Packaging für D2C-Marken – nachhaltig und innovativ. So geht’s!
Viele kleine D2C-Brands und der Trend zu mehr Nachhaltigkeit machen den Packaging-Markt zu einem spannenden Betätigungsfeld für Designer:innen. Wir zeigen spannende Beispiele und geben Tipps, wie Designstudios hier einsteigen können.
Modernes Packaging: Den eigenen Stil zeigen
Keine schlechten Aussichten also, aber was, wenn man noch nie eine Verpackung gestaltet hat? »Package Design ist keine Raketenwissenschaft«, sagt Andreas Milk. »Für gängige Materialien wie Glas, Metall, Kunststoff oder Karton hat die Industrie Standardlösungen entwickelt, diese Kompetenz muss ich als Gestalter nicht unbedingt mitbringen. Wenn es dann keine strategische Herleitung braucht, weil das Start-up eine klare Positionierung hat, kann ich mich voll aufs Artwork konzentrieren.«
Aber wie kommt man eigentlich an solche Jobs? »Für Studios und kleinere Agenturen, die sich meist kein Suchmaschinenmarketing leisten können, sind neben dem eigenen Empfehlungsnetzwerk die sozialen Medien das Mittel der Wahl«, so Andreas Milk. »Vor allem auf Instagram stöbern Kund:innen herum. Meist mehr auf der Suche nach einem bestimmten Stil als nach perfekter Packaging-Expertise.«
Das Studio Monumento aus dem mexikanischen Monterrey arbeitet häufig für kleine Brands. Gründer und Chief Creative Officer Raúl Salazar empfiehlt ebenfalls das Selfmarketing über Social Media und designorientierte Plattformen wie zum Beispiel Behance. »Wir haben schon festgestellt, dass Kunden viel Wert auf echte Projekte legen. Wenn man aber noch keine hat, sollte man ein Portfolio mit Mockups aufbauen, das den eigenen Stil zeigt und in Case Studies deutlich macht, wie man konzeptionell an eine Aufgabe herangeht.«
Packaging gehört zur Lieblingssparte von Lukas Diemling, Gestalter aus Graz. Und so sieht er zu, solche Projekte auf seiner Website, auf Instagram oder Behance entsprechend prominent zu präsentieren. Die jüngste Arbeit ist eine Etikettengestaltung für den Winzer Matthias Warnung. »Ich arbeite schon seit über zehn Jahren für ihn, die ersten Etiketten sind noch in meinem Kinderzimmer entstanden«, erzählt Diemling. Special Skills brauche es für ein Weinetikett nicht, Printerfahrung würde aber nicht schaden, vor allem wenn man mit Veredelungen arbeite. »Bei komplexeren Projekten, wie etwa den Nahrungsergänzungsmitteln, die ich mal für Organic Elements entwickelt habe, kommt dann noch einiges an Vorschriften dazu.«
Packaging Design: Initiative ergreifen
Nicht selten denkt man beim Gang durch den Supermarkt oder beim Stöbern auf Online-Marktplätzen: Diese Verpackung hätte ich wahrlich besser gestalten können. »Für Anfänger und Anfängerinnen, die überhaupt keine Referenzen haben, kann es eine Option sein, ein neues Design zu entwickeln und es als Kaltakquise dem betreffenden Unternehmen zu schicken. Es muss einem allerdings bewusst sein, dass das ein extrem mühsames Geschäft ist, aber manchmal hat man Glück und es ist der richtige Moment«, meint Madeleine Lindner, Geschäftsführerin von Hajok in Hamburg. Die Agentur mit rund fünfzig Angestellten ist auf Packaging spezialisiert und betreut »Global Player und Local Champions«, wie sie sagt. Funktioniert die Kaltaquise nicht, hat man immerhin etwas fürs eigene Portfolio.
»Packaging ist ein weites Feld, als Neueinsteiger:in sollte man zunächst überlegen, welcher Bereich einen am meisten interessiert – Kaffee, Kosmetik, Spirituosen – und dort Beispiele gestalten«, so Madeleine Lindner. Diesen Ratschlag befolgten die Kreativen gleich selbst: Auch um so Spirituosenhersteller als potenzielle Kundschaft auf sich aufmerksam zu machen, kreierte Hajok den eigenen Gin #stillthirsty. Mit dem schönen Etikettenpapier Gmund Kaschmir in 100 Gramm, einer Blindprägung, der cyanfarbenen Handschrift von dem Agenturgründer Klaus P. Hajok und den neonfarbenen Halsetiketten sagt die Flasche ganz deutlich: »Wir können Spirituosen«. »Der Gin war ein Herzenzprojekt von uns, das wir schon lange umsetzen wollten«, so Madeleine Lindner. »Wenn wir dadurch unser Portfolio erweitern können – umso besser.«
Packaging in Eigenregie
Einen ähnlichen Weg ging Elevate. Die Agentur aus München ist auf Corporate Branding, Markenstrategie und -beratung spezialisiert, Packaging-Projekte fanden sich bislang noch nicht im Portfolio. Das änderte sich, als die Pharmazeutin Leonie Poppe und die Ärztin Sophia Wachner – Frau des Elevate-Geschäftsführers und Gründers Patrick Wachner – ein Produkt entwickelten. Brickx heißen die Premiumnahrungsergänzungsmittel, die natürlich auch eine Verpackung brauchten. »Standard in der Welt der Supplements ist nach wie vor Kunststoff«, so Patrick Wachner. »Wir wollten aber etwas Nachhaltiges, am besten ein Nachfüllsystem.« Außerdem sollte das Packaging die Premiumpositionierung der Marke Brickx widerspiegeln.
Patrick Wachner machte sich auf die Suche nach passenden Herstellern. »Die erste Hürde waren die meist deutlich fünfstelligen Abnahmemengen. Außerdem hatten diese Anbieter oft internationale Lieferketten. Wir hätten dann zwar ein nachhaltiges Produkt gehabt, es aber aus Japan importieren müssen.« Schließlich fanden sie einen finnischen Hersteller, der ihnen ein Material liefert, das industriell kompostierbar, biologisch abbaubar und frei von Mikroplastik ist. Daraus fertigt ein Spritzgusstechniker in München die Tiegel und prägt sie auch gleich. Da Brickx nun auch in den stationären Handel möchte, musste noch eine Umverpackung her – eine in Bayern bedruckte Faltschachtel.
»Wir hatten sehr viel kreativen Spielraum, weil wir nicht an bestehende Prozesse und Produktionsumgebungen gebunden waren«, sagt Patrick Wachner. »Die gewonnenen Erfahrungen und die Strahlkraft von Brickx möchten wir nutzen, um stärker in den Packaging-Markt hineinzukommen.« Und tatsächlich suchte bereits der ein oder andere Pharmahersteller, dem die Brickx-Tiegel positiv aufgefallen sind, das Gespräch mit Elevate.
Packaging Design: Mehr experimentelle Möglichkeiten
Hinsichtlich des Designs sind kleine Marken oft experimentierfreudiger, schließlich wollen sie bewusst anders sein und sich vom Auftritt großer Marken unterscheiden. Gilt das auch mit Blick auf das Material und die Nachhaltigkeit? »Genau wie andere Hersteller stoßen auch Start-ups bei Materialien auf Herausforderungen und Grenzen – technischer oder wirtschaftlicher Art«, so Andreas Milk. »Aber wenn es Produkte mit einer hohen Marge sind und wenn die Gründer:innen bereit sind, Profit gegen Nachhaltigkeit zu tauschen, gibt es bei kleinen Brands durchaus mehr Möglichkeiten für Experimente als bei Packagings in Millionenauflagen, bei denen alles extrem standardisiert und effizient sein muss.«
Monumento hat häufiger mit einem engen finanziellen Rahmen zu tun. »Kleine Marken unterliegen zwar weniger Zwängen, haben in der Regel aber auch begrenzte Budgets«, sagt Raúl Salazar. »Verpackungsinnovationen sind nach wie vor sehr teuer, und bei den meisten Lieferanten muss man Stückzahlen produzieren lassen, die weit über dem Volumen kleiner Brands liegen.« Madeleine Lindner von Hajok kann in puncto Nachhaltigkeit keine wirklichen Unterschiede feststellen. »Gehört diese zur DNA der kleinen Brand ist das natürlich ein Thema, sonst nicht unbedingt. Und gerade die großen Marken müssen in Bezug auf Nachhaltigkeit etwas tun, schon allein wegen der vielen EU-Verordnungen.«
Es braucht Mut und etwas Vorleistung, um ein neues Gestaltungsfeld zu erobern. Aber wenn es klappt, dann winken spannende Jobs mit viel kreativer Freiheit und interessante Gründerpersönlichkeiten, deren Geschichten sich wunderbar zum Visualisieren eignen – auch auf einem Packaging.
Packaging-Tipps für Newbies und Fortgeschrittene
- Austauschmöglichkeit gesucht? Auf der Homepage der European Brand and Packaging Design Association finden sich zahlreiche Informationen rund ums Thema Packaging und eine große Community an europäischen Designer:innen, die sich untereinander unterstützen und austauschen. Kürzlich erschien das »epda Design Agency Boost Book«, das die zehn wichtigsten Erkenntnisse aus den letzten dreißig Jahren zusammenfasst.
- Kein Packaging im Portfolio? Die Agentur Packaging Circus bietet die Visualisierung einer Idee als 3D-Mockup mit Licht, Textur, Struktur und Mapping an (sayhello@packagingcircus.com).
- Ersten kleinen Kunden an Land gezogen? Ink n Art aus Göteborg und Madika aus Landsberg am Lech bieten verschiedenste Faltschachteln in kleinen Auflagen an.
- Der Kunde legt Wert auf Nachhaltigkeit? Im »Sustainable Packaging Supplier Guide« finden sich rund 140 Anbieter zu zwölf Materialkategorien: Von »Poly Bags & Films« über »Paper Mailers« bis zu »Raw Materials«. Die Website A Better Source präsentiert nachhaltige Materialien und viele Artikel zum Thema nachhaltiges Design. Der Paper Calculator des Environmental Paper Network berechnet und vergleicht die Umweltauswirkungen verschiedener Papiere. Mit dem Project Calculator der Non-Profit-Organisation Re-nourish lässt sich die Effizienz eines Packaging-Projekts maximieren – und so die damit verbundene Umweltbelastung reduzieren und Geld sparen.
Dieser Artikel ist in PAGE 07.2023 erschienen. Die komplette Ausgabe können Sie hier runterladen.