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Warum es wichtig ist, Fehler zu machen

Alle vier Wochen finden in Hamburg die Creative Mornings statt. Das Juni-Motto war »Fehler« und zu Gast der Keeeb-Gründer Konrad Gulla. Johannes Erler fasst zusammen.

Es gibt dieses Video, in dem der junge Amerikaner Christian Flores mit seinem Skateboard einen Laser Flip Triple Set versucht. Der Sprung ist schwer. Flores probiert es wieder und wieder, fällt auf die Fresse, bricht sich Rippen, blutet, heult und übergibt sich. Aber dann endlich, nach zwei Jahren und 2000 Versuchen, steht er den Sprung. »Das war das Härteste, was ich in meinem Leben gemacht habe. Jetzt suche ich mir eine neue Herausforderung«, sagt Flores zum Schluss. Und ist glücklich.

Konrad Gulla, Gründer der Softwarefirma Keeeb, ist auch Skateboarder. Für ihn ist das Roll­brettfahren die perfekte Analogie zum Leben: »Man steht auf dem Brett. Man fällt hin. Man steht auf. Man probiert es so lange, bis es klappt. Nur so geht es.« Der erste Versuch eines neuen Tricks, sagt Gulla, gelinge sowieso nie. Und dass es weh tut, wisse man schon vorher. Manchmal sogar heftig. Wie bei Christian Flores.

Auf seiner dramatischen Achterbahnfahrt als Entrepreneur, das Scheitern mehrfach klar vor Augen, scheint Gulla ein ziemlich entspanntes, geradezu sportliches Verhältnis zum Fehler entwickelt zu haben. Irrtümer, Rückschläge und Ent­täuschungen waren und sind seine ständigen Begleiter. Er lernt aus ihnen und wird dadurch besser. Fast könnte man meinen, er möge Fehler sogar ein bisschen.

»Don’t worry about failure. You only have to be right once«

(Mach dir keine Sorgen, dass du versagst. Du musst ja nur einmal richtigliegen), ein Zitat des Dropbox-Gründers Drew Houston, ist einer von Gullas Lieblingssätzen. Und überhaupt ist er ein Fan der US-Gründerszene, in der das temporäre Scheitern ein Teil der Vita nahezu jedes Internet-Tycoons ist. Der amerikanische Traum. Rocky Balboa auf dem Weg nach ganz oben. Man kann das belächeln. Aber wie geht denn noch mal der deutsche Traum? Fehler vermeiden, Schnauze halten, durchwurschteln?

Als Inspirator und Motivator hatte der Fehler bei uns noch nie Konjunktur. Zurzeit jedoch erlebt er ein neues Allzeittief. Kein Tag ohne Enthüllungen oder Shitstorm im Netz. Kein Tag, an dem nicht irgendwo ein Vertrauensverhältnis an angeblich unverzeihlichen Fehlern zerbricht. Al­les ist stressig, weil nichts verborgen bleibt. Risiken überwiegen die Chancen. Alles geht viel zu schnell und die Rechnung folgt auf dem Fuß. Wer will da noch Fehler machen?

»Business Angels investieren in Personen. Die Idee ist erst mal eher zweitrangig und Geschäftsmodelle dürfen sich ändern. Gute Investoren suchen nach Leuten, die flexibel sind, aus Fehlern lernen, aber ihr Ziel nie aus den Augen verlieren«, sagt Konrad Gulla und plädiert für mehr Zuversicht. Und obwohl mir die Welten von Silicon Valley und Silicon Alley nicht geheuer sind, kann ich gut verstehen, was Gulla meint, wenn ich auf meinen Beruf schaue.

Die albernen Designpitches zum Beispiel, bei denen man Lösungen und Sicherheiten präsentieren soll, bevor man seine Auftraggeber kennen­gelernt hat, sind Treppenwitz und ständiges Unglück zugleich. Sie vermeiden Qualität, weil sie Fehler von vornherein ausschließen wollen. So kommt aber nichts Neues in die Welt.

Drei Dinge empfiehlt Konrad Gulla am Ende seines Vortrags gegen die Furcht vor Fehlern:
1. Sei flexibel.
2. Nutze jede Chance.
3. Genieße deine Reise.
Das mag wie Binsen klingen, aber die freundliche Entschlossenheit, mit der Gulla sie nennt, ist überzeugend und hilfreich.

»Ein kluger Mann macht nicht alle Fehler selbst. Er gibt auch anderen eine Chance«, sagte Churchill einmal. Das waren noch Zeiten.

PS: Ich glaube übrigens, dass David Carsons Ruhm aus Fehlern erwachsen ist. Meine Theorie: Als An­fang der 1990er der Computer zum Designwerkzeug wurde und keiner so richtig wusste, wie er funktioniert, hatte Carson den Mut und den Humor, seine spektakulären Fehlversuche zu Designs zu machen – und startete eine Weltkarriere.

 

 

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Johannes Erler ist Partner des Designbüros ErlerSkibbeTönsmann, das die Creative Mornings im Hamburger designxport veranstaltet, und Mitbegründer des Designkollektivs Süpergrüp. Zu den anderen Beiträgen aus »Erlers Thema« geht es hier.

Foto: Robert Grischek

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