Ein aussagekräftiges und auffindbares Portfolio zu gestalten stellt für viele Kreative eine hohe Hürde dar. Wir sagen, worauf es bei der Präsentation der eigenen Arbeit ankommt und was Art Buyer und Agenturkunden überzeugt. Außerdem geben wir Tipps, wie sich Case Studies effizient neben dem Tagesgeschäft erstellen lassen
»Coming soon« ist ein dehnbarer Begriff, der sich auf Portfolio-Websites von Kreativen nicht selten monate-, manchmal sogar jahrelang hält. Dabei ist die Notwendigkeit einer aktuellen Selbstdarstellung eigentlich jedem klar. Für Michael Bierut, Partner bei Pentagram, gibt es vor allem zwei Gründe: »Erstens dient sie als Archiv, und die Pflege dieses Archivs erlegt dem Entwurfsprozess eine gewisse Disziplin auf. Zweitens hilft sie potenziellen Mitarbeitern und Kunden zu verstehen, wie man arbeitet.«
Glaubt man den Fachleuten, steuern wir gerade auf wirtschaftlich schwierige Zeiten zu, einige Agenturen haben das Budget für Freelancerjobs bereits deutlich heruntergefahren – wohl dem, der sich mit seinem professionellen Portfolio gleich anderswo nach Aufträgen umschauen kann. Natürlich gibt es Kreative, die so bekannt und so gut gebucht sind, dass sie nicht notwendigerweise auf sich aufmerksam machen müssen. »Eine Website sollte allerdings jeder Designer haben. Denn auch die beste Auftragslage endet irgendwann. Aber vor allem öffnet man damit die Tür für Kunden und Projekte, an die man bislang noch gar nicht gedacht hat«, meint André Hennen. Der Kreativdirektor und Texter baute für seine Portfolio-Site zusammen mit befreundeten Kreativen eine »Lebende CI« – was ihm ziemlich viel Resonanz bescherte (siehe PAGE 03.17, Seite 66 ff.). Außerdem kümmert Hennen sich an der Hamburger School of Ideas ums Portfolio-Coaching (seine Tipps lesen Sie in Teil 2 dieser Story).
Es ist wohl ein bisschen so wie mit der Buchhaltung. Man weiß genau, dass man sie machen muss und sie bleibt trotzdem immer liegen. Zumindest so lange, bis das Finanzamt einen unsanft erinnert. Ans Portfolio erinnert einen keiner, Kundenjobs haben immer Priorität . . . Hinzu kommt, dass sich Designer selten mit einer 08/15-Lösung zufriedengeben und ihr Portfolio möglichst perfekt umsetzen wollen. Die Wiener Gestalterin Lisa Fleck schloss deshalb mit sich selbst einen Kompromiss: Sie entschied sich, auf ihrer Website erst mal von ausgewählten Projekten jeweils nur ein Bild und wenige Informationen zu präsentieren.
Social-Media-Profil als erster Schritt
Vielleicht muss es gar nicht gleich eine eigene Website sein, ein Instagram-Account und ein Profil auf Behance können erst mal reichen. Welches das geeignete Medium ist, hängt von der eigenen Ausrichtung und den gewünschten Kunden ab. Denn nicht alle nutzen dieselben Kanäle. Für Illustratoren ist Instagram Pflicht und oft wichtiger als eine eigene Website. »Für alle, die mitspielen wollen, ist ein Instagram-Auftritt notwendig, ich schaue mich dort viel um und lasse mich inspirieren«, sagt Kerstin Mende, Head of Art Buying bei Scholz & Friends und vor allem für Fotografen zuständig. »Auf Behance dagegen bin ich kaum, ich glaube nicht, dass das ein Muss ist. Für Fotografen kann es auch interessant sein, ihre Arbeiten auf CÆTCH oder GoSee zu veröffentlichen. Noch wichtiger finde ich wohldosierte und nicht zu umfangreiche Newsletter, etwa einen pro Quartal.« Pinterest als Portfolio-Tool erfährt im Vergleich zu Instagram eher weniger Beachtung. Dabei tauchen dort geteilte Inhalte auch in der Google Bildersuche auf und sorgen so für zusätzliche Sichtbarkeit. Das funktioniert bei Instagram nicht.
Wenn Gregor Schilling, Director Corporate Design bei der Robert Bosch GmbH in Stuttgart, auf der Suche nach Agenturen ist, die er zum Pitch einladen möchte, recherchiert er über die Fachpresse, schaut ganz klassisch in Jahrbüchern oder googelt auch schon mal bestimmte Stichworte. »Meist werfe ich auch einen Blick auf LinkedIn, gerade wenn ich international suche. Behance und Instagram sind dagegen weniger geeignete Quellen für uns, ich denke, dort findet man eher Freelancer als Agenturen.« Eine Facebook-Seite kann unter Umständen ebenfalls sinnvoll sein. »Damit erreicht man vor allem die etwas älteren Kreativen – und das sind häufiger die, die in der Agenturhierarchie weit oben stehen«, so André Hennen.
So geht's weiter
Template oder eigenes Webdesign?
Case Study gleich mitdenken
Nach dem Portfolio ist vor dem Portfolio
Pflege des Agentur-Portfolios: Gut organisiert
Portfolio von Illusatratorin: Gestaltungskonzept, das den Arbeiten gerecht wird
Minimalistisch: So sieht man mein Spektrum und meinen Stil
Das stimmt natürlich. Vielen Dank für den Hinweis, das haben wir geändert!
Im Text steht irgendwo „Quantität geht vor Qualität“. Das soll doch bestimmt andersrum.