as richtige Leben im falschen: Friedrich von Borries stellt auf der re:publica »Show You Are Not Afraid« vor.
Die Revolution hat schon immer viele interessiert. Auch auf dem Stage 5 der re:publica, auf dem Friedrich von Borries, Architekt und Professor für Designtheorie und kuratorische Praxis an der Hamburger Hochschule für bildende Kunst, RLF vorstellte, ein Projekt, das zwischen Realität und Fiktion mäandert und Protestbewegung, Unternehmen und Kunstwerk ist.
Begonnen hat alles angeblich bei den Riots in London 2011 als ein befreundeter Werber erst begeistert teilgenommen hat und dann bemerkte, dass die Protestierenden vor allem Kaugummi und Turnschuhe plünderten – und er sich überlegte, dieses kämpferische Potential in sinnvollere Bahnen zu leiten.
Angelehnt an Adorno, der den berühmten Satz »Es gibt kein richtiges Leben im falschen« prägte, geht es RLF genau darum, dieses zu finden. Und glaubt man von Borries, die eigenen Mittel des Kapitalismus zu nutzen, um ihn zu überwinden.
Hört sich ein bisschen nach der Argumentation der Nicht-Wehrdienst-Verweigerer in den 80er Jahren an, die bewusst in die Armee eintreten wollten, um sie vor Ort zu unterwandern. Und ist bei von Borries vor allem auch ein wunderbar hintersinniges und ausgefuchstes Spiel, das mit Intellekt und Geldbeutel hantiert – und mit einer Möbel- und Geschirrserie, die ab Sommer erhältlich ist und im Herbst als Shop im Shop in dem exklusiven Berliner Konzeptstore von Andreas Murkudis zu sehen.
Show You Are Not Afraid – mit dem Slogan, der von einem Muster umgeben ist, das an die hypnotischen Augen der Dschungelbuch-Schlange Kaa erinnert, werden verschiedene Designprodukte angefertigt und Designklassiker »verziert«. Mit viel Gold und schön teuer, denn es soll ja die oberen Zehntausend treffen, die die Geschicke des Landes lenken wie von Borries sagt.
Stellt man sich hinter das kapitalistische System oder dagegen? Zu einer Antwort fordert ein jedes der Designerstücke heraus, zu denen Konstantin Grcics Sofaüberwurf gehört, der mit echten, aber so dünnen Goldfäden durchzogen ist, die ihn zwar ordentlich teuer machen, aber furchtbar unbrauchbar sind. Setzt man sich darauf, rippeln die Fäden nach und nach auf. Oder dem Ikea-Tisch »Lack«, der mit Blattgold überzogen ist, aber nicht versiegelt – und legt man was ab, ist es nach und nach vorbei mit der güldenen Oberfläche und statt dessen erscheint der Slogan »Show You Are Not Afraid«. Darüber hinaus gibt es Geschirr, das gemeinsam mit der Königlichen Porzellan Manufaktur Berlin produziert wird und wo der Goldrand an der Unterseite zu finden ist – und, mehr im jüngeren Lifestyle-Segment, erscheint eine limitierte Turnschuh-Kollektion in Zusammenarbeit mit adidas, die unverkäuflich ist, deren Paare man sich jedoch mit politischem Aktivismus erkämpfen kann …
Und sollte dieser aufgepimte Anti-Kapitalismus-Kampf tatsächlich aufgehen, wird das Geld in eine Micro-Nation fließen, die alternative Formen des Zusammenlebens erprobt.
»Werde Shareholder der Revolution«, fordert von Borries in wunderbarer Absurdität. Und können wir es uns auch nicht leisten, das goldene Designersofa mit unserem Hintern abzuschubbern, goldene Nägel ins Holz zu hauen oder Blattgold abzurubbeln, ist das Projekt ein tolles Verwirrspiel über die herrschenden Verhältnisse in denen wir es uns trotz unser Kritik daran so wunderbar konsumfreudig bequem gemacht haben.
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