Packender Auftakt der Internetkonferenz: Von Datenkraken, Twitter und von Kate Stone, die Papier in Drummachines verwandelt, Gewürze singen lässt und die Kreativagenturen sich um sie reißen.
Die re:publica TEN hat begonnen, die Jubiläumskonferenz – mit über 8000 Besuchern von denen rund 4000 zum ersten Mal auf der Berliner Konferenz für Netzkultur sind. Und auch so mancher Siemens-Manager ist mittlerweile dabei, der dafür extra Bildungsurlaub bekam, wie Sascha Lobo im Taz-Interview anmerkte – und vielleicht auch etwas spöttelte.
Auf 17 Bühnen finden mehr als 850 Veranstaltungen zu den verschiedensten Schwerpunkten statt, die von Hass im Netz (Love statt Hate forderte das Team zur Eröffnung) zu Netzneutralität, Kunst und Refugees reichen und auch die Media Convention ist wieder an Board in der Station Berlin. In ihrem eigenen Programm lud sie nicht unumstrittene Sprecher wie EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) und Bild-Onlinechef Julian Reichelt – und startete alles mit einem Talk von Mark Little, Twitters Vice President of Media in Europe und Afrika, der mit einem Ausblick in die Zukunft von Twitter lockte, aber nichts anderes als eine völlig kritiklose Werbeveranstaltung für den Kurznachrichtendienst bot.
Kämpferisch wie man es von der re:publica selbst gewohnt ist, war jedoch die Keynote des Juraprofessors und Aktivisten für freie Software, Eben Moglen. Gemeinsam mit der indischen Juristin und Bürgerrechtlerin Mishi Choudhary, die gegen die Facebook-Initiative Free Basics kämpft, die freie Internetzugänge in ihrer Heimat schaffen möchte, zeichneten sie das Bild eines Internets, »das wir so nie wollten« und das »uns stärker beobachtet als wir es selbst im Auge haben«.
Da die Zeit, sich ein Netz zu erschaffen wie man es wollte, längst verstrichen ist und auch die Snowden-Enthüllungen ohne Konsequenzen waren, bleibe es jetzt nur noch, sich gegen die Mechanismen des Netzes wie es heute ist, zu wehren. Gegen ein Data Tracking Surveilence Net, das von Maschinen und Algorithmen bestimmt ist, die nicht an den Menschen sondern einzig an Mathematik und Verknüpfungen interessiert sind.
Marchants les Entfants! forderten sie – und die Finger von Google, Facebook & Co. zu lassen. Stattdessen riefen sie den Nachwuchs auf eigenes zu coden, eigene Plattformen zu schaffen als alles den Giganten zu überlassen, plädierte für freie Software und Freedom Boxes und riefen dazu auf, alle Inhalte überall und immer zu verschlüsseln.
Neben dem großen Soziologen Richard Sennett, der am Ende seines Talks über die Open City mit viel Leidenschaft darlegte, was ein Segen die Flüchtlinge für eine offene Gesellschaft bedeuten in der man sich reibt, Neues kennenlernt und sich weiterentwickelt, gab es ein weiteres Highlight aus ganz anderer Richtung:
Kate Stone, die in Cambridge in Physik promovierte und heute mit ihrem bahnbrechenden Studio Novalia für Furore sorgt. Abseits von farblosen Programmierungs-Anwendungen zum Beispiel in der Musik, entwickelt sie digitale Pads mit Blumen, Wasserfällen und Flamingos darauf über die man streicht und mit ihren komponiert.
Immer auf der Suche, das Digitale mit dem Materiellen und mit dem Haptischen zu verbinden, hat sie digitale Geburtstagskarten entwickelt auf denen die Kerzen nicht nur flackern, sondern man sie auch auspusten kann, hat für die Firma Schwartz Gewürze zum Klingen gebracht und mit dem Audi TT Hack eine Broschüre zu Leben erwachen lassen: legt man sein Smartphone darauf, kann man es als Dashboard benutzen, den Katalog in Bewegung geraten lassen und eine »Testfahrt« machen. Hier einige Beispiele.
Die Cap, die sie während ihres gefeierten Talks trägt, gibt bei Berührung Alarmtöne von sich, auf ihrem Notebook lädt eine Tastatur zum Klimpern ein, sie entwickelt Plattenhüllen, die zu DJ-Turntables werden und hat die Einladung einer jungen Singer-Songwriterin in einen Ghettoblaster verwandelt in den man eine Cassette aus Pappe einlegen kann und verschiedene Tracks abspielen.
Ein Drucker und leitfähige Tinte machen das alles möglich – und ihre Auffassung, dass die Wissenschaft nach Innen ausgerichtet ist, um zu verstehen, was dort vorgeht, die Kunst dieses schließlich aber Aussen sichtbar macht.
Ihre Arbeit, heißbegehrt bei Kreativagenturen weltweit, ist eine großartige Entdeckung gleich am ersten Tag gewesen.
Diese Karte ist ein Schlagzeug – und zwar ein lautes!
Kate Stone auf der re:publica …