Im Mai findet in Berlin erneut the one and only Pictoplasma statt. Und das zum 20. Mal! Hier erzählen deren Macher Lars Denicke und Peter Thaler, wie das Character Design Festival einst ohne WiFi und im Café Moskau begann, was ihre Highlights waren – und warum jetzt erstmals jeder dabei sein kann.
Vom 1. bis 5. Mai ist es wieder so weit. Das Character Design und Art Festival Pictoplasma findet im silent green in Berlin statt.
Mit aufregenden Artists wie dem Animationskünstler Joe Bennett aus Los Angeles (»Scavengers Reign«), der britischen Illustratorin Hattie Stewart (hier im PAGE Interview), mit Bora Murmure, deren magische, queere und aktivistische Welten sich durch die unterschiedlichen Genres ziehen (Abb. oben), dem 3D-Artist und Regisseur Joseph Melhuish oder dem mexikanischen Künstler:innen-Duo Los Calladitos, die in ihren Murals von imaginären und von realen Menschen erzählen.
Sie gehören zu den zwanzig Artists, die ihr Werk, ihre Ideen und Strategien teilen, ihren Prozess, ihre Inspirationen und Arbeitsmethoden. Und das ist erstmals auch in einem Livestream zu sehen.
Viel Kunst – und Community
In vier Gruppenaustellungen an legendären Berliner Orten wie dem Verwalterhaus oder dem neurotitan werden während der Pictoplasma ihre Arbeiten zu sehen sein, dazu gibt es in täglichen Screenings die neuesten Animationen samt Q&A mit den Regisseur:innen, Panels und Diskussionen – und jeden Abend ein Fest in Institutionen wie dem ACUD. Und dazu wird Bora Murmure im silent green ein Konzert geben.
Wie immer wird die Pictoplasma ein großartiger Ort sein, um in die Community einzutauchen, sich kennenzulernen, gemeinsam zu basteln, zu zeichnen und diskutieren.
Um am letzten Festivaltag, dem 5. Mai, öffnet sich das silent green dann für den Open Sunday &Character Market, zu dem jeder der Pictoplasma-Teilnehmenden eingeladen ist, die eigenen Arbeiten anzubieten.
»Wir wollen am Puls der Zeit bleiben«
20 Jahre Pictoplasma, hättet ihr das gedacht, als ihr gestartet seid? Lars Denicke & Peter Thaler: Die erste Pictoplasma Conference 2004 war gar nicht als Serie angedacht. Wir hatten zuvor mit der Website und den ersten Veröffentlichungen einen Nerv der Zeit getroffen. Die Response war ziemlich groß und es war auch von Anfang an international. Wir hatten in aller Welt Kontakte zu Designer:innen, die Characters machten. Es fühlte sich wie eine sehr große Community an. Schon im ersten Pictoplasma Buch, das 2001 erschien, war eine Weltkarte abgedruckt, auf der beispielhaft einige der Künstler:innen, die im Buch vorkamen, markiert waren. Das war der Spirit. Da war es ein logischer Schritt, dem auch einen Ort, eine Manifestation geben zu wollen.
Und Künstler:innen einzuladen?
Wir wollten ein paar der herausstechenden Protagonist:innen auf die Bühne stellen und ihnen Zeit geben, über ihre Arbeit zu sprechen. Es war wirklich sehr einfach gedacht. Zu unserer Überraschung war die Konferenz sechs Wochen vor Start ausverkauft. Es kamen 500 Leute aus der ganzen Welt ins Kino International und ins Café Moskau, in dem damals noch der WMF Club war. Wir hatten kein WiFi, im Workshop nähten die Teilnehmer:innen Puppen oder remixten die von anderen, es gab eine große VJ Party im Palast der Republik und es fühlte sich alles unglaublich aufregend, groß und doch familiär an. Es war ein berauschendes Neo-Hippie-Gefühl. Ein Jahr später machten wir dann relativ spontan eine kleine Ausgabe im Babylon und nannten sie Pictoplasma Animation Festival und daraus wurde dann die jährliche Nummer.
Wenn ihr zurückblickt, was waren eure Highlights bisher?
2006 nahmen wir die Character Designs von einigen Künstler:innen, gaben sie weiter an Kostümbildnerinnen und die tollen Ergebnisse hatten dann Tanzunterricht bei Mitgliedern von Sasha Waltz und Constanza Macras. Da wurde es irgendwie viel weiter, umfassender. 2008 gingen wir dann mit der Konferenz nach Argentinien und nach New York, wo sich auch eine jährliche Ausgabe etabliert hat. 2015 waren wir erstmals im silent green, das ja dann zu unserem Zuhause geworden ist. Das fühlt sich heute ein wenig wie Ankommen an. Und 2020 mit der Pandemie war die Beschleunigung der Ereignisse, die die Veranstaltung unmöglich machten, und dann das Streaming mit 20.000 Viewers sicher etwas, das wir nicht vergessen werden.
Vieles hat sich für die Branche verändert. Auf der Pictoplasma 2023 lagen Sticker, auf denen es hieß: »I draw better than AI« und es gab gleich mehrere Diskussionen zum Thema. Was ist die Chance, was die Tragik?
Die Chance ist sicher, dass Gestalter:innen Prozesse automatisieren und Entwürfe leichter ausprobieren können. Die Tragik ist, dass, wie bei vielen technischen Neuerungen, künstlerische Originalität mit dem Medium verwechselt wird. Es geht weiterhin um die Idee, die Haltung und den einfachen Entwurf, der erst einmal mit einem Bleistift gezeichnet werden kann. Nur weil KI schnell Stimmungen als fertig aussehende Bilder hervorbringt, ist das nicht mehr wert als die einfache Skizze. Es ist eher ein Tool zur Visualisierung. Wenn die KI wirklich etwas herstellen kann, das uns als Menschen berührt, und das dann als Flut über uns kommt – wer soll sich das denn überhaupt noch angucken?
Am 1. Mai ist es wieder soweit, die 20. Pictoplasma beginnt und wir freuen uns sehr. Wie wird gefeiert?
Erst einmal ist alles wie jedes Jahr – wir freuen uns auf 20 Vorträge von neuen Künstler:innen, 80 Kurzfilme, die Filmemacher:innen, die Ausstellungen, den Markt am abschließenden Besucher:innentag. Es ist immer schwer, einzelne herauszustellen, aber der japanische Künstler En Iwamura, der in einer der alten Töpfer-Städten in Japan arbeitet, ist sicher ein Highlight. Oder Joe Bennett, dessen HBO Serie »Scavengers Reign« für viele zu den besten auch nicht animierten Serien des Jahres 2023 zählen. Und dann die Digital- und Performance-Künstlerin BORA MURMURE, die den digitalen und den realen Raum innovativ überblendet. Von ihr wird es auch ein Konzert geben.
Wir wollen am Puls der Zeit bleiben, keine Nabelschau oder Rückschau veranstalten. Dennoch beleuchten wir für diese Ausgabe den Gedanken des Archivs, denn als Character Archives startete die Website 2000. Wir haben also versucht, so viele der Image Files, die uns in den 20+ Jahren erreicht haben, zusammenzutragen und machen dieses Archiv von 30.000 Bildern zugänglich.
Und wie startet ihr in die nächsten 20 Jahre?
Wir wollen mehr auf Tour gehen und kleinere Pictoplasma-Ausgaben in vielen Städten veranstalten. Unsere neue Website home.pictoplasma.com entwickelt sich dafür zur lebendigen Community Plattform: Die User können hier selbst ihre Arbeiten teilen und miteinander in Kontakt treten; wir streamen alle Veranstaltungen und stellen ein großes VoD Archiv mit allen Talks zur Verfügung. Dadurch wird es in Zukunft interessant, lokale Ausgaben zu machen, die die Szenen in Kopenhagen, São Paulo oder Mumbai vernetzen und ihnen auf der Plattform globale Sichtbarkeit geben.
Pictoplasma Conference Berlin, 1.-5. Mai 2024, 21. März PictoPRO online Event