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»Probleme ergeben sich oft, wenn Teams wachsen und die Struktur nicht mitwächst«

Mit dem Erfolg als Designstudio kommen auch viele Fragen: Wollen wir Mitarbeiter:innen einstellen? Und wie viele? Wie organisieren wir uns und unsere Prozesse? Wir sprachen mit Anke Peters über die wichtigsten Fragen, die sich Agenturgründer:innen stellen sollten.

Portrait von Coach Anke Peters

Anke Peters ist Coachin, Organisationsberaterin und Mediatorin in Hamburg mit einem Background in der Kreativbranche. Sie arbeitete unter anderem elf Jahre bei Springer & Jacoby, zuletzt als Head of Human Re­sour­ces und Mitglied der Geschäftsführung. Heute bieten sie und ihre Geschäftspartnerin Ann-Kristin Ruddies sys­temische Supervision, Organisationsentwicklung, Me­diationen und Coaching an. Wir sprachen mit ihr über die wichtigsten Fragen, die sich Agenturgründer:innen stellen sollten.

Was sind die häufigsten Themen, mit denen Geschäftsführer:innen zu euch kommen?
Anke Peters: Entwicklungsprozesse, Konflikte, Mitar­bei­terführung und gute Zusammenarbeit. Wobei man dafür erst mal definieren muss, was für einen selbst und für das eigene Unternehmen eigentlich »gut« bedeutet. Ge­nerell sind unternehmerische Entscheidun­gen sehr individuell, sie hängen immer von den jeweiligen Strukturen, Abläufen und den Charakteren der Ge­schäftsführenden ab.

Fangen wir mal mit der Führung an: Was muss man dabei beachten?

Vor allem muss man bei sich selbst anfangen. Wie will ich mit meinen Mitarbeitenden arbeiten? Welcher Führungstyp bin ich? Will ich beispielsweise alles kontrollieren oder meine Leute selbstständig arbeiten lassen? Davon hängt auch ab, wen ich überhaupt einstelle. Wenn ich ein Team von erfahrenen Designer:innen habe, kom­men sie ohne viel Anleitung zurecht. Manche stellen lieber junge Talente ein und bilden sie aus. Dann braucht es natürlich eine engmaschigere Führung. Was man jedenfalls nicht machen darf: einfach laufen lassen und hoffen, dass es klappt – ohne klare Ansagen kommt es zwangsläufig zu Missverständnissen. Klarheit und wie die Inhalte tatsächlich bei den Mitarbeitenden ankommen, sind oft die ersten Punkte, an denen wir arbeiten.

Gibt es allgemeine Grenzwerte, ab wann Zwischenebenen nötig werden?
Sieben Leute kann man gut im Blick haben – als sogenannte Direct Reports. Auch hier kommt es darauf an, wie erfahren und selbstständig sie sind und welche Auf­gaben sie haben. Spätestens ab 14 Mitarbeitenden ist es sinnvoll, Bereichsleiter:innen zu definieren. Sobald es unterschiedliche Erfahrungslevels im Team gibt, stellt sich eine gewisse Hierarchie ganz von selbst ein – De­sig­n­e­r:innen auf Mid- und Senior Level leiten zum Beispiel meist automatisch die Junior:innen mit an.

Braucht es dafür Berufstitel?
Nein, man kann auch gut Klarheit schaffen, indem man Aufgaben verteilt und Erwartungen definiert. Das geht besonders bei kleinen Teams sehr gut. Probleme ergeben sich oft erst, wenn Teams wachsen und die Struktur nicht mitwächst. Sobald eine neue Person dazukommt, sollte man die Rollen und Erwartungen explizit definieren. Das kann auch ein Anlass sein, regelmäßige Retros oder Status-Meetings einzuführen, um sich fortlaufend abzugleichen.

In der Kreativbranche sind autarke Teams derzeit ein Trend. Was ist dabei zu beachten?
Diese Art der Zusammenarbeit funktioniert besonders dann, wenn Teams gut eingespielt sind und sich nicht um Organisatorisches wie Personal oder Budgetplanung kümmern müssen. Man kann allerdings nicht erwarten, dass es einen großen Zusammenhalt als Firma gibt. Das ist allerdings auch nicht immer unbedingt notwendig. Dennoch ist es wichtig, sich regelmäßig auszutauschen, um Ziele, Werte, Qualitätssicherung und Arbeitsweisen der einzelnen Teams in Einklang zu bringen. Besonders, wenn neue Leute dazukommen, ist es hilfreich, darauf zu achten, dass man sie gut einbindet.

Damit sind wir bei einem weiteren wichtigen Thema: Wie sieht gutes Teamwork aus?
Entweder gibt man das als Leitung klar vor, oder die wesentlichen Aspekte werden transparent und gemeinsam mit den Mitarbeitenden definiert. Um die Zusammenarbeit frühzeitig und regelmäßig zu überprüfen, eignen sich zum Beispiel Retros, in denen man offen über Arbeitsabläufe und die Arbeitskultur reflektiert, Probleme anspricht und Lösungen sucht. Das Format wird häufig bei der agilen Softwareentwicklung eingesetzt, eignet sich aber für jede Form der Zusammenarbeit. Man muss das nicht jede Woche machen, aber es ist gut, regelmäßig von der Metaebene aus gemeinsam darauf zu schauen, wie ein Team miteinander agiert und welche Ergebnisse es erarbeitet. Dabei kann man auch nach dem Prinzip »Start, Stop, Continue« vorgehen: Was wollen wir neu einführen? Womit wollen wir aufhören? Was wollen wir beibehalten?

Wenn man so etwas noch nie gemacht hat, ist es hilfreich, sich zumindest beim ersten Mal von einem Profi anleiten zu lassen. Viele Teams müssen erst mal lernen, wie sie am besten in den Austausch kommen und wertschätzend miteinander sprechen können. Nämlich so, dass Feedback nicht als etwas Negatives wahrgenommen wird, sondern als eine Möglichkeit der Weiterentwicklung. Wenn man das einmal verstanden hat, kann man das Format selbstständig weiterführen. Natürlich gibt es zu dem Thema auch Bücher und Anleitungen – aber Metho­denwissen allein reicht nicht. Es geht dabei auch um eine Haltung und um das Wie. Ist das nicht verinnerlicht oder wird darauf nicht geachtet, kann das schnell nach hinten losgehen.

Wachstumsstrategien für Kreative und Designbüros

Das eigene Studio läuft, es kommen immer mehr Aufträge rein – und jetzt? Wachsen oder klein bleiben? Wollen wir Mitarbeiter:innen einstellen? Und wie viele? Wie organisieren wir uns und unsere Prozesse? Antworten und Tipps von Gründer:innen

Dieser Artikel ist in PAGE 08.2023 erschienen. Die komplette Ausgabe können Sie hier runterladen.

PAGE 08.2023

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