Wie KI der Content-Produktion zusetzt
Immer mehr Anbieter werben mit KI-generierten Inhalten. Künstliche Intelligenz macht jetzt Audio, Text, Bewegtbild, kurz Content. Und das zum Tiefpreis. Hier steht die Wertschöpfung einer ganzen Branche zur Disposition! Über die Schattenseiten des technologischen Fortschritts.
Jung von Matt bucht keine Tonstudios mehr
Max Lederer, Chief Innovation Officer von Jung von Matt, hatte kürzlich auf dem W&V-Summit zugegeben, dass seine Agentur für Voice Over nichts mehr bezahlt, weil ElevenLabs mit ihrer Software da schon gute internationale Sprachadaptionen liefern. Die Tonstudios, mit denen die Agentur früher zusammengearbeitet hat, haben das Nachsehen, allen voran natürlich ihre Sprecher:innen.
Musik generiert sich selbst
Und das geht so weiter: Meine Kollegin Manuela Pauker erzählt von Suno AI, einem auf KI basierenden Musikdienst. An den freien Tagen über Ostern hat sie sich von diesem Tool Stücke komponieren lassen, erst einen Folk Rock Song, dann (auf Wunsch ihres Freundes) ein bisschen Viking Metal über – yes ! – isländische Elfen, die des Nachts im Wald herumgeistern.
»Die KI schafft alle Mittelmäßigkeit ab«
Tobias Schiwek, We Are Era
Die Ergebnisse waren beeindruckend, sagt sie. Sicher: Irgendwann wurde es dann langweilig, weil die KI den immer selben Mustern folgt, aber klar ist: Es wird bald noch schwerer werden, mit Musik Geld zu verdienen.
»Die KI schafft alle Mittelmäßigkeit ab«, sagt Tobias Schiwek von We Are Era. Manu und ich haben ihn gestern in München getroffen, um seine Agentur/Produktion nebst Creator-Netzwerk besser kennenzulernen. Schiwek sagt: »In naher Zukunft werden alle in der Lage sein, irgendwelchen Content zu produzieren.«
Werbende profitieren von sinkenden Kosten…
Agenturen machen sich das zunehmend zu Nutze. Ganze Geschäftsmodelle entstehen neu: Die Spreefreunde in Berlin ersetzen bereits erfolgreich Texter:innen; diese Woche hat sich mit Tektite eine Agentur für KI-generierte Werbefilme zu Wort gemeldet. Seit dem 1. April arbeiten die Regisseure Hauke Hilberg und Martin Haerlin mit eigenen Tools daran, die Bewegtbildproduktion in Deutschland zu automatisieren. Die beiden sagen: »Durch den Einsatz von KI können nun auch Marken mit kleineren Budgets tollere Filme bekommen. Ein Empowerment der Underdogs steht bevor.«
Sie alle füttern die KI kostenlos mit kreativen Inhalten, was die Entwertung humaner Produktion immer weiter beschleunigt.
Natürlich generiert künstliche Intelligenz auch neue Arbeitsplätze, keine Frage. So sind etwa Fähigkeiten von »Prompt Artists« gefragt, Menschen also, die dazu berufen sind, mithilfe von richtigen Eingaben hochwertige Inhalte zu produzieren.

…Idee und Botschaft zählen wieder mehr
Und letztlich stärkt die Entwicklung gerade die konzeptionell-strategische Arbeit von (Kreativ-)Agenturen, die nun mehr denn je mit originären Ideen, relevanten Inhalten und guten Botschaften überzeugen müssen. Wie Agenturen damit am Ende Geld verdienen, ist eine andere Geschichte.
Einer KI wäre es wohl kaum eingefallen, die Seriennummern, die Opioid-Pillen tragen, als Telefonnummer für eine Hotline zu nutzen, die medikamentenabhängigen Menschen dabei hilft, von ihrer Sucht loszukommen. Um mal nur ein Beispiel aus dieser Woche zu nennen. Die Arbeit von Serviceplan Innovation entstand komplett ohne KI.
»In der Produktion sieht es übel aus«
Vertreterin eines Branchenverbandes
Denjenigen, die dazu den Content machen, bringt das allerdings wenig. »In der Produktion sieht es übel aus«, meinte kürzlich die Vertreterin eines Branchenverbandes. Allzu verlockend wirkt auf Agenturen und ihre Kunden die Möglichkeit, mit dem Einsatz kluger KI-Werkzeuge Kosten einzusparen, zumal Werbungtreibende wie ihre Dienstleister angesichts der trüben wirtschaftlichen Aussichten und der zurückhaltenden Verbraucher:innen ohnehin seit Jahren unter Druck stehen. Die Content-Produktion MediaMonks macht bereits mit ersten Discount-Angeboten (»30 Prozent auf alles«) von sich reden.
Content-Produzent:innen nutzt das allerdings nichts
Werbefacheute können dazu lernen, sie werden sich schlicht weiterbilden, um künftig gebraucht zu werden. So zeigt eine internationale Befragung der Beratung Capgemini, dass für fast zwei Drittel der Unternehmen der Bedarf an Kompetenzen für generative KI im Marketing das vorhandene Know-how deutlich übersteigt. Aber Content-Produzent:innen – wer fängt die auf?
Außer sie schaffen es, ihren Produkten etwas einzigartig Persönliches mitzugeben
Am Ende wird es sehr auf die persönliche Note ankommen, die ein Kreativer seinem Werk verleiht. Einer Sprecherin wird das eventuell nicht helfen. Aber einem Grafiker, der Leidenschaft in seine Arbeit steckt und eine Haltung vorlebt, hoffentlich schon.
(Text: Conrad Breyer)
Dieser Artikel erschien zuerst bei W&V, dem führenden Magazin für die Marketingbranche. W&V bietet Markenmacher:innen Wissen, Trends, Weiterbildung und Inspiration aus einer Hand. Schau doch mal bei W&V vorbei!


