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So tickt der Kreativarbeitsmarkt

Warum die Kreativbranche immer noch ein Macho-Business ist, man als Packaging Designer aufpassen muss und wie Agenturen sich fit für die Zukunft machen: Wir sprachen mit Markenpersonal-Geschäftsführer Nils Kreyenhagen.

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Recruiting, Employer Branding, Managementberatung, Organisationsentwicklung, Change Management und Coaching – all das hat die Personalberatung Markenpersonal aus Hamburg in ihrem Köcher. Spezialisiert hat sie sich auf die Kreativbranche. Wir sprachen mit Geschäftsführer Nils Kreyenhagen über seine Erfahrungen und aktuelle Entwicklungen.

Was unterscheidet Markenpersonal von Headhunting-Agenturen?

Unsere Beratungsstärke. Wir legen viel Wert auf Beratung und Coaching, nehmen uns Zeit für Kunden und Bewerber. Selbst wenn es nichts mit einer Anstellung werden sollte, möchten wir, dass die Leute aus dem Prozess ein gutes Gefühl für ihren eigenen Stellenwert und den Markt mitnehmen. In der Vergangenheit haben wir unter anderem Prozesse wie Agenturneugründungen, Repositionierungen und Fusionen begleitet. Wir unterscheiden uns im Leistungsangebot sowie der Kundenstruktur, denn wir arbeiten auch für Startups und Industrieunternehmen.

Sie vermitteln auch Kreative an Unternehmen. Wie groß ist da die Nachfrage auf Seiten der Bewerber?

Sehr groß. Das ist allerdings gar nicht so einfach. So wie Agenturen darauf gucken, wo jemand vorher gearbeitet hat, tun es Unternehmen auch. Da hilft Branchenerfahrung.

Unternehmen bauen verstärkt interne Agenturstrukturen au – eine interessante und nachvollziehbare Entwicklung in Zeiten des Content Marketings.

Inwiefern macht sich der steigende Druck auf dem Personalmarkt der Kreativbranche bemerkbar?

Zum einen dauert es viel länger Positionen zu besetzen. Einfach war es noch nie, aber der Aufwand hat deutlich zugenommen. Viele Geschäftsführer unterschätzen diesen Aufwand, was es nicht immer leicht macht für HR-Verantwortliche. Meist braucht es rund zwei bis vier Wochen allein für Recherche und Ansprache – noch bevor überhaupt erste Gespräche geführt werden. Dann folgt der Prozess mit Einladungen, Gesprächen und Verhandlungen. Im Durchschnitt dauert es acht Wochen, bis eine Entscheidung gefallen ist. Von diesen Übergangszeiten profitieren die Freelancer, die für Agenturen wiederum teuer sind – und das in Zeiten sinkender Honorare. Deshalb versuchen Agenturen die eingestellten Mitarbeiter länger an sich zu binden. Selbst Junioren haben heute eine Kündigungsfrist von drei Monaten, früher waren es vier Wochen zum Monatsende.

Wie machen sich Agenturen attraktiv?

Durch Präsenz, Transparenz, modernere Führung, Mitarbeiterbindung, Weiterbildung und die Kultur. Im Idealfall wird das strategisch angepackt und ist eingebettet in ein Employer Branding Konzept. So systematisch machen das allerdings wenige Agenturen. Sicherlich ein Grund, weswegen sich Agenturen in Zukunft noch schwerer tun werden im Kampf um gute Köpfe.

In Berlin haben Agenturen besonders mit der Konkurrenz durch Startups zu kämpfen.

Dort herrscht eine ähnliche Kultur und es bietet sich die Chance, an etwas teilzuhaben, das noch im Entstehen ist. Außerdem lockt die Chance, sich so in Richtung Unternehmensseite zu entwickeln.

Das Thema Frauen in der Kreativbranche ist gerade sehr aktuell. Das Cannes Lions Festival hat kürzlich die Einführung der Glass Lions verkündet, die Werbung auszeichnen, die mit Geschlechter-Vorurteilen aufräumt, und es sich zum Ziel gemacht, den Frauenanteil in Agenturen und hier vor allem in den Führungsetagen zu erhöhen. Wie ist Ihre Erfahrung mit dem Thema?

Das Kreativbusiness ist nach wie vor ein Macho-Business.

Hier schaffen es leider nur wenige Frauen bis nach ganz oben. Frauen verkaufen sich meist schlechter beziehungsweise unter Wert. Außerdem ist die Agenturwelt stark von Männer-Netzwerken geprägt.

Dazu kommt natürlich das klassische Thema Karriere versus Familie.

Hier ist langsam ein Umdenken erkennbar.

Agenturen werden offener für Teilzeit-Modelle – wenn auch gezwungenermaßen.

Ohne flexible Modelle liegt viel kreatives Potential brach. Eltern sind oft sehr motiviert und arbeiten über das vereinbarte Zeitmaß hinaus. Es ist aber eine Frage der Organisation und der Haltung – auch den Kunden gegenüber. Agenturen müssen ihren Auftraggebern vermitteln, dass eine bestimmte Personalkonstellation die beste für ein Projekt ist – auch wenn ein oder zwei Leute ab 15 Uhr nicht mehr zu erreichen sind.

Was auch auffällt: Es gibt kaum Menschen in den Führungsebenen, die nicht in Deutschland aufgewachsen sind.

Das liegt primär daran, dass es in Deutschland wenig internationales Geschäft gibt. Hinzu kommen Sprachprobleme. Teams kommunizieren intern problemlos auf Englisch, aber der deutsche Mittelständler spricht nun mal lieber Deutsch. Generell ist Deutschland als Standort für viele internationale Kreative nicht sehr attraktiv.

Woran liegt das?

Englischsprachige Kampagnen haben eine höhere Reichweite. Dazu kommen Mentalität und Arbeitsweisen. Agenturen in Städten wie New York oder Amsterdam ticken anders. In Deutschland trennen Kunden und Agenturen zum Beispiel meist noch strikt zwischen den Kreativdisziplinen. Das kann sehr verwirrend und anstrengend sein für Leute, die anders sozialisiert wurden. Ich würde deshalb empfehlen, Erfahrungen im Ausland zu sammeln. Das perfekte Karrieresprungbrett führt von Amsterdam oder London nach New York. Kommt man dann zurück nach Deutschland, ist man verdammt attraktiv für viele Agenturen.

Eine andere Art von Beschränkung ist es, wenn man sich zu sehr auf eine Disziplin versteift. Haben Sie da Erfahrungen?

Einmal Packaging Design, immer Packaging Design.

Ist man erst mal in dieser Sparte, kommt man nur ganz schwer wieder heraus. Manche Designer sind sogar auf eine bestimmte Branche festgelegt, etwa Food-Packaging. Das ist quasi die größtmögliche Spezialisierung, die einen Weg zurück sehr schwer macht.

Wieso ist das so?

Das Spielfeld bei anderen Agenturen ist einfach größer. Werbeagenturen machen durchaus auch Packaging Design oder entwickeln eine Corporate Identity. Packaging-Agenturen jedoch so gut wie nie einen TV-Spot oder eine App. Das ist also sehr fokussiert und als Designer erwirbt man sehr spezielle Skills.

Wie kommt man aus dieser Sparte heraus?

Freie Projekte können helfen zu zeigen, dass man auch weiter denken kann. In größeren Designagenturen sollte man versuchen, auch mal beim Corporate-Team reinzuschnuppern.

Auch Agenturen müssen generell gucken, wo sie bleiben. Das alte Geschäftsmodell funktioniert immer weniger. In welche Richtung könnte es Ihrer Meinung nach gehen?

Langfristig brauchen Agenturen vermutlich zusätzliche Erlösmodelle.

Ein spontanes Beispiel ist Kolle Rebbe, die durch die Zusammenarbeit beziehungsweise Beteiligung an Startups und eigene Produktentwicklungen einen solchen Weg gehen. Viele Startups haben tolle Ideen und einen großartigen Spirit, aber ihnen fehlt die Erfahrung als Unternehmer und das Marketing-Know-how. McKinsey können – und wollen – sich die meisten nicht leisten. Da passen Agenturen von ihrer Kultur her viel besser als Berater. Inhabergeführte Agenturen sind hier im Vorteil gegenüber Networks, weil sie freier und schneller entscheiden können.


Mehr zum Thema:

Mit Sebastian Vogt, Geschäftsführer der Personalberatung Get&Keep sprachen wir über Talentmanagement in der Kreativbranche. In PAGE 3.2015 lesen Sie einen ausführlichen Artikel zum Thema – hier geht’s zur Bestellung.

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Die Recherchemethoden und -tools von Kolle Rebbe, Zeichen & Wunder und Co

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Uiui,
    nichts Neues, was da als breaking news verkündet wird. Da wäre ich aber auch von alleine darauf gekommen auf diesen schlauen Satz dieses Schnellmerkers, dass Frauen sich in der Kreativwelt unter Wert verkaufen.

    Wieder drauf reingefallen: Mit welchen Tricks man aber immer wieder vom erhaltenen Newsletter auf die PAGE gelockt wird …, faszinierend.

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