Nachhaltige Printproduktionen: die besten Beispiele und Tipps!
Wie lassen sich die Anforderungen des Circular Designs bei der Erstellung von Drucksachen und Verpackungen erfüllen? Und wie überzeugt man seine Kunden davon, dass dieser Weg der richtige ist?
Bislang trugen die Seifenstücke eine Banderole und steckten in einem Karton aus Frischfasern aus nicht zertifizierten Wäldern. Die Kreativen ersetzten die Banderole durch ein geprägtes Logo auf der Seife und den Frischfaserkarton durch die Sorte ReMagine von Clearwater Paper mit 30 Prozent Post-Consumer-Waste-Anteil. Die Innenseite ist beschichtet, um zu verhindern, dass die natürlichen Öle der Seife in den Karton eindringen. Wurden die Schachteln bislang im Ausland bedruckt, befinden sich Papierhersteller, Druckerei und Kunde jetzt alle im Umkreis von 800 Kilometern voneinander. Die Farben der Boxen spielen auf den jeweiligen Duft an, die Typo – Bagoss von der Prager Foundry Displaay in Kombination mit der Serifenlosen America von Grilli Type – passt perfekt. Und mit den CO₂-Blasen gibt es auch ein verspieltes Element. Ihre Anordnung spiegelt die Form eines CO₂-Moleküls wider – ein Hinweis auf den wissenschaftlichen Hintergrund des Produkts.
Print: Umweltfreundlich als neue Norm
Oliver Giel, Foto- und Videoproduzent aus Haßfurt, brachte 2022 im Selbstverlag das Buch »Ziegenluft und Küchenduft« heraus, für das er zusammen mit seiner Kollegin Eva Scherer ein Jahr lang die Schäferin und Hauswirtschaftsmeisterin Sabine Krüger bei ihrer Arbeit mit den Schafen und Ziegen begleiteten und ihr beim Kochen und Gärtnern über die Schulter schauten.
Das Hardcover sollte viele, auch große Bilder enthalten, die Produktion aber so umweltfreundlich wie möglich sein. »Ein Buch herauszubringen, in dem es inhaltlich um Nachhaltigkeit und regionale Lebensmittel geht, und dann für die Produktion einfach nur den günstigsten Anbieter zu suchen, passte für uns nicht zusammen«, sagt Oliver Giel. So entschieden sie sich für die Recyclingsorte Circleoffset Premium White, gedruckt wurde bei bonitasprint in Würzburg. Da sowohl das Papier als auch die Druckerei für den Druck nach den Richtlinien des Blauen Engels zertifiziert sind, beschlossen die Kreativen, das Buch ebenfalls nach diesen Maßgaben produzieren zu lassen – was schon mal 500 Euro extra nur für die Nutzung des Logos kostete. Alles in allem lagen die Mehrkosten im Vergleich zur konventionellen Produktion bei 25 bis 30 Prozent.
»Der Blaue Engel wird von den Leuten schon positiv wahrgenommen, hat aber keinen Einfluss auf die Verkaufszahlen«, sagt Oliver Giel. Kreativen, Papierherstellern, Druckern und Weiterverarbeitern aber dürfe es nicht egal sein, wie eine Drucksache entsteht. »Alle Beteiligten müssen verantwortungsvoll handeln, damit nachhaltige, hochwertige Printprodukte zur Norm werden«, fordert er.
Qualitativ und ästhetisch haben umweltfreundlich gedruckte Projekte konventionelle längst eingeholt, wenn nicht sogar überholt – oder mögen Sie noch mit UV-Lack verzierte Hochglanzbroschüren sehen? Voraussetzung für fruchtbare Diskussionen mit Kunden, Druckereien und Weiterverarbeitern ist allerdings, dass Kreative selbst bestens über die Möglichkeiten einer nachhaltigen Printproduktion Bescheid wissen. Wer dann in der Präsentation noch gelungene Beispiele wie die Folgenden zeigt, kann ganz sicher das eine oder andere Gegenargument entkräften.
Reuse and Recycle
Vorbildliches Circular Design: Aus von ihm gestalteten, nicht verwendeten Plakaten fertigte das Düsseldorfer Designbüro nowakteufelknyrim die Paperbags, die sich wunderbar zum Sammeln von Altpapier eigneten. Da die Kreativen inzwischen aber kaum noch Plakate oder andere Printprojekte realisieren, gibt es keine Paperbags mehr. Vielleicht kann ein anderes Designstudio diese schöne Idee adaptieren …
Pilze statt Plastik
Für den Beauty-Brand The Skinfluencer entwickelte die Agentur Packaging Circus gemeinsam mit suprtrue, Webshop für nachhaltige Verpackungen, eine innovative Verpackungslösung: Die Glasflasche mit Gesichtscreme liegt in einem Inlay aus Myzelium. Das aus Pilzen gewonnene Material ist biologisch abbaubar, wärmeisolierend und ziemlich stoßfest. Produziert wird es mit negativem CO₂-Fußabdruck beim Myceliumhersteller Grown bio. Und auch das Drumherum stimmt: Die Box aus Wellpappe, bedruckt im Digitaldruck, wird für dieses E-Commerce-Produkt direkt als Versandkarton genutzt, sodass man eine Schachtel spart.
Klein und leicht
Das Studio Guacamole Airplane aus San Francisco bietet Services rund ums Sustainable Packaging an, vom strukturellen Verpackungsdesign bis zur Beratung zu nachhaltigen Materialien. Für das Everything Set, ein Gerät, das die Cyber Security in Smart Homes sicherstellen soll, entwickelten die Kreativen eine E-Commerce-Verpackung, die schlicht und schick zugleich ist. Sie probierten drei Varianten aus und entschieden sich für die mit der kleinsten Packungsgröße. Denn immer häufiger ginge es Kunden angesichts steigender Energie- und Transportkosten vor allem darum, Größe und Gewicht der Verpackungen zu reduzieren. Zwar schlägt das Herz des Studios für Materialinnovationen wie Packagings aus Algen, oft sei die nachhaltigste Option in Bezug auf den CO₂-Fußabdruck aber die kleinstmögliche Verpackung, entweder aus recyceltem Papier oder recyceltem Kunststoff.
Buchdruck umweltfreundlich
Wie sich Bilder in Affinity Publisher so bearbeiten lassen, dass sie auch auf Recyclingpapier überzeugend aussehen, erklärt der Foto- und Videoproduzent Oliver Giel
Unser Buch »Ziegenluft und Küchenduft« sollte viele, auch große Bilder enthalten und die Produktion so umweltfreundlich wie möglich sein. Deshalb entschieden wir uns für die Blauer-Engel-Sorte Circleoffset Premium White. Erste Tests auf unserem Epson Stylus Pro 4900, einem Tintenstrahl-Großformatdrucker, mit einem entsprechenden Proof-Papier (GMG Proofmedia studio OBA matte 150 für die Simulation von Offsetdruck) waren alles andere als überzeugend. Bei den Bilderdruckpapieren, die wir sonst meist verwenden, kommen unsere Proofdrucke der Monitordarstellung meist sehr nahe. Nicht so bei dem Recyclingpapier. Es folgten viel Bildbearbeitung und jede Menge Testdrucke, um eine Bildqualität und Anmutung hinzubekommen, die keinen Kompromiss darstellt.
Umgesetzt haben wir »Ziegenluft & Küchenduft« komplett mit Affinity Publisher. Gerade im Umgang mit Bildern bietet das Layouttool enorme Vorteile, die uns die Arbeit erleichterten. So kann ich mit der Verknüpfung »Studiolink« direkt aus der Publisher-Arbeitsumgebung auf die Funktionen von Affinity Photo und Affinity Designer zugreifen. Damit bleiben die Originalbilddaten auf unserem Archiv-Volume, alle Korrekturen und Anpassungen sowie Maskierungen und das Entfernen von Bildelementen finden im Layoutdokument statt. Man muss also die Bilddaten nicht duplizieren, was die Übersichtlichkeit des Projekts deutlich erhöht.
Auf das Recyclingpapier abgestimmte Bildoptimierung
Meine Bildanpassungen waren sehr individuell, also abhängig vom jeweiligen Motiv und der Abbildungsgröße. Bewährt haben sich bei allen Fotos aber folgende Korrekturen:
- Die Anwendung des Filters »Schärfen« mit hohem Radius (bis zu 100 Prozent) und kleinem Faktor (circa 0,55) gibt mehr knackigen Kontrast im Bild.
- Der Filter »Hochpass« mit dem Mischungsverhältnis »Lineares Licht« und einer individuellen Einstellung je nach Motiv arbeitet noch mal die Glanzlichter und hellen Bereiche heraus.
- Ein weiteres Anwenden des Filters »Schärfen« mit kleinem Radius (etwa 0,3 bis 0,5 Prozent) und einem mittleren Faktor (etwa 2,5) lässt feine Details und Strukturen klarer erscheinen. Beim Anwenden dieses Filters sollte man aber sehr darauf achten, dass sich keine Lichtsäume bilden. Diese treten schnell an den Übergängen zu homogenen Flächen auf. Zum Beispiel um Objekte vor einem blauen Himmel.
- Normalerweise vertragen die Motive auch noch eine Anpassung der Gradationskurve sowie eine zusätzliche Sättigung.
Übertreiben erlaubt
All diese Anpassungen in den einzelnen Bildebenen lassen sich direkt in Publisher vornehmen, bei Bedarf kann man die Ebenen sogar maskieren, ohne je das Originalfoto öffnen zu müssen. Auf diese Weise konnte ich bei schwierigen Motiven direkt aus dem Layoutprogramm meine Seite proofen und mit wenigen Klicks weitere Optimierungen vornehmen. Publisher bietet auch Makros an, mit denen sich mehrere Korrekturebenen speichern und automatisiert anwenden lassen.
Bitte nicht verunsichern lassen: Am Monitor sehen die Bilder aus, als hätte jemand übertrieben an den Reglern gedreht. Das ist aber nötig, um auf Recyclingpapier in Sachen Bildqualität keine Kompromisse eingehen zu müssen, denn diese Sorten saugen – anders als Bilderdruckpapiere – sehr viel Farbe auf. Um sicherzugehen, haben wir unsere Testdrucke mit den Proofs der Druckerei bonitasprint verglichen, die zum Glück so gut wie identisch waren.
Feuerprobe bestanden
Als die Druckmaschine anlief, brach uns dann doch kurz der Schweiß aus. Die Tests hatten wir ja schließlich nur auf einem Tintenstrahldrucker gemacht. Die Sorge war aber unbegründet, der Offsetdruck wirkte sogar noch etwas organischer und lebendiger. Spätestens seit diesem Projekt bin ich ein absoluter Fan von Recyclingpapieren mit ihrer ganz eigenen Haptik und Anmutung und begeistert, was man hier an Bildqualität herausholen kann.
Bild: Oliver Giel - www.giel-bildwelten.deBild: Oliver GielOliver Giel, Foto- und Videoproduzent für nachhaltige Medienproduktionen, beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit dem Thema Buch. Er möchte mit dem, was er gut kann, einen Beitrag zu Klima- und Artenschutz leisten.
Alles fürs Packaging
Der »Supplier Guide« ist eine wahre Materialfundgrube
Im Jahr 2017 konzipierte Ian Montgomery, Gründer des Studios Guacamole Airplane, den »Sustainable Packaging Supplier Guide« als Abschlussarbeit und später als interne Ressource. Dann entschied der Designer sich dafür, sein Wissen unter https://guacamoleairplane.com/supplierguide zu teilen. Ein wirklich großartiges Nachschlagewerk für alle, die auf der Suche nach nachhaltigen Materialien für Verpackungen sind. Vor Kurzem hat er es noch einmal überarbeitet. Zu zwölf Kategorien – von »Poly Bags & Films« über »Paper Mailers«, »Labels« oder »Inks & Coatings« bis zu »Jars & Bottles« finden sich rund 140 Anbieter, jeweils mit einer kurzen Nachhaltigkeitseinschätzung Montgomerys.
Infoquellen für nachhaltige Printproduktion
Auf seiner Website stellt The Office of Ordinary Things diverse informative, hilfreiche Tools und Ressourcen vor. Wir haben drei spannende ausgwählt.
A Better Source. Das Designstudio Citron aus Austin, Texas, startete 2019 die Website A Better Source mit einem Verzeichnis nachhaltiger Materialien – von Papier über Packagings bis zu Kleidung und Taschen – und vielen Artikeln rund ums Thema nachhaltiges Design.
Paper Calculator. Von Environmental Paper Network kommt das webbasierte Tool, das mithilfe einer wissenschaftlich fundierten Methodik die Umweltauswirkungen verschiedener Papiere berechnet und vergleicht.
Project Calculator. Die Non-Profit-Organisation Re-Nourish stellt Tools wie den Project Calculator zur Verfügung, mit dessen Hilfe sich die Effizienz maximieren lässt – und so die Umweltbelastung reduzieren und Geld sparen. Außerdem finden sich auf der Website Informationen, Strategien und Case Studies.
Noch mehr Links und Literaturempfehlungen findet man auf der Website https://ot.studio in den Rubriken »Sustainability« und »Faqs«
Dieser Artikel ist in PAGE 02.2023 erschienen. Die komplette Ausgabe können Sie hier runterladen.