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Hybrid Work: Wie werden wir in Zukunft arbeiten?

Remote? Vor Ort? Hybrid! Wie sich die Kreativbranche mit neuen Raumkonzepten und Organisationsstrukturen auf die Arbeit nach dem Lockdown einstellt.

Buero Borsche
Die neuen Räume von Bureau Borsche in München Bild: Elias Hassos

Schicke, großzügige Räumlichkeiten? Top-Lage am Düsseldorfer Medienhafen? Für Stagg & Friends ist das Vergangenheit. Im September vergangenen Jahres zog die Branding-Agentur aus ihrem Büro aus und ar­bei­tet seither ausschließlich remote. »Gu­te Krea­tion und effiziente Arbeit definieren sich nicht über ein exklusiv gestaltetes territoriales Refugium«, sagt Adone Kheirallah, geschäftsführender Partner von Stagg & Friends. Stattdessen entscheide nun jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter selbst, an welchem Ort eine bestimmte Leistung entsteht. »Ein Zurück in die Käfighaltung wird es nicht mehr geben, weder für die Kreation noch fürs Projektmanagement oder die Kundenberatung, weder für den Trainee noch für die Geschäftsführung.« Um diesen Schritt – Kheirallah spricht von einem Kulturwandel – operativ zu stemmen, ging die Agentur eine Kooperation mit Design Offices ein, einem An­bie­ter von Coworking-Spaces in ganz Deutschland, in die sich die Mitarbeiter:innen einbuchen können, wenn sie nicht zu Hause arbeiten können oder wollen.

Für einen derart radikalen Schritt wie bei Stagg & Friends entscheidet sich kaum eine Agentur. Offen für Ver­änderun­gen sind aber viele. Seit die meisten Teams vor mehr als einem Jahr ins Homeoffice gewechselt sind, hat ein Umdenken eingesetzt. Fragen nach der Notwendigkeit von Präsenzen kamen auf, Kontrollmechanismen wurden hinterfragt, verschie­dene Formate und Tools ausprobiert. Und während man immer besser darin wurde, Kunden aus der Fer­ne zu betreuen, remote zu präsentieren und im virtu­ellen Raum zu kollaborieren, wuchs die Sehnsucht danach, wieder physisch zusammenzukommen – da­mit wieder kreative Reibung entstehen kann. Und so geht es bei allen Überlegungen, wie die Kreativbran­che in Zukunft arbeiten möchte, nicht um ein Entweder-oder, sondern darum, einen Mix zu etablieren aus »mobilem« Arbeiten und einer »Base« für be­stimm­te Aufgaben, die Präsenz erfordern.

Die Herausforderungen für Agenturen: Bestehen­de Räume müssen in Richtung einer flexiblen Nutzbarkeit und einer Shared Desk Policy umgestaltet und stabile Rahmenbedingungen für langfristiges Hybrid Working entwickelt werden. Damit verbunden ist auch ein grundsätzlicher Haltungswandel, denn: »Remote Work setzt eine ganz andere Arbeitskultur voraus, als wir sie in den meisten Agenturen derzeit sehen«, erklärt Juliana Danner, Gründerin der Recruiting- und Beratungsplattform On and Offer im Interview.

Inhaltsverzeichnis

Remote Leadership

Tipps von Kathrin Grünwald, Head of People Development bei der Hirschen Group

1. Verlässliche Strukturen schaffen. Etablieren Sie feste und regelmäßige Termine für die Team­kommunikation, zum Beispiel Daily-Check-ins oder Jour fixes, aber auch für den informellen Austausch und gemeinsamen Spaß. Das stärkt die Verbindung unterein­ander und die Identifikation mit dem Unternehmen.

2. Mehr miteinander kommunizieren. Sprechen Sie häufiger und proaktiv mit Ihrem Team, um Unsicherheiten zu vermeiden und das Teamgefühl zu stärken. Der persönliche Austausch ist wichtig, damit Sie Überbelas­tungen frühzeitig erkennen und gegensteuern können. Für eine persönlichere Atmosphäre können One-to-One-Gespräche trotz Remote Work auch bei einem gemeinsamen Spaziergang stattfinden. Vor allem im Onboarding gilt: so viel Austausch wie möglich.

3. Vertrauen und Feedback. Remote Work fördert die Ownership und die Selbstorganisation. Das setzt Vertrauen voraus, ob bei der Arbeitszeit, beim Arbeitsort oder der Urlaubsplanung. Kommunizieren Sie Ziele und Erwartungen klar und transparent. Die Bedeutung von aktivem Feedback ist bei Remote Work noch größer. Als Führungskraft müssen Sie entsprechende Formate
und Gelegenheiten schaffen.

4. Vorbild sein und mentale Gesundheit fördern. Leben Sie als Führungskraft eine gute Selbst­organisation und Selbstfürsorge vor! Dazu gehört, außerhalb der Arbeitszeiten nicht selbst­ver­ständ­lich erreichbar zu sein – und dies auch nicht einzufordern. Die Fürsorgepflicht für die mentale Gesundheit ist eine der größten Herausforderungen von Remote Leadership
zu Pandemiezeiten. Bieten Sie Ihrem Team unterstützende Coachings zur psychischen Widerstandskraft in schwierigen Situationen an.

5. Technik bereitstellen. Dass ein Unternehmen die notwendige Hard- und Software für erfolgreiches Remote Working zur Verfügung stellt, ist selbstverständlich. Sorgen Sie dafür, dass Ihre Mitarbeiter:innen wenn nötig zusätzlich oder erneut im Umgang mit neuen Tools geschult werden.

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»Ein Zurück in die Käfighaltung wird es nicht mehr geben, weder für die Kreation noch fürs Projektmanagement«

Adone Kheirallah, geschäftsführender Partner von Stagg & Friends, Düsseldorf

Bei denkwerk gibt es künftig keine festen Schreibtische mehr. Alle Mitarbeiter:innen bekommen einen Spind und können tageweise in die Agentur kommen. Offene Flächen für den sozialen Austausch werden wichtiger

»Vor Corona waren wir auf der Suche nach einem größe­ren Büro, jetzt lassen wir unser bisheriges umbauen«

Alina Schlaier, Design Director bei denkwerk, Köln

Neue Raumkonzepte: Shared Desks und Social Spaces

»Eigentlich waren wir, bevor es mit Corona losging, auf der Suche nach einem größeren Büro«, berichtet Alina Schlaier, Design Director bei denkwerk in Köln. Jetzt lässt die Digitalagentur ihre bisherigen Räume von einer Innenarchitektin umbauen. »Anstelle großer Konfis brauchen wir mehrere kleinere Räume, in die Gruppen sich flexibel einbuchen können«, erklärt Schlaier. Während sie in den Mee­ting­räumen vorher bewusst auf Screens verzichtet hatten, sind im neuen Konzept überall große Bildschir­me vorgesehen, damit sich Präsentationen sowohl remote als auch hybrid durchführen lassen. Feste Schreibtische wird es nicht mehr geben, stattdessen bekommen alle einen Spind und können an einzelnen Tagen im Büro arbeiten.

Auch Alexander Lang, Geschäftsführer der Kreativagentur Zum goldenen Hirschen Berlin, ist überzeugt: »Wir wollen nicht alle für immer zu Hause ­arbeiten.« Aus seiner Sicht ist die beste Basis für Kreativität nach wie vor das Zusammenspiel in der Agentur – nur müsse sie eben an die neuen Herausforderungen angepasst werden. Heißt: Wenn be­stimm­te Aufgaben wie Recherche oder das Schreiben ei­nes Texts weiterhin zu Hause erledigt werden können, braucht man vor Ort weniger Schreibtische und kann die neu gewonnene Fläche anders nutzen: für Projekträume zur Kollaboration sowie für soziale Berei­che – eine Küche, eine Lounge oder Ähnliches.

»Gemeinschaftsräume waren ja schon vor Corona wichtig – jetzt sind sie es umso mehr«, sagt Lang. »Hier lebt die Agentur, hier entsteht eine Art der Kommunikation, die online einfach ganz schwer abzubil­den ist.« Bei den Projektflächen setzt Zum goldenen Hirschen ähnlich wie denkwerk auf mehr, dafür nicht zu große Räume. Getrennt sind diese durch Glaswän­de, ausgestattet mit Whiteboard, Flipchart und Monitoren sowie Möbeln, die zu Bewegung und Interaktion motivieren sollen und bei Bedarf rasch weggeräumt sind: Stehtische, sich gegenüberstehende kleine Sofas, Beistelltische für Laptops.

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Bureau Borsche hat einen charmanten Altbau gegen ein altes Industriegebäude am Münchner Hauptbahnhof eingetauscht. Hier herrscht eine viel konzentriertere Arbeitsatmosphäre, findet der Gründer
Auf insgesamt 300 Quadrat­metern hat das Borsche-Team jetzt Platz für Meetings und Aus­­stellungen. Die Prototypen der schlichten Regale und des Tischs entwickelte Wagner Living Bild: Elias Hassos
Bild: Elias Hassos

»Homeoffice und Abstandhalten sind für einen kreativen Workflow der absolute Killer«

Bureau Borsche ist zu Beginn des ersten Lockdowns im März 2020 aus einem Altbauloft an der Isar in ein eher industriell anmutendes Gebäude am Münchner Hauptbahnhof gezogen. Mirko Borsche erzählt, wie es dazu kam – und wie die neuen Räume das kreative Arbeiten verändern.

In eurem früheren Büro wart ihr zwölf Jahre lang zu Hause. Warum der Umzug?
Mirko Borsche: Die Miete war zu teuer. Ich habe lange nach einer eigenen Immobilie gesucht und dann schließlich dieses alte Gebäude am Münchner Hauptbahnhof gefunden. Wir haben es komplett renoviert.

Wie verändern die neuen Räumlichkeiten eure Art zu arbeiten? 
Wir haben bei der Einrichtung mit dem Architekturbüro Gon­zalez Haase AAS und mit Wagner Living zusammengearbei­tet. Durch deren reduzierten Stil haben wir uns wegorientiert von der eher wohnlichen Umgebung früher. Wir sitzen jetzt alle an einem sehr großen Tisch. Wir Grafiker arbeiten effektiver und effizienter, wenn wir beieinandersitzen und uns schnell abstimmen können.

Ihr habt nun sehr viel mehr Platz – was wollt ihr damit machen?
Genau, es sind jetzt 300 Quadratmeter. Der eine Teil ist unser Arbeitsraum, auf der übrigen Fläche haben wir Platz für Mee­tings in verschieden großen Gruppen und für Projekträume, in denen unter anderem Ausstellungen stattfinden sollen.

Welche Herausforderungen hat Corona für euch gebracht, und wie geht ihr damit um?
Eine Herausforderung gerade für uns als Designer war die Umstellung von Desktoprechnern auf Laptops. Wir haben uns entschieden, bei den Laptops zu bleiben, als wir aus dem Homeoffice zurück ins Büro kamen. Theoretisch können wir uns so flexibel ein­loggen – aber irgendwie sitzt dann doch meist jeder am gleichen Platz (lacht).

Was bedeutet »Next Work« bei Bureau Borsche?
Definitiv nicht, weiter von zu Hause aus zu arbeiten! Ich glaube, hier ging es allen gleich, Homeoffice und Abstandhalten sind für einen kreativen Workflow der absolute Killer.

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Bild: Elias Hassos

Arbeitsstrukturen: dynamischer, näher, stressiger

Sinnvoll für eine besonders effektive Nutzung der Ein­zelarbeitsplätze ist eine Clean Desk Policy. Die Agen­tur Ogilvy geht gerade dazu über, Einzelbüros – auch auf Führungslevel – aufzugeben, um diese als Shared Offices zu nutzen – ein Bekenntnis, das sich natürlich auch auf die Zusammenarbeit über Hierarchien und Disziplinen hinweg auswirkt. Generell machen hybride Arbeitsstrukturen Führungskräfte nahbarer. In der Agentur sind sie leichter greifbar, wenn sie weni­ger reisen, und remote müssen Junior:innen nicht am Sekretariat vorbei, wenn sie ihre Vorgesetzten et­was fragen wollen, sondern können sie direkt anchatten.

Für die Hamburger Designerin Katrin Oeding ist der soziale Kontakt zu ihrem Team über die Entfernung extrem wichtig. Sie sieht ihr physisches Studio als den besten Ort für Kreativität an und kann im Arbeiten von zu Hause aus keine Effizienzsteigerung erkennen. Auch sie hat »umgebaut«, jedoch nicht im Loft in der Hamburger Speicherstadt. Stattdessen hat sie in Technik investiert: in neue, leis­tungs­fä­hi­ge Server, die das Remote-Arbeiten an sensiblen De­signs noch nicht gelaunchter Produkte sicherer und schneller machen, sowie in die Ausstattung der Arbeitsplätze zu Hause und im Büro. Der Konferenz­raum wur­de zum Kommunikationsstudio aufgerüstet, Scheinwerfer und Kameraequipment angeschafft, um in bestmöglicher Qualität und in Echtzeit mit Kunden zu interagieren und zu präsentieren.

Katrin Oedings Favorit ist diese Art des Arbeitens nicht. »Sicherlich gibt es Aufgaben wie die Kalkulation im Projektmanagement, für die wir nicht hier vor Ort im Designstudio sein müssen, und da ist eine konzentrierte Stimmung zu Hause manchmal hilfreich.« Insgesamt wünscht sich ihr Team aber sehnlichst, wieder zusammenzukommen, um die krea­tive Reibung zu spüren und die Produkte und Konzepte gemeinsam haptisch zu erleben. Und auch, um zu einer klareren Trennung zwischen Arbeit und Privatleben zurückzukehren.

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»Wir wollen nicht alle für immer zu Hause arbeiten«

Alexander Lang, Geschäftsführer von Zum goldenen Hirschen Berlin

Zum goldenen Hirschen Berlin lässt das Büro gerade von dittmar+friends umbauen. Das Ziel: ein Dreiklang aus Orten für konzentrierte Einzelarbeit, Räumen für Remote- und hybride Meetings sowie viel Social Space, an dem die Agenturkultur gelebt wird

Organisation: Rituale schaffen, Unterstützung anbieten

Bei einem dezentralen Team für Zusammenhalt und Motivation zu sorgen, ist eine wichtige Führungsaufgabe. Wenn man sich nicht zufällig an der Kaffeemaschine begegnet, braucht es andere Formate. Und so haben die meisten Agenturen Rituale entwickelt – von der klassischen Montagsrunde, erweitert durch »Homestorys« der Kolleg:innen bei Zum goldenen Hirschen, über kleine Warm-ups vor einem Meeting bei Fuenfwerken bis hin zu kompletten Sportstunden oder einem Currywursttag bei Studio Oeding.

»Durch das dezentrale Ar­bei­ten entsteht ein ganz anderer Rhythmus, in den man erst einmal hineinfinden muss«, sagt Jeremias Schmitt, Head of Strategy & Transformation bei Fuenfwerken in Berlin. Oft helfen Eisbrecher, etwa wenn man einen Videocall mit einem Frage-Antwort-Spiel eröffnet oder jede und jeder einen Gegenstand zu einem bestimmten Thema in die Kamera halten soll. »Außerdem ist es gut, nach jedem Meeting Zeit für individuelle Gespräche zu lassen, falls es doch noch Redebedarf gibt«, so Schmitt. In der analogen Welt findet so etwas im Aufzug oder im Gang statt – im Digitalen muss man den Raum dafür bewusst schaffen.

»Im vergangenen Jahr ist die psychische Belas­tung vieler Mitarbeitenden gestiegen«, sagt Katrin Grün­wald, Head of People Development bei der Hir­schen Group. Immerhin ging mit Corona nicht nur die Verlagerung des Arbeitsplatzes einher, vielmehr kamen viele andere schwierige Herausforderungen hinzu: Kin­der­be­treu­ung, Homeschooling, gesundheitliche Sor­gen. »Und auch wenn wir durch wegfallende Ar­beitswe­ge derzeit vielleicht produktiver sind, müssen wir doch aufpassen, dass dies nicht umschlägt, wenn die men­tale Belastung zu groß wird.« Bei der Hirschen Group gibt es eine Hotline für psycholo­gi­sche Erstberatung, eine digitale Kinderbetreuung sowie Angebote für Onlinenachhilfe. Darüber hi­n­aus sieht Kathrin Grünwald Führungskräfte klar in der Pflicht, ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterin­nen lieber einmal zu viel zu fragen, wie es ihnen geht und welche Unterstützung sie benötigen (siehe »Re­mote Lea­dership«).

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Bild: Bernd Westphal

»Das Studio ist für uns der beste Ort für Kreativität. Ich kann im Arbeiten von zu Hause aus keine Effizienzsteigerung erkennen«

Katrin Oeding, Gründerin von Studio Oeding, Hamburg

Technik: Kommunikation und Kollabora­tion remote und vor Ort

Slack ist für viele Agenturen das Tool für dezentrale interne Kommunikation und Projektsteuerung. Da­neben gehört Microsoft Teams zum Standard und setzt sich zunehmend auch bei Kund:innen durch. »Wir ermutigen alle, neue Tools gerne auch im Kleinen auszuprobieren, und testen dann bei positiver Erstbewertung, ob sie in größerem Umfang für uns Sinn machen«, erklärt Matthias Maurer, Gründer der Digitalagentur la red in Hamburg und Berlin. »Spannend sind auch Plattformen wie Firstbase, die die komplette Steuerung des Equipments, von Hard- und Software für dezentral arbeitende Teams als digita­len Service anbieten«, sagt Maurer. Das Berliner Interior-Design-Studio dittmar+friends erlebt gera­de eine große Nachfrage nach »Telefonboxen«, die sich aufgrund ihrer guten Akustik für Remote-Konferen­zen nutzen lassen. Gerade die Meetings mit den Auf­traggebenden werden sich auch in Zukunft virtuell abspielen, ist Sebastian Dittmar überzeugt. Schon allein wegen der Zeitersparnis und der CO2-Bilanz.

Bei den Werkzeugen für Workshops liegt weiterhin Miro vorne, alternativ kommt Mural zum Einsatz. Nicht nur die Agenturen sind über das vergan­gene Jahr immer professioneller im Umgang mit diesen Kol­la­bo­rationstools geworden. Bei den Kun­den und Kun­dinnen wuchsen Verständnis und Routine ebenfalls – auch dank der Hilfe durch die Agentu­ren. »Am Anfang haben wir die Hürde bewusst nie­d­rig gehalten«, sagt Nicole Reinhold, Senior-Service-Designerin bei der Digitalagentur Cocomore in Frankfurt am Main. Maximal zwei Mitarbeitende von Kundenseite nahmen aktiv am Workshop teil, weite­re Kol­le­g:innen erhielten zunächst einmal Zugang über einen Livestream und konnten sich auf diese Weise mit dem Format vertraut machen, bevor sie sich zu einem späteren Zeitpunkt selbst in den kollaborativen Prozess einbrachten.

Nicole Reinholds Tipps für gelungene Remote-Workshops: eine klare Struktur und eine Dauer von höchstens einem halben Tag; Slots von bis zu anderthalb Stunden, dazwischen Pausen, in denen die Teilnehmenden explizit aufgefordert werden, das Tool oder am besten den Raum zu verlassen; feste Regeln für Handzeichen und die Kommunikation im Chat. Hilfreich ist auch, wenn es einen Co-Moderator gibt, der sich um die Technik kümmert und die Fragen aus dem Chat im Blick hat. »Eine große Herausforderung ist es, in einem dezentralen Work­shop Stille auszuhalten. Doch wenn wirklich alle sich einbringen sollen, muss es auch Phasen geben, in denen niemand etwas sagt«, meint Nicole Reinhold. Besonders schwierig ist das, wenn Teilnehmende vor Ort mit »Zu­geschalteten« zusammenkommen – also in hybriden Formaten. Hier stellen sich Fragen, wie ein Projekt­raum für diese Art von Remote Work ausgestattet sein muss oder wie man es schafft, eine Stimmung zu etablieren, in der beide Teilneh­me­r:in­nen­grup­pen gleichberechtigt sind. Bei Fuenfwerken ha­ben die Mitarbeitenden bereits ers­te Erfahrun­gen da­mit ge­sammelt (siehe »Hybride Events«).

Fest steht: Remote Work stärkt die Vernetzung mehrerer Unternehmensstandorte und macht es möglich, dezentrale Mitarbei­ter:in­nen unkomplizierter in unterschiedliche Projekte einzubinden, und auch die orts­unabhängige Kollaboration mit freien Kreativen wird einfacher. »Wir arbeiten seit 2020 definitiv mehr mit Freelancer:innen außerhalb Deutsch­lands zusammen«, sagt Alina Schlaier von denkwerk. Da der Markt gerade im Bereich Program­mierung quasi »leer gefegt« sei, gab es hier einen Auf­schwung für Spezialist:innen aus Osteuropa. Und durch Remote Work sind Dezentralität und Asynchronität in der Zusammenarbeit keine Hürde mehr.

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»Durch das dezentrale Arbeiten entsteht ein ganz anderer Rhythmus, in den man erst mal hineinfinden muss«

Jeremias Schmitt, Head of Strategy & Transformation bei Fuenfwerken, Berlin

Unternehmenskultur in Zeiten von Hybrid Work

Die Kreativbranche ist nach wie vor ein Arbeitneh- me­r:innenmarkt. Sowohl Agenturen als auch Unternehmen müs­sen Menschen für sich begeis­tern – und viel dafür tun, sie dann auch zu halten. Das gelingt vor allem über eine gute Corporate Culture. Doch wie lässt sich diese auf die Entfernung vermitteln? Zum einen gilt: reden, reden, reden. »Persönli­cher Austausch, gelebte Agenturkultur und kreatives Mindset funktionieren sehr gut ohne physische Büropräsenz«, erklärt Adone Kheirallah von Stagg & Friends. »Da trifft man sich nicht nur im virtuellen Raum, sondern auch zum Vier-Augen-Gespräch bei einem Spaziergang am Rhein. Ist eh viel gesünder und inspirierender.«

Viele andere halten Präsenz nicht für kompensierbar und wollen ihre Unternehmenskultur auch weiterhin in der Agentur leben und vermitteln. Zwar gebe es Möglichkeiten für Mitarbeiter:innen­bin­dung, etwa ein Budget für gute technische Ausstattung des Home- oder Mobile Offices. Zudem dürften Arbeitgeber ihre Angestellten laut Kommu­nika­tions­be­ra­ter Jürgen Siebert nicht gänzlich sich selbst überlassen, sondern müssten ihnen dabei helfen, einen Rhythmus für das Arbeiten außerhalb des Büros zu finden – mit einem klaren Regelwerk, Mentorship-Programmen und direk­tem permanentem Draht zu Geschäftsführung und HR-Management. Sprachkurse, Gesundheitsmaßnahmen, mal ei­ne Geträn­ke­lieferung oder ein Gum­miband zum Sportmachen zeigen zusätzlich, dass man sein Team wertschätzt und sich für die Einzelnen interessiert. »Remote zu arbeiten heißt nicht, nichts mit seinem Team zu tun zu haben – im Gegen­teil«, sagt Juliana Danner. »Es ist entscheidend, wie gut man sich kennt.«

Eine wahre Bindung zu den Menschen und dem Unternehmen aber entsteht für die meisten Mit­ar­bei­ter:innen dann doch vor Ort. Insbesondere bei neuen Kol­leg:innen – vor allem bei jüngeren – führen Agenturen das Onboarding lieber in Präsenz durch. Und auch die meisten bestehenden Teams brauchen die zeitweise Anwesenheit vor Ort, damit die Identifikation mit dem Unternehmen und ein Gefühl für die Arbeitsweisen und das Miteinander nicht verloren gehen. Interior Designer Sebastian Dittmar rät: »Baut euch eine fette Bar in die Agentur. Je dezentraler ihr arbeitet, desto wichtiger ist ein cooler Ort, an dem man zwischendurch zusam­men­kom­men kann.«

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Hybride Events

Wie man bei Konferenzen und Workshops Vor-Ort- und Remote-Elemente produktiv zusammenbringt

Im Rahmen der Munich Creative Business Week im März hat die Agentur Fuenfwerken eine hybride Tageskonferenz zu dem Thema »New Work – New Life« durchgeführt: Eine Veranstaltung wurde vor Ort von Fuenfwerken-Mitgründer Rolf Mehnert vor 15 Teil­­neh­mer:innen moderiert und zeitgleich von 180 digitalen Teilnehmenden auf Zoom und YouTube verfolgt. Außerdem konnten 32 Per­sonen aus diesem Pool via Zoom und Mural an Transformation Sprints teilnehmen, die die Fuenfwerken-Partner Helmut Ness und Jeremias Schmitt von Berlin aus leiteten. Für alle zugänglich gab es Impulsvorträge von internationalen Speaker:innen.

Warum das gut geklappt hat? »Die Moderatoren haben die verschiedenen Stimmen und Fragen aufgenommen und sowohl im physi­schen Raum als auch über die Live-Kanäle zu­rückgespielt«, sagt Helmut Ness. Die Sessions in Mural fanden ausschließlich über Zoom statt, sodass es keine Unterschiede zwischen vor Ort oder digital Teilnehmenden gab. »Für eine Vergleichbarkeit der Teamdynamik hätten wir gern ein Team in München eingebunden, um die Übungen an physischen Whiteboards parallel zu machen«, erläutert Ness. Doch habe man aufgrund des Infektionsschutzes darauf verzichtet.

Hybride Sessions mit online und on-site Teilnehmenden, bei denen auch ein befriedigender Workflow entsteht, sind bislang selten. Doch sie haben Potenzial, findet etwa die Coachin Sandra Dirks (). So könnten zum Beispiel im Rahmen eines World Cafés Menschen vor Ort mit Zugeschalteten in Kleingruppen an verschiedenen Tischen zusammenkommen. Die Externen sind über iPads dabei, ein Host sorgt dafür, dass sie sich ebenso in die Dis­kus­sion einbringen können wie alle anderen Teil­nehmer:innen. Wenn – wie bei dem Prinzip des World Café üblich – die Gruppen nach einer be­stimmten Zeitspanne rotieren, nimmt einer der On-site-Teilneh­men­den das jeweilige iPad ein­fach mit an den nächsten Tisch. Damit hybrides Arbei­ten gelingt und sich verbessern kann, braucht es neben Übung, funk­tionieren­der Technik und erfahrenen Mo­de­ra­tor:innen eine gute Dokumentation.

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Dieser Artikel ist in PAGE 07.2021 erschienen, die Sie hier kostenlos runterladen können.

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