Überkapazitäten und strauchelnde Betriebe prägen die krisengeschüttelte Druckindustrie. Doch einige Unternehmen trotzen der Lage und überzeugen durch smarte Ideen und Konzepte.
Bei Kreativen ist Naturpapier beliebt. Es vermittelt Wärme und Wertigkeit und hat eine »grüne« Ausstrahlung. Allerdings sehen darauf gedruckte Bilder oft ziemlich flau aus. Das ließ Ralf Vogl, seit 23 Jahren Geschäftsführer der Druckerei Vogl in München, keine Ruhe: »Viele Agenturen hätten Lust, mehr auf Naturpapieren zu realisieren, aber ihre Kunden haben regelrecht Panik vor dem Material. Also fingen wir an zu forschen, was man da machen kann.«
Das Ergebnis ist der High-Gamut-Workflow, mit dem sich auch auf Naturpapier eine perfekte Bildwiedergabe erzielen lässt. Und wie funktioniert das? »Wenn wir damit auf Naturpapier drucken, verwenden wir Daten in ISO Coated. Diese haben einen circa 35 Prozent größeren Farbraum als die normal verwendeten ISO-Uncoated-Druckdaten«, erklärt Vogl. Um die Qualität, die der Kunde vom Druck auf Bilderdruckpapier kennt, auch auf Naturpapier zu bekommen, nimmt die Druckerei die Coated-Daten und wandelt sie über ein ICC-Profil für den High-Gamut-Workflow um. »Damit wir auf Naturpapier den vollen Farbumfang darstellen können und noch mal mehr Farbpower bekommen, setzen wir keine Standardfarben ein, sondern hochpigmentierte. So erhält das Motiv mehr Tiefe, mehr Zeichnung, mehr Kontrast und mehr Brillanz.«
Dass bislang noch niemand auf diese Idee gekommen ist, erklärt Ralf Vogl damit, dass der Vorgang nicht ganz so einfach ist, wie er klingt. »Man kann die Daten nicht ı:ı hernehmen. Durch den Druck auf Naturpapier verschieben sich die Farbwerte, das heißt, man muss über ICC-Profilierungen arbeiten, bis man die Tonalität des ISO Coated auch auf Naturpapier bekommt.«
»Eine mit Bilderdruckpapier produzierte Broschüre fühlt sich genauso an, als hätte man ein Smartphone in der Hand – es fehlt das haptische Erlebnis«
Seit Kurzem umfasst der High-Gamut-Workflow auch das Angebot eines farbverbindlichen Proofs – bei Naturpapieren keineswegs üblich. »Ihr Druckverhalten ist unruhiger als das gestrichener Sorten«, erklärt Ralf Vogl. »Aber die von der Fogra vorgegebenen Naturpapier-Proofs sind im Vergleich zum Druckergebnis einfach zu clean. Wir arbeiten Störungen ein, die das Verhalten des Naturpapiers simulieren. So sieht der Kunde auf dem Proof auch das, was er später bekommt, und erlebt keine Überraschungen mehr.« Die Proofs sind mittlerweile Fogra-zertifiziert und tragen maßgeblich dazu bei, dass die Kunden den High-Gamut-Workflow mit viel Begeisterung annehmen.
Sogar BMW Motorsport ließ ihr letztes Magazin komplett auf Naturpapier drucken. Ein klares Indiz, in welche Richtung der Trend geht – aber natürlich nur, wenn die Druckqualität stimmt.
Mit Xaver Egger hat bereits die fünfte Generation die Leitung von Egger Druck + Medien übernommen. Seit er vor zwei Jahren seinen Vater als Geschäftsführer ablöste, wandelt sich das Familienunternehmen von einer klassischen Akzidenzdruckerei zu einem Verpackungsspezialisten für kleine Auflagen – besetzt sozusagen die Nische in der Nische. »Unser Fokus liegt auf individuellen Entwicklungen«, sagt Xaver Egger. »Wir wollen jede Anfrage wie ein Projekt behandeln und Sonderlösungen realisieren. Und zwar in Auflagen, für die andere ihre Konstruktionsabteilung gar nicht behelligen würden.« Los geht es bei ı5 Stück, nach oben gibt es zwar keine Grenzen, aber Egger Druck konzentriert sich auf Auflagen zwischen 50 und 2000 Exemplaren.
»Wir wollen Sonderlösungen realisieren. Und zwar in Auflagen, für die andere ihre Konstruktionsabteilung gar nicht erst behelligen würden«
Ist man nicht einer von den ganz Großen, ist Spezialisierung der einzige Weg, im Markt zu bestehen, davon ist Xaver Egger überzeugt. So fing er vor einem Jahr an, nach einer aussichtsreichen Positionierung – auch im Web – zu suchen. Und fand sie im boomenden Bereich der Verpackungserstellung und -bedruckung. Zu der neuen Ausrichtung gehört der jüngst gelaunchte Onlineshop madika.de. Hier bietet Egger Druck neben Mailings und Displays auch verschiedene ihrer nicht so individuellen Verpackungslösungen an. Mit den vielen Auswahlmöglichkeiten und sehr hoher Detailgenauigkeit ein einzigartiges Portal.
Auch wenn es noch viel zu bewältigen gilt, sieht Xaver Egger die Druckerei auf einem guten Weg. Gerade durch die verstärkte Zusammenarbeit mit Designbüros würden sich spannende Projekte ergeben. »Vor allem im Bereich gedruckte Elektronik und in der Kombination von Produktionsverfahren – wenn zum Beispiel im Offset produziert, im Digitaldruck personalisiert und im Siebdruck gedruckte Elektronik aufgebracht wird – passiert in naher Zukunft noch viel«, ist Xaver Egger überzeugt.
Die Krise der Druckindustrie ist keine konjunkturelle, sondern eine strukturelle, die aus der Veränderung der Medienlandschaft resultiert. Deshalb, davon ist Ernst Gärtner, Geschäftsführer von Eberl Print, überzeugt, können sich Druckereien nur noch durch Positionierung und Strategie behaupten: »Wo es um Unternehmenskommunikation und Markenbildung geht, ist das Printmedium unverzichtbar.«
Eberl Print positioniert sich an der Schnittstelle von Kreation und Produktion und investierte in die Abteilung 3DE für Produktentwicklung und Musterbau, in der vier Konstrukteure CAD-Zeichnungen und Modellbauten anfertigen und die vor allem Geschäftsberichte, Mailings, Verpackungen und Effektkarten realisiert. Den idealen Ablauf skizziert Ernst Gärtner folgendermaßen: »Die Kreativen erhalten von ihren Kunden ein Briefing und entwickeln eine Idee – diese gilt es dann gemeinsam umzusetzen. Wir mögen es, wenn Designer sehr frühzeitig mit ihren Wünschen und Konzeptionen zu uns kommen. Dann können wir nicht nur austauschbare technische Leistungen, sondern Intelligenz anbieten und Ideen zur Machbarkeit verhelfen.«
»Der 3D-Drucker an sich ist für Druckereien definitiv keine Geschäftsidee«
Erste Inspirationen liefern die 3DE-Musterboxen zu den Themen Packaging, Effektkarten sowie Veredelungen auf Naturkarton: »Die Boxen sollen einen Denkanstoß geben, in den folgenden persönlichen Gesprächen, können wir dann unsere Beratungskompetenz ausspielen. Wir machen alles, was nicht geht. Nicht weil wir eine Manufaktur sind, sondern weil wir das Beste an industrieller und individueller Produktion vereinen«, erklärt Ernst Gärtner nicht ohne Stolz. Die zweistelligen Zuwachsraten bei 3DE geben ihm eindeutig recht.
Wäre ein 3D-Drucker nicht eine sinnvolle Investition in der Abteilung für Produktentwicklung? »Ich will nicht ausschließen, dass wir für Visualisierungen irgendwann einen haben werden. Da ist schon Potenzial«, meint Gärtner, warnt aber vor zu viel Euphorie. »Letztlich ist 3D-Druck nichts anderes als Kunststoff-Spritzguss mit modernen Methoden in Einzelanfertigung. Ein Papiermuster von uns ist mindestens so aussagekräftig. Der 3D-Drucker an sich ist für Druckereien definitiv keine Geschäftsidee.«
Mit einer ganz neuen Veredelungstechnik erweckt Dürmeyer Printmotive zum Leben. Möglich macht das eine Maschine des französischen Herstellers MGI: die JETvarnish 3D. Mit ihr kann man nicht nur über große Flächen Homogenität im Lack erzielen, sondern diesen auch rastern und in einem Motiv verschiedene Höhen darstellen, ohne vorher prägen zu müssen. Auf diese Weise lassen sich dreidimensionale Strukturen realisieren, die bislang überhaupt nicht darstellbar waren. Denn im gängigen Siebdruck – wo der UV-Spotlack herkommt – ist der Lackauftrag äußerst dünn. Er sorgt zwar für einen glänzenden Effekt, ein haptisches Erlebnis findet aber nicht statt. Weltweit sind erst wenige dieser Hightech-Systeme im Einsatz. Besonders stolz ist Geschäftsführer Pascal Dürmeyer auf den kreativen Umgang mit der Technologie in der Vorstufe. »Man legt Lackformen fast genau wie früher an«, erklärt er. »Aber dadurch, dass die JETvarnish 3D selbst ein Betriebsprogramm hat, das InDesign und Photoshop ähnelt, können wir noch an der Maschine gestalten. Also zum Beispiel Strukturen verändern, das Motiv schrumpfen, aufblähen oder die Lackzufuhr verändern.«
»Unsere Neukundenansprache ist maximal individuell. Bei einem Autohersteller ohne eigens für ihn veredelte Motive aufzulaufen, hat keinen Sinn«
Seit etwas mehr als einem Jahr ist Pascal Dürmeyer in dritter Generation Geschäftsführer und machte sich auf die Suche nach einem USP für sein Unternehmen. »Als Druckerei mit einem austauschbaren Portfolio Neukunden zu gewinnen, ist enorm schwierig. Als Türöffner fungiert nun die neue Veredelungstechnik, die sie unter der Marke Black Label anbieten. »In der Kreativität hinter dieser Technologie haben wir unsere Nische gefunden, indem wir schauen, was möglich ist, welche Lackstrukturen darstellbar sind«, meint Pascal Dürmeyer. »Dabei präsentieren wir uns aber nicht als Veredler. Man kann diesen UV-Lack in 3D bei uns nur bekommen, wenn man auch bei uns druckt.«
Die ersten Kunden jedenfalls sind begeistert. Auch die Auslastung ist gut. Die Maschine läuft jeden Tag. Entsprechend hat sich der Spirit im Unternehmen gedreht: »Seit wir hier etwas anbieten, was sonst keiner kann, sehen unsere fünfzig Mitarbeiter positiv in die Zukunft.«
Der Krise im Druckgewerbe zum Trotz wächst sie immer weiter: Die 2002 von Heinz Wurzel gegründete Wurzel Mediengruppe umfasst heute 270 Mitarbeiter. Das gelingt ihr durch die intelligente Verknüpfung von Druck und Neuen Medien. »Hohe Auflagen im Bogendruck, die nur Informationswert haben, sind Tempi passati. Was zählt, ist das Besondere. Es wird immer wichtiger, mit Printprodukten aufzufallen«, stellt Heinz Wurzel fest. »Wir haben früh begonnen, uns in den digitalen Medien zu etablieren – von der Visualisierung mittels CGI über Augmented Reality bis zur App-Erstellung.« So liefert etwa die Wurzel Medien GmbH ihren Kunden aus den Konstruktionsdaten eines Autos oder einer Badezimmerarmatur mittels CGI fotorealistische Bilder von Produkten, die es zu diesem Zeitpunkt gar nicht gibt.
»Wir sind nicht die einzige Branche unter Druck –durch die Verknüpfung mit den Neuen Medien haben wir aber eine Zukunft«
Eine andere Strategie der Wurzel Mediengruppe ist es, in verschiedenen Bereichen Besonderheiten anzubieten. Im Bogenoffset, wo das Auftragsvolumen kontinuierlich zurückgeht, ist das zum Beispiel Kaltfolientechnologie sowie eine besondere Art der Erstellung der Daten für den Duplex- beziehungsweise Triplexdruck. Veredelungen, die vor allem im Kunstbereich stark nachgefragt werden. Im Rollenoffset hat das Unternehmen mit seinen vier 8-Seiten-Druckmaschinen ein Alleinstellungsmerkmal in Europa. Realisiert werden hauptsächlich individualisierte Werbebeilagen, denn zumindest in diesem Bereich ist die Nachfrage stabil.
Das größte Potenzial sieht Wurzel aber im Digitaldruck: »Er punktet durch seine Unkompliziertheit und Schnelligkeit. Kunden müssen nicht in hohe Auflagen investieren, die sich zudem individualisieren und personalisieren lassen.« Die Wurzel Mediengruppe setzt im Digitaldruck eine Xeikon 8500 ein – ein Wettbewerbsvorteil, findet der Unternehmensgründer: »Sie druckt buchstäblich so lang, wie man will, und das bei einer ı200 dpi Auflösung.«
International hat sich die Gruppe mit der zum Firmenverbund gehörenden Dr. Cantzsche Druckerei im Nischenmarkt Kunst positioniert und druckt für Museen und Galerien auf der ganzen Welt. Dieses Geschäftsfeld will das Unternehmen in Zukunft noch weiter ausbauen.
Mehr zum Thema »Naturpapiere« erfahren Sie in PAGE 05.2015 im PAGE Shop!