»Wir lesen so viel wie noch nie«
Podcasts, Videos, Events, Sprachinterfaces – man könnte denken, dass die mediale Entwicklung gerade weg vom Lesen geht. Warum das nicht so ist, erklärt Patrick Marc Sommer, Mitinitiator FURE-Konferenz im Interview.
Bild: MARTINRUPIK
Um nicht weniger als die »Zukunft des Lesens« geht es bei der Konferenz FURE, die am 8. März in Münster stattfindet. Wir sprachen mit Patrick Marc Sommer von typoint, der die Konferenz zusammen mit Rüdiger Quass von Deyen veranstaltet.
Was fasziniert dich so am Thema Lesen? Persönlich und als Gestalter?
Patrick Marc Sommer: Faszinierend finde ich gut gemachte Internetseiten und auch Printprodukte, die gut lesbar sind. Aus gestalterischer Sicht beeinflusst gute Typografie die Atmosphäre eines Texts und kann ihn zu einem Lesegenuss machen. Kleine Details sind mir sehr wichtig und entscheiden über den Gesamteindruck. Ich mag auch das Kurt-Weidemann-Zitat: »Gute Typographie bemerkt man so wenig wie gute Luft zum Atmen. Schlechte merkt man erst, wenn es einem stinkt.« Ich lese lange Texte am liebsten gedruckt. Die Haptik, der Duft und die Gebrauchsspuren des Papiers tragen dazu bei, dass ein Buch oder Magazin lebendig und authentisch wird. Ich genieße es, Bücher zu besitzen und erleben zu können, und da ich das teilen möchte, verschenke ich gerne auch Bücher.
Doch scheint Lesen durch den sich verändernden Medienkonsum als Kompetenz und Kulturtechnik verloren zu gehen.
Ich denke nicht, dass es verloren geht. Generell lesen wir so viel wie noch nie. Bücher werden auch weiterhin viel gelesen. Ein Smartphone ohne Text könnte man sich kaum vorstellen. Wir werden sehen, wie sich das alles entwickelt. Meiner Meinung nach gehört die Zukunft definitiv einer Mischung aus unterschiedlichen Medien.
Was beschäftigt euch bei der diesjährigen FURE?
In diesem Jahr stehen folgende Fragen im Fokus: Wie wird das Lesen in der virtuellen Realität aussehen? Werden wir in detailgetreuen Nachbildungen von gedruckten Werken aus der realen Welt blättern oder uns durch reine Sprachsteuerung orientieren? Welche verschiedenen Arten des Lesens gibt es? Es geht auch um die Förderung des Lesens sowie um Strategien zur Steigerung der Sichtbarkeit von Büchern im Internet und auf Social Media. Für diese Bandbreite an Themen stehen Sprecher:innen wie die Verlegerin Karin Schmidt-Friderichs, Mike John Otto von Artificial Rome, Jakob Runge von TypeMates, Jutta Echterhoff von der Initiative books4future, der Designer Thomas Poschauko oder Professorin Dr. Angelika Nollert, Leiterin der Neuen Sammlung in München. Bei all dem legen wir großen Wert auf mehrere ausgedehnte Pausen, um reichlich Raum für tiefgreifende Gespräche zu schaffen.
Ist dir in letzter Zeit ein Buch, Magazin oder anderes Format begegnet, das auf besonders gelungene oder neuartige Weise lesbar oder erfahrbar ist?
Dazu habe ich einen Buchtipp von meinem FURE-Mitinitiator Rüdiger Quass von Deyen: »S. – Das Schiff des Theseus«. Die Autoren haben in diesem Roman eine komplexe Struktur geschaffen. Neben der scheinbaren Handlung eines gebrauchten Buchs aus einer Leihbibliothek, das V.?M. Straka zugeschrieben wird, enthält das Werk Randnotizen, Karten, Briefe und andere Materialien, die von den fiktiven Charakteren stammen. Die Lesenden können zwischen den verschiedenen Schichten der Geschichten hin und her blättern, was zu einer vielschichtigen, faszinierenden Leseerfahrung führt. Als spannendes digitales Beispiel bin letztens wieder über unser Design-made-in-Germany-Magazin Ausgabe 5 von 2010 gestolpert, die ich immer noch sehr sehenswert finde: www.designmadeingermany.de/magazin/5/.
Bild: Detlef Eden
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