Selfmarketing für Kreative
Ab sofort im Handel: PAGE 12.2014
Editorial: Famous Faces
Vom Hype, sich im Netz hinter einem Avatar zu verstecken, ist wenig übrig geblieben. Wie sonst ließe sich der Selfie-Trend erklären. Dass wir uns im Cyberspace ohnehin nie wieder inkognito bewegen werden, damit haben wir uns offensichtlich arrangiert, unserem Geschäft ist es bisweilen ja auch ganz zuträglich. Dass unsere Daten nun aber auch systematisch mit unseren Gesichtern verknüpft werden und wir somit unsere Anonymität auch offline im realen Leben verlieren, da stellen wir uns gerne ahnungslos. In Zeiten der Social Networks und des Starkults müssen wir uns schließlich zu erkennen geben. Nicht nur bei unseren Jobs, auch in eigener Sache geht’s darum, die Story respektive den Kopf hinter einem Produkt auf originelle Art zu offenbaren. Wir machen unser Profilbild zum Logo unserer selbst, Gesichtserkennung hin oder her.
Schon Albrecht Dürer war ein »Poser« und nutzte Selbstbildnisse fürs Selfmarketing. »In den langen Haaren, dem messiasgleichen Gesicht sehen wir, wie der Grafiker und Maler sich selbst empfand«, schrieb denn auch Tillmann Prüfer jüngst in seinem Selfie-Essay (»ZEITmagazin«, Nr. 29/2014). Nämlich »eine Figur, die nicht von den Augen der Gesellschaft gesehen wird, sondern sich durch die eigenen Augen jener Gesellschaft präsentiert«. Ja, die Selbstporträts zeigen den Künstler nicht etwa in Ausübung seiner öffentlichen Funktion vor einer Leinwand, sondern im feinsten Zwirn; sie machten Dürer zur Marke und brachten ihm zahlreiche Aufträge ein. Kein Wunder, das Gesicht ist seit jeher das authentischste Medium von Ausdruck, Selbstdarstellung und Kommunikation. In diesem Sinne gelten auch Selfies, die unmittelbarer kaum inszeniert werden könnten, für Kreative schnell mal als Mittel der Wahl.
Doch warum in aller Welt verstecken sich indes so hochdekorierte Gestalter wie Rocket & Wink – sorry, aber sie dürfen in diesem Kontext einfach nicht fehlen – hinter Masken? Weil sie unerkannt bleiben wollen? Weil bei ihnen laut Selbstauskunft die Ideen sonst nur so rausgequollen kämen, was äußerst unschön anzusehen wäre? Selbstverständlich nicht. Sie legen das Augenmerk auf ihre Arbeiten und machen sich selbst durch Abschottung bedeutsam. Storytelling vom Feinsten eben. Auch Dürer lenkte mit seinen Selbstporträts die Aufmerksamkeit nicht auf sich, sondern auf seine Schaffenskraft: Wer zu solch einem Blick auf sich selbst in der Lage ist, dem traut man auch zu, in anderem das Besondere zu sehen und dies sichtbar zu machen. – Die hohe Kunst der Selbstvermarktung mit all ihren Facetten, online wie offline, beleuchten wir in PAGE 12.2014.
Gabriele Günder,
Chefredakteurin/Publisher
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Schlagwörter:
Kreativbranche
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