Am vergangenen Freitag lud Markenfilm erneut zu ihrer kleinen, feinen und höchst emotionalen Konferenz. Wir waren dabei …
© Sebastian Muth
In dem abgedunkelten Raum haben sich rund 200 Menschen versammelt, um in Wohnzimmeratmosphäre (und gefühlten 35 Grad Raumtemperatur) den ausgelesenen Speakern zu lauschen und um – wie Moderator Kai Schächtele es formulierte – »die Alltagsprobleme zu vergessen und große Emotionen zuzulassen«. Das ist den Kuratoren der Konferenz bereits zum fünften Mal sehr gut gelungen. So gut, dass fast alle Teilnehmer bis zum Ende an den Lippen der Speaker hingen – obwohl draußen der Sommer rief.
Die Auswahl der Speaker war wie immer gemischt und umfasste sowohl Branchenkenner als auch Branchenfremde. »Beyond Design« war hier schon angekommen, bevor es Motto der Typo Berlin wurde. Dieses Mal mit dabei: innocent-Gründer Dan Germain, Star-Koch Massimo Bottura, Schauspieler Clemens Schick, Berufsbeleidiger Mr. Bingo und der (Lebens-)Künstler Friedrich Liechtenstein.
Glückliche Fügung und jede Menge Humor
Unter dem Titel »I don’t know what I’m doing« berichtete Dan Germain von der Gründung der Smoothie-Marke innocent vor 17 Jahren – als ein paar 25-Jährige in ihrer Wohnung einfach drauf los Saft pressten. Dass daraus der größte Safthersteller Europas entstehen konnte, ist ganz wesentlich den Besuchern eines Festivals zu verdanken. Dort verkauften die Jungs ihre Säfte und fragten die Käufer, ob sie ihren Job aufgeben und nur noch Saft machen sollten. Der Rest ist Geschichte.
Sympathisch unprätentiös berichtete Germain davon, wie sehr es ihn immer noch verwundere, dass innocent offizieller Sponsor der Olympischen Spiele in London war – oder jetzt der Fußball-Europameisterschaft. Dabei hat die Firma, die mittlerweile über 200 Leute beschäftigt, ihre besondere Sprache nicht verloren – obwohl Coca-Cola seit 2013 90% der Unternehmensanteile hält. Ihren Humor bringen die Gründer gerne in versteckten Botschaften auf ihren Produkten unter. Einfach mal genau auf den Flaschenboden schauen!
Damit ist die Marke so beliebt geworden, dass sie massig Fan-Mail erhält – darunter sogar ein kleiner Wandteppich. Dieses Präsent sollte allerdings später noch von Mr. Bingo getoppt werden, der einen Korb gehäkelter Penisse zugeschickt bekam …
Ausflug nach Italien
Also nächstes durften die Furore-Gäste in die Welt des Massimo Bottura eintauchen, der in Modena mit Osteria Francescana das zweitbeste Restaurant der Welt führt. Sein kürzlich veröffentichtes Buch »Never Trust A Skinny Italien Chef« sowie die Netflix-Doku »Chef’s Table« geben bereits einen Blick auf seine erstaunliche Kreativität in der Küche. Doch ihm persönlich zu lauschen, wenn er seine Gerichte beschreibt und von seinen Inspirationen erzählt, ist noch mal etwas ganz anderes. Obwohl er seine Redezeit bei weitem überschritt, hörten alle wie verzaubert zu – besonders als er von seinem sozialen Engagement in der Initiative Food for Soul berichtete.
Auch die Geschichte, wie er die Hersteller des weltbesten Parmesans (Parmigiano Reggiano aus der Region Emilia-Romagna) nach einem Erdbeben mit einem Rezept (und ordentlich PR) vor dem Ruin rettete, ist aus seiner Erzählung noch beeindruckender als in der Netflix-Version erzählt.
Vom Kloster nach Hollywood
Next up: Clemens Schick, der ein weitaus vielseitigere Schauspieler ist, als man vermutet, wenn man ihn nur aus dem James Bond »Casino Royale« kennt. Im schnuckeligen Theater-Set erzählte er von der Arbeit an dem Film »4 Könige«, der beim Deutschen Filmpreis als bester Spielfilm ausgezeichnet wurde, und von den Absurditäten, die das Filmbusiness bereit hält. So stand Schick morgens noch auf dem Montblanc für eine Szene im Blockbuster »Point Break«, um dann einen halben Tag später, die wesentlich kleinere und ruhige Produktion von »4 Könige« in Hamburg zu starten.
Für eine weitere Hollywood-Produktion musste er die schriftliche Einverständniserklärung seines Tattoo-Künstlers einholen – denn die Produzenten von »Hangover 2« mussten teuer dafür bezahlen, dies beim Erfinder des Mike-Tyson-Gesichtstattoos nicht getan zu haben …
Dieser Spagat zwischen Hollywood und Indie scheint voller Spannung und Schick sehr gut zu gefallen. Dabei wähle er aber bewusst aus und achte darauf, einen Lebensstandard zu halten, der es ihm erlaubt, »nicht jeden Scheiß machen zu müssen«. Generell hängt der 44-Jährige wenig an Besitz und gibt sich durchaus gesellschaftskritisch. So suchte er einst vor seiner Karriere in einem Kloster die Gemeinschaft, die er im Alltag vermisst.
Tour de Force und Algentheorien
Nach dem Mittagessen – natürlich trendgerecht in Burger-Form und aus dem Foodtruck serviert – sorgte Mr. Bingo dafür, dass die Besucher nicht einschliefen. Mit seiner Tour de Force durch seine Hate-Mails und die Produktion eines Rap-Videos sorgte er für Lacher und forderte mit seiner Redegeschwindigkeit ungeteilte Konzentration ein. Besucher der Pictoplasma sowie der Typo Berlin kannten den Vortrag allerdings schon. Nach seiner UK-Tour mit dem Wohnwagen wird Mr. Bingo hoffentlich tolle neue Ideen haben, von denen er dann im nächsten Jahr ebenso unterhaltsam erzählen kann. Er war übrigens der einzige Speaker an diesem Tag ohne Bart – wobei Dan Germain definitiv die beeindruckendste Gesichtsbehaarung vorzuweisen hatte.
Einen sehr üppigen Bart, der schon zum Markenzeichen geworden ist, trug auch der letzte Speaker: Friedrich Liechtenstein. Er berichtete im Gespräch mit Kai Schächtele von seinem Leben vor und nach »Supergeil«, seiner Jugend in Eisenhüttenstadt, die Zeit als Schmuckeremit und von seinem neuesten Projekt, der Doku »Tankstellen des Glücks« für Arte. Auch ein kurzer Exkurs in Liechtensteins Algen-Theorie durfte nicht fehlen, sorgte allerdings eher für Verwirrung als für Klarheit …
Insgesamt ein sehr abwechslungsreicher Tag mit unterhaltsamen Speakern, der – wie schon die Furore-Events davor – mit seiner Familiarität und Exklusivität punktete. In unserer Bildergalerie bekommen Sie ein paar Eindrücke von der Furore V. Mehr Fotos und ein Video gibt es in Kürze auf furore.markenfilm.de und unter www.facebook.com/Markenfilm.
Wir freuen uns schon aufs nächste Mal!