
Patreon & Co: Alternative Einnahmequellen für Kreative
Membership-Plattformen wie Patreon oder Steady helfen Kreativen, sich über ihre Communitys zu finanzieren und ein eigenes digitales Business aufzubauen. Wir zeigen, wie das aussehen kann
Sarah Mirk kostete dieser Schritt einige Überwindung. Die Autorin und Grafikjournalistin aus Portland, Ohio, begeistert immer mehr Menschen mit ihren politischen Comic-Zines, die sie über Twitter und Instagram sowie mit einem Newsletter über TinyLetter verbreitet. Obwohl sie schon eine große Fangemeinde hatte, dauerte es ein paar Jahre, bis sie sich entschloss, es mit einer Seite auf Patreon zu versuchen. »Ich hatte Bedenken, dass es so rüberkommt, als wolle ich Freundschaften oder Beziehungen zu Geld machen«, sagt Mirk. »Im Austausch mit anderen Kreativen habe ich dann aber verstanden, dass es bei solchen Modellen darum geht, dass sie den Mittelsmann – etwa den Buchhändler oder Galeristen – entbehrlich machen.«
»Das Membership-Modell funktioniert für Kreative besser als der Verkauf von einzelnen Produkten. Das Einkommen fließt regelmäßig und vorhersehbar«
Sarah Mirk, Graphic Journalist
Das A und O für Membership-Plattformen
Bei Vincent Schwenk, 3D Artist und Motion Designer aus Hamburg, sind es Videotutorials, die er für seine Patreon-Community entwickelt: »Auf die Idee bin ich vor etwa anderthalb Jahren gekommen, als mich immer mehr Leute fragten, wie ich bestimmte Dinge in 3D mache. Um dann nicht jedem Einzelnen antworten zu müssen, habe ich den Channel gestartet«, berichtet Schwenk. Sein Einkommen über Patreon steigt seitdem stetig, zusätzlich verdient er am Verkauf von Texturen, 3D-Modellen et cetera über die Online-Plattform Gumroad. Er nimmt zwar Aufträge an – am liebsten, wenn der Kunde einen hohen Designanspruch hat –, aber es bleibt auch Zeit genug für freie Projekte und Kollaborationen, bei denen es nicht ums Geld geht.
Auf Patreon bietet Vincent Schwenk zwei verschiedene Preislevel, sogenannte Tiers, an, für die er einmal im Monat ein 30- bis 60-minütiges Videotutorial produziert. Darüber hinaus gibt es einen Zugang zu allen Inhalten, der sich an Agenturen richtet.
»Der Content muss schon sehr maßgeschneidert sein, in meinem Fall sind das Cinema-4D- und Redshift-Tutorials am Beispiel von Designprojekten auf einem sehr hohen, technisch anspruchsvollen Niveau, denn es gibt genügend kostenlosen Content auf YouTube«
erklärt Schwenk.

Creative-Coding-Experte Tim Rodenbröker aus Paderborn hatte ähnliche Überlegungen, als er 2020 eine E-Learning-Plattform für Processing startete: »Es existiert eine riesige weltweite Community und entsprechend eine Flut an freiem Material«, berichtet Rodenbröker. Dennoch oder gerade deshalb scheinen seine Premiuminhalte und das Vertriebskonzept zu funktionieren: Seit dem Launch hat er über 1000 Abonnenten gewonnen, die er über Patreon genau genommen nur abwickelt. Man bucht eines der beiden Level – Einsteiger oder Fortgeschrittene – und erhält damit Zugang auf die Lernplattform unter https://timrodenbroeker.de und alle dortigen Inhalte wie Tutorials, Meetups oder Tim Rodenbrökers Slack-Community.
»Als Creator möchte ich die Kontrolle über meine Formate und Inhalte nicht aus der Hand geben. Deshalb nutze ich die Patreon-API, um den Content auf meiner Site zu sichern. Ich hoffe, dass Patreon Wort hält und die API weiterentwickelt«
so Rodenbröker. Patreon erleichtert das Einsammeln von kleineren Geldbeträgen aus der ganzen Welt, verrechnet die geltenden Umsatzsteuersätze und überweist den Kreativen einmal im Monat die eingesammelte Summe abzüglich Servicegebühren.
Veröffentlichungsstrategie: exklusiv oder für alle?
Ebenso wie Videotutorials oder Artworks funktionieren auch fachspezifische Podcasts. Der Hamburger Webdesigner Jonas Arleth begann im Mai 2018, seinen Podcast »Web & Design« auch auf Patreon zu pushen. Weil er schon immer das Gefühl hatte, seine Zuhörer würden ihm gerne etwas zurückgeben, richtete er zunächst zwei unterschiedliche Level für den Bezug exklusiver Folgen ein. 2021 entschied sich Arleth für einen Strategiewechsel und bietet die Inhalte nur noch eine gewisse Zeit lang exklusiv an:
»Am Anfang waren die Sonderfolgen gut, um die Leute auf Patreon zu ziehen – aber da schlummert so viel Wissen und Erfahrung, dass ich sie jetzt nach einem Monat öffentlich poste.«
Stattdessen bietet Arleth zusätzlich einen Webflow-Onlinekurs, den man über Patreon buchen kann, wo man zusätzlich einen Rabatt gegenüber der regulären Buchung erhält.

Patreon selbst rät den Creators zwar zu exklusiven Inhalten, aber auch Sarah Mirk glaubt nicht an die Alleingültigkeit dieser Strategie. Sie ist überzeugt, dass es Menschen gibt, die einfach genug Geld haben und gern in gute Projekte investieren – ganz unabhängig von Exklusivität. Sie hat deshalb vier verschiedene Level eingerichtet, das teuerste liegt bei monatlich rund 30 Euro, enthält die Zusendung von 30 gedruckten Zines im Monat und wird von ihren größten Fans gebucht: »Manche Leute sind froh, wenn sie dich mit 2 Dollar im Monat unterstützen können, andere verdienen so viel, dass sie dir mehr geben wollen. Aber niemand braucht jeden Monat ein neues T-Shirt, deshalb funktioniert das Membership-Modell für Kreative insgesamt besser als der Verkauf von einzelnen Produkten. Das Einkommen fließt regelmäßig und vorhersehbar.«
Die Community: das Prinzip der Gegenseitigkeit
Natürlich berichten alle Creators vom Kommen und Gehen ihrer Unterstützer – dennoch ist die Community im Ganzen sehr loyal und großzügig. Das hat auch die Illustratorin und Mediendesignstudentin Jenny Hefczyc aus Hildesheim erlebt. Als Jenny Jinya eroberte sie mit ihren »Loving Reaper«-Comics im Sturm die Herzen Zehntausender Tierfreunde. Fast tausend von ihnen supporten sie auf Patreon und spenden monatlich zusammen rund 4000 Euro, von denen 30 Prozent als Spende an Tierschutzorganisationen gehen.
»Patreon ist eine fantastische Möglichkeit, seiner kreativen Arbeit nachzugehen und Fans teilhaben zu lassen. Extra-Inhalte oder ein Blick hinter die Kulissen – alles, was im Entstehungsprozess sowieso anfällt, kann man teilen, und wird dankbar angenommen«
so Jinya.

Ihre Illustrationen verkauft sie über Redbubble auch als Merchandise, und nutzt diesen zugleich als Extras für höhere Level in Patreon. Ihren Erfolg verdankt Jenny Jinya nicht nur ihrem Engagement als Tierschützerin, sondern auch einer weltweiten Community, die sie seit ihrem Blitzerfolg um sich versammelt hat. Über eine halbe Million Menschen folgen ihr allein auf Instagram und bekommen regelmäßig neue Inhalte und Links zu den Plattformen, auf denen man sie unterstützen kann.
»Social Media ist das A und O, ohne meine vorherige Bekanntheit auf Instagram hätte ich auch keine Patreon-Follower. Deshalb investiere ich weiterhin sehr viel Zeit in Instagram und Co«, erklärt Vincent Schwenk. »Wenn mir Leute Fragen stellen, beantworte ich diese, auf Patreon ebenso wie per Mail oder auf Instagram. Aber insgesamt geht es vom Aufwand.« Mehr Zeit verbringt er mit dem Planen und Erstellen von Inhalten: »Derzeit brauche ich ein bis zwei Tage, um zu einem Design zu kommen, dann noch einmal zwei Tage, um alles aufzunehmen und zu schneiden, und einen Tag für die Community-Pflege.«
Die Illustratorin Jooyoung Kim aus Leipzig verdient mit dem Verkauf von Postern, Büchern und Merch in ihrem Big-Cartel-Shop zwischen 50 und 500 Euro monatlich.
»Es kommt darauf an, wie oft ich neue Sachen veröffentliche und wie viel ich in meinem Netzwerk dafür werbe«
so Kim. Sie hat immerhin 5000 Follower auf Instagram und postet dort regelmäßig Neuerscheinungen und Links zu ihrem Shop. Von Zeit zu Zeit beschert ihr die Social-Media-Aktivität auch Aufträge von Magazinen oder Kooperationen mit internationalen Buchläden, die ihre Bücher und Designs vertreiben.

Wie wichtig die Community ist, weiß auch Tim Rodenbröker, der monatlich zwei Fragerunden mit anderen Creative Codern – etwa Vera van de Seyp, Kiel Danger Mutschelknaus oder Sander Sturing von Studio Dumbar – für seine Patrons anbietet. Ungefähr dreißig Leute tauschen sich zu Design, Kreativität, Technologien und Programmierung aus und teilen ihre Erfahrungen im Kreativgeschäft. »Ich lege Wert auf eine starke Vernetzung zwischen den Leuten und dass die Community aus sich selbst heraus funktioniert«, so Rodenbröker.
Vermarktung bei Patreon: Bewerben, ohne zu werben
Grundsätzlich sind die meisten Creators bei der Bewerbung ihrer kommerziellen Seiten in den Communitys eher zurückhaltend. »Ich möchte meine Follower nicht unter Druck setzen und ihnen das Gefühl geben, sie müssten etwas spenden«, sagt Sarah Mirk. Auch Patreon empfiehlt seinen Mitgliedern, bloß nicht zu betteln und Wörter wie »unterstützen«, »helfen« oder »spenden« zu vermeiden. Das ist ein Dilemma, denn um explorativ auf Patreon gefunden zu werden, bietet die Plattform so gut wie keine Möglichkeiten. Man muss seine Seite selbst vermarkten und gleichzeitig aufpassen, sein Publikum nicht durch zu viel Werbung zu vergraulen.
Dabei gibt es recht einfache und charmante Möglichkeiten, mit denen man seine Patreon-Seite in den Social Media bekannt macht, etwa indem man sich dort für neue Patrons bedankt, auf Inhalte aufmerksam macht oder indem man seine Fans für sich sprechen lässt. Die Plattform ermöglicht es, ein Patreon-Profil via Social Media zu teilen, dieses Feature wäre allerdings noch um einiges effektiver, würde es auch für Nichtpaten funktionieren, die wenigstens mit einer Empfehlung unterstützen möchten. Denn selbst wenn nicht alle Fans in der Lage sind, regelmäßig Geld in kreative Projekte zu investieren, so hilft doch jeder einzelne Förderer den Kreativen dabei, mutig am Ball zu bleiben und Projekte, unabhängig vom Massenmarkt, nach den Bedürfnissen ihrer Community voranzutreiben.
Membership-Finanzierung: So funktionieren Steady & Patreon
Über die US-amerikanische Membership-Plattform Patreon oder das deutsche Pendant Steady können sich Kreative von ihrer Community finanziell unterstützen lassen. Als Creators entscheiden sie, ob sie monatlich oder pro produziertem und veröffentlichtem Inhalt von ihren Fans bezahlt werden möchten und in welcher Höhe. Im Gegenzug erhalten die Förderer Zugang zu den Inhalten, wobei die Plattformen etwa 10 Prozent dessen einbehalten, was die Unterstützer bezahlen.
Die Patenschaften lassen sich jederzeit kündigen. Neben dem offensichtlichen Vorteil – ein monatliches Zusatzeinkommen – regeln die Plattformen auch die Rechnungs- und Zahlungsmodalitäten und führen die verschiedenen internationalen Umsatzsteuersätze direkt ans Finanzamt ab. Als Kreativer erhält man statt Hunderter einzelner Buchungen nur einmal im Monat eine Überweisung sowie eine Abrechnung über die gesammelte Summe. Diese versteuert man beim Finanzamt wie jede andere Einnahme auch.
Erfolgreiche Membership-Finanzierung: »Hauptsache, das Produkt ist nützlich«
Wir sprachen mit Armin Unruh, Designer und Developer aus Berlin darüber, wie er mit seinem Portfolio-Template für Designer dauerhaft Gewinn erzielt und damit auch anderen Kreativen zu einem Zusatzeinkommen verhilft. Mehr dazu in unserem Interview mit Armin Unruh über alternative Einnahmequellen.
Dieser Artikel ist in PAGE 04.2021 erschienen, die Sie mit Ihrem Abonnement hier komplett runterladen können.