Kann man mit Werbespots Menschen toleranter machen?
Sollte sich Werbung für gesellschaftliche Werte einsetzen? Hier einige kontroverse Beispiele, über die sich gut streiten lässt.
Über das gesellschaftliche Engagement von Werbung wird derzeit viel diskutiert – nicht nur in den USA, wo diese Fragestellung besonders drängend ist, sondern auch hierzulande. In der Titelgeschichte über »Design in politischen Zeiten« in PAGE 07.2017 haben wir uns mit diesem Thema auseinandergesetzt. Über diese Kreationen aus Deutschland etwa kann man durchaus geteilter Meinung sein.
Beispiel 1: der Spot »ToleranzZeit« der Deutschen Bahn. Darin sitzt ein Medizinstudent im Zug einer Muslimin mit Kopftuch gegenüber. Er denkt, sie liest den Koran – es ist am Ende aber ein Medizinlehrbuch, was die beiden ins Gespräch verstrickt. Eignet sich das Filmchen als Werbung für Toleranz? Nein, meinen zum Beispiel 53 Prozent der »Morgenpost«-Leser in einer kleinen Online-Umfrage. Ist der Spot wieder einmal zu gewollt erzieherisch geraten, wie unzählige Hasskommentare im Netz nahelegen? Oder ist es in Zeiten wie diesen einfach wichtig, dass Unternehmen sich mit solchen Spots zu demokratischen Werten bekennen
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Beispiel 2: die jüngste Neuauflage der be-Berlin-Kampagne. Die Agenturen dan pearlman und spring • Brand Ideas setzen auf Berliner Freiheitsgefühl, aber eben nicht als pädagogische Botschaft, sondern ans eigene Selbstverständnis und allerlei Berlinerisches anknüpfend. Da gibt es Plakate mit Zitaten wie »Berlin, Berlin, dein Herz kennt keine Mauern« nach einem Dance-Track von John F. und die Gropiuslerchen von 1987 oder »Nur wer die Freiheit nicht schätzt, kann Europa in Frage stellen« von dem in Zagreb geborenen Berliner Autor Nicol Ljubi?. Unter dem Hashtag #FreiheitBerlin kann jeder Bilder seiner persönlichen Freiheitsmomente hochladen. Die Beiträge sind unter www.sei.berlin.de zu sehen.
Beispiel 3: Wie man mit geringsten Mitteln maximale Wirkung erzielt, zeigten derweil die Berliner Verkehrsbetriebe. Wenn AfD-Politiker Gunnar Lindemann zwischen seinen hetzerischen Kommentaren auf Twitter mal wieder erwähnte, dass er umweltfreundlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs war, kommentierten die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) mit Tweets wie »Vorbildlich. Heute war dein Fahrer übrigens Hakan« oder »Viele Grüße von Tarek, dem Fahrer«. Von Lindemann kam schließlich: »Grüße zurück an meinem Fahrer Tarek und herzlichen Dank für die stressfreie Fahrt durch #Berlin.« Darauf die BVG: »Tarek sagt, es müsste ›meinen‹ heißen«. Ein Dialog, der viel mediale Aufmerksamkeit erregte – die richtige Strategie?
Mehr über Werbung in politischen Zeiten lesen Sie in unserer Titelgeschichte in PAGE 7.2017.
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