativen Querschnitt getestet. Die proprietäre Schriftart Chirp, die bei Dyslexie besser lesbar sein soll, höhere Kontraste, denen unter anderem ein neuer schwarzgefüllter Folgen-Button zu verdanken ist, und insgesamt mehr Weißraum, können bei Autisten und sensorisch empfindlichen Menschen zu übermäßiger Augenbelastung, Kopfschmerzen und sogar Migräne führen. Na, danke!
…we embarked upon building a creative design system that’s intentionally imperfect.
»Wir sind aufgebrochen, um ein kreatives Designsystem zu entwickeln, das bewusst unvollkommen ist.« Donnar Lamar, Global ECD bei Twitter
Auch wenn man selbst nicht betroffen scheint, sind Wahrnehmung und Feedback dieser höchst diversen Nutzergruppen doch entscheidend für breit zugängliche und angenehm konsumierbare Inhalte. Aus UI-Sicht wirkt der farblich gegensätzliche gestaltete Buttonstatus mindestens verstörend, die übrigen Änderungen aber eher marginal im Vergleich zu früheren Updates.
Twitters Lektionen in Sachen Accessibility
Twitter holte kurz nach dem Launch der Änderungen– und das ist neu und ungewöhnlich, aber getreu den frisch veröffentlichten Visual Principles – weiteres Feedback in der Community ein. Die wird jetzt erst recht sauer, weil sie Screenshots schießen (von was, ihren Sehstörungen oder den Kopfschmerzen?) und den Designern kostenlose Nachhilfe in Dyslexie und Accessibility (A11y) erteilen soll. Naja, nichts kommt von ungefähr und Twitter kündigt inzwischen an, die gröbsten Fehler (Kontrast und Schrift) beheben zu wollen.
A11y 101 tip for you, Twitter: A11y is not a one size fits all. Different folks have different a11y needs. Actual a11y looks like choices. Include a few different sans serif font options and a contrast slider in settings. And test your fonts with disabled folx before implementing
Was Letztere angeht, so ist Leserlichkeit keine endgültige Größe, die man einfach nur durch eine bestimmte Schriftart erreichen könnte. Immerhin darüber sind sich sowohl Designer als auch Betroffene einig. Zwei Faktoren lassen die Chirp aber in ganz schlechtem Licht dastehen:
Erstens ist sie nahezu identisch mit der GT American – beide Fonts stammen von Grillitype – und zweitens reicht sie bisher über die lateinischen Schnitte nicht hinaus, was für ein globales Unternehmen kurzum nach einer Billiglösung statt einer tollen Accessibility aussieht. Stattdessen bietet sie ein gebrandetes Easter-Egg; es erscheint ein schwarzes Twittervögelchen, wenn man [CHIRPBIRDICON] eingibt. Wow.
Wem das alles zu anstrengend ist, kann über die Firefox-Einstellungen unter Sprache und Erscheinungsbild und den Erweitert-Button einfach die Custom Fonts auf Websites deaktivieren.
Design und Schein
Zurück zu den Memes. Nach 15 Jahren mit zahllosen unpopulären Redesigns gibt es natürlich viele lustige Anspielungen auf Kosten von Twitter, besonders was den langersehnten Edit-Button angeht, doch vergangenes Jahr holte der Dienst zum humorvollen Gegenschlag aus und verkündete, dass es diesen erst geben werde, sobald jeder eine Maske trägt.
You can have an edit button when everyone wears a mask
Bleibt jetzt nur abzuwarten, wie sich Designsystem und -Prinzipien tatsächlich weiterentwickeln. Immerhin setzte Twitter 2021 auch ohne Editiermöglichkeiten den positiven Trend der letzten Jahren fort und brach im Q2 die magische Grenze von täglich 200 Millionen monetarisierbaren Nutzer:innen.
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