Divers & inklusiv: Rebranding Be Equitable
Beim Rebranding der HR-Beratung Be Equitable stellte die Designagentur For The People das Engagement für Inklusion, Diversität, Gleichberechtigung und Barrierefreiheit heraus – und versuchte, diese Werte auch gleich im eigenen Designprozess umzusetzen
For The People implementierte die IDEA-Prinzipien allerdings nicht nur in die neue Identity, sondern als Anspruch auch in den eigenen Designprozess. Alle Gestaltungselemente wie Typo und Illustration sollten von Kreativen mit diversen kulturellen Hintergründen und aktivistischer Ausrichtung stammen. Die Bildwelten sollten unterschiedliche Gruppen repräsentieren und die Texte im Tandem mit Be Equitable entwickelt werden.
Ein gemeinsames Team
Die Kreativen von For The People tauchten tief ins Unternehmen ein – ähnlich, wie das Be Equitable bei ihren Kunden tut. In einem wöchentlichen Jour fixe traf FTP sich mit Be Equitable, um über die aktuellen Entwicklungen im Projekt zu sprechen. Michael Leslie Amilcar setzte den Termin unmittelbar im Anschluss an die internen Board Meetings an und gab der Agentur so die Chance, der Führungsebene direkt kritische Fragen zu stellen oder in einer größeren Runde um Feedback zu bitten.

Die Teams von Be Equitable und For The People trafen sich trotz Zeitverschiebung zwischen Houston und Sydney zu wöchentlichen Jour-fixe-Videocalls, um Entwürfe und aktuelle politische Entwicklungen zu besprechen.
Auf diese Weise integrierte Amilcar die Kreativen in ihr eigenes Team und ermöglichte ihnen tiefgehende Recherchen für die strategische Neuausrichtung des Unternehmens. Um dabei sämtlichen Mitarbeitenden eine Stimme zu geben, führte das FTP-Team Interviews in allen Abteilungen und bat um Einblicke in ihren Alltag, ihren privaten und beruflichen Aktivismus sowie in Zukunftswünsche. Darüber hinaus sprachen die Kreativen auch mit einem repräsentativen Beispielkunden. Die so gewonnenen Erkenntnisse teilten sie anschließend anonymisiert mit Amilcar, die daraus wiederum Schlüsse für die interne Neupositionierung ziehen konnte.
Harmonie und Kontrast
Ausgehend von dieser Recherchebasis entwickelte For The People schließlich ein Identitykonzept, das die vier IDEA-Grundsätze klar in den Vordergrund stellte. Es entstanden mehrere Entwürfe, von denen zwei in die engere Auswahl kamen (siehe unten). Das endgültige Design feiert die Diversität, um die sich Be Equitable bemüht, und nimmt den Aktivismus der Consultants auf. In großen Lettern gesetzte Claims wie »Be Equitable, Be Vocal, Be Unique« sprechen einen direkt an und fordern dazu auf, selbst »IDEA zu leben«. Dabei konzentrierte sich Copywriterin Arielle Bodenstein darauf, eine Tonalität zu entwickeln, die eine motivierende Kommunikation über aktuelle Problematiken zuließ. »Wir haben uns ganz bewusst auf Fakten und Zahlen konzentriert. Auf kurze, kraftvolle Statements und Dinge, die greifbar machen, worum es Be Equitable geht«, so Bodenstein.


Alternativer Entwurf, den For The People ebenfalls präsentierte. Die abstrahierten Blüten erschienen Be Equitable aber zu glatt, um gesellschaftliche Problematiken anzusprechen. Im finalen Design (oben) blieben die Schriftkontraste und die kräftigen Botschaften dieselben. Die Blumen ersetzte FTP aber durch Schattenrisse von menschlichen Figuren und Köpfen.
Gestalterisch unterstrich das Team die Identity mit kräftigen Farben in unterschiedlichen Abstufungen – eine Anspielung auf die Varianz in Hauttönen und eine Möglichkeit, sowohl Harmonie als auch starke Kontraste zu erzeugen. Als Erinnerung an die Menschen, um die es Be Equitable geht, ziehen sich über zwanzig abstrakt illustrierte Körper und Köpfe durch das Corporate Design. Sie verdeutlichen in Print, Web und Social Media, wie kraftvoll eine diverse Gesellschaft sein kann.
Aktivismus fördern
Für die Realisierung des Entwurfs hatte sich For The People das Ziel gesetzt, ausschließlich mit Designerinnen und Designern aus unterrepräsentierten Bevölkerungsgruppen zusammenzuarbeiten. Doch das erwies sich als schwieriger als angenommen, denn auch in der Designbranche macht sich die strukturelle Ungleichheit in der Gesellschaft bemerkbar. Schließlich entschied sich die Agentur für eine Zusammenarbeit mit dem Typedesigner Tré Seals, der mit seiner Foundry Vocal Type historische Protestbewegungen in Form von Schrift neu aufleben lässt. Seine Sans Serif Martin – benannt nach Martin Luther King – erinnert an die Proteste schwarzer Arbeiterinnen und Arbeiter in den 1970er Jahren und wurde leicht abgewandelt als BE Martin zur neuen Hausschrift von Be Equitable.

Tré Seals’ Schrift BE Martin steckt voller Geschichte. Sie ist von den Plakaten inspiriert, die Demonstrierende beim Memphis Sanitation Strike 1968 trugen, in dessen Verlauf Martin Luther King ermordet wurde. Für Be Equitable erweiterte der Typedesigner sie gemeinsam mit For The People um einen expressiven Display-Schnitt.
Gemeinsam mit FTP-Illustratorin Dash O’Brien-Georgeson erweiterte Tré Seals den Font um den Display-Schnitt BE Martin Expressive, dessen dynamisch verformte Buchstaben fast schon körperhafte Züge annehmen. So passen sie perfekt zu den abstrakten Illustrationen des dominikanischen Künstlers Edward Ubiera, der für Be Equitable Schattenrisse von Körpern und Köpfen zeichnete. Diese transferierte FTPs Senior Designer Joseph Dennis in die Illustrationsschnitte Heads und Body, sodass sich die Illus nun wie normale Glyphen in Texte einpassen lassen – ganz im Sinne des Prinzips Accessibility sind sie für die Be-Equitable-Mitarbeitenden nutzbar.

Wandel willkommen heißen
»Die Arbeit mit Be Equitable hat nachhaltig verändert, wie wir als Agentur agieren«, sagt Mabel Tu. Dabei spricht sie nicht nur von den IDEA-Prinzipien als Konzept für die Auswahl von Freelancer:innen, sondern auch über die Feedbackkultur, die Be Equitable vorlebt. So hinterfragten die Mitarbeitenden einige Begriffe, die im Sprachgebrauch der Designbranche selbstverständlich sind, wie die Abkürzung wip für »work in progress«, das wie whip, das englische Wort für »Peitsche« klingt, und so aufgrund der langen Geschichte der Sklaverei in den USA ganz anders besetzt ist als in Australien.
For The People entwickelte gemeinsam mit Be Equitable eine ganze Liste problematischer Redewendungen und neutralerer Alternativen, die jetzt dauerhaft in der Agentur in Gebrauch sind. Außerdem beginnt For The People ihre Zusammenarbeit mit Kundinnen und Kunden jetzt stets mit der Bitte um Feedback und den Hinweis darauf, welche Begriffe als beleidigend oder unangemessen empfunden werden. »Es ist wichtig, anzuerkennen, dass man als Designer:in nicht sämtliche kulturellen Konnotationen kennen kann. Zuzuhören und die Feedbackkanäle offen zu halten können dabei helfen, Differenzen zu überwinden«, so Mabel Tu.
For The People hat sich zum Ziel gesetzt, IDEA aktiv in der eigenen Teamkultur und auch in der gesamten Designbranche zu fördern. So beginnt die Agentur jetzt interne Meetings mit einer kurzen Besprechung aktueller politischer und gesellschaftlicher Probleme – und überlegt, wie sie zu deren Lösung beitragen kann. Angefangen mit einem Artikel der Strategin Claudia Henderson, die in einem Beitrag auf Medium die Erkenntnisse der Agentur aus dem Projekt und die Liste problematischer Designbegriffe veröffentlichte. Denn Informationen zu teilen, Missstände in der Designbranche anzuprangern und diverseren Stimmen Gehör zu verschaffen sind die ersten Schritte, um etwas zu verändern.


Als Symbol für Diversität und Inklusivität entwickelte der dominikanische Illustrator Edward Ubiera aus New York mehrere Schattenrisse von Köpfen und Körpern, die als eigene Schriftschnitte in die Hausschrift BE Martin eingebunden sind. So können sie von allen Mitarbeitenden des Unternehmens in Social-Media-Posts, Präsentationen und Kundenkommunikation eingebaut werden.
Wie können Designer:innen IDEA leben?
- Inclusivity. Alle beteiligten Projektgruppen sollten im Designprozess eine Stimme erhalten. Man kann zum Beispiel Kund:innen und Mitarbeitende aus unterschiedlichen Abteilungen interviewen.
- Diversity. Diversität kann man im eigenen Team und auch in der Auswahl von Freelancer:innen fördern. Gestalterisch können illustrative Lösungen und eine bewusste Bildauswahl dabei helfen, unterschiedliche Gruppen zu repräsentieren.
- Equity. Projektteilnehmer:innen bringen unterschiedliche kulturelle und soziale Hintergründe mit. Eine offene Feedbackkultur ist wichtig, um einen Raum zu schaffen, in dem alle respektvoll behandelt werden.
- Accessibility. Eine Designlösung sollte für alle Mitarbeitenden eines Unternehmens nutzbar sein – nicht nur für Designer:innen. < bedeutet aber auch, anderen Designer:innen Zugang zu Erfahrungswerten und Ressourcen zu bieten.
Dieser Artikel ist in PAGE 04.2023 erschienen. Die komplette Ausgabe können Sie hier runterladen.




