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Was können Designer:innen in ihrem Berufsalltag für die Demokratie tun?

Warum sie Design eher als Problemfindungs- denn als Problemlösungsdisziplin ver­steht und wie wichtig es ist, Bürger:innen in Gestaltungs­pro­zesse miteinzubeziehen, erklärt uns Bianca Herlo, die am Design Research Lab der Uni­versität der Künste Berlin forscht

Wie Kreative Demokratie mitgestalten: Interview mit Bianca Herlo

Bianca Herlo, Postdoc am Design Research Lab der Uni­versität der Künste Berlin mit dem Schwerpunkt Civic- und Social Design, untersucht die Rolle von Design und Design­forschung für gemeinschaftsbildende Prozesse in einer ver­netzten Gesellschaft. In ihren Projekten geht es darum, verschiedene Perspektiven und Wissensformen zusammenzu­bringen mit dem Ziel einer gerechteren und inklusiveren Digitalisierung – einer wichtigen Voraussetzung für eine breite digitale Teilhabe an politischen Entscheidungen. Da­bei arbeitet sie mit Zivilgesellschaft, Politik und Verwaltung zusammen. Im Gespräch erklärt sie, warum sie Design eher als Problemfindungs- denn als Problemlösungsdisziplin ver­steht und wie wichtig es ist, Bürger:innen in Gestaltungs­pro­zesse miteinzubeziehen.

Es reicht nicht, einfach alle an einen Tisch zu setzen. Das Miteinander muss gestaltet werden.

Worum geht es Ihnen bei Ihrer Forschung?
Bianca Herlo: Mein Anspruch ist, nicht nur zu analysieren, was die digitale Transformation mit uns macht und welche Ausschlussmechanismen und Inklusionsmöglichkeiten es gibt, sondern auch zu fragen, wie man das mitgestalten kann – und zwar nicht nur als professionelle Designer:innen. Wie können wir mit und durch Design dafür sorgen, dass Leute an der Gestaltung der digitalen Transformation teilhaben können? Das ist ein Kernaspekt meiner Arbeit, den ich als sehr politisch begreife, denn es geht um die Förderung demokratischer Entwicklungen. Meine Forschung beruht auf einem Designverständnis, das sich sehr auf das Wie konzentriert und auf einen Prozess, der ergebnissoffen ist.

Diese Ergebnisoffenheit begünstigt eine experimentelle Herangehensweise, die ich sehr wichtig finde. Sie erlaubt uns, auf neue Arten Wissen zu generieren und verschiedene Wis­sensformen aufeinander zu beziehen. Partizipatorische An­sät­ze sind dabei zentral.Partizipatorisches Design gründet auf Teilhabe, bedeutet aber – im Gegensatz zu partizipativem Design – nicht, dass alle Betroffenen gleich­berechtigt und demokratisch beteiligt werden.

Wie sieht das in Ihren Projekten genau aus?
Für mich ist partizipatorische Gestaltung vor allem in der Vorphase eines Designprozesses interessant, wenn es darum geht, das Problem überhaupt erst zu definieren. Ich gehe also nicht mit einem Designproblem voran und hole mir Leute dazu, um es zu lösen, sondern hinterfrage erst mal meine Annahmen. Denn lokale Bedürfnisse und Praktiken sowie das Erfahrungswissen der Menschen, um die es geht, kann ich nicht allein in einer Desktoprecherche heraus­fin­den. In dieser Phase ist Design keine Problemlösungs-, son­dern eine Problemfindungsdisziplin. Und von der Definition des Problems hängt entscheidend ab, wie der weitere De­sign­prozess verläuft. An diesem Punkt ist Partizipation enorm wichtig, weil man dadurch verschiedene Lebenswelten mit­einander ins Gespräch bringt und Aushandlungsprozesse an­stößt. Es bedarf Gestaltungskompetenz, damit diese Pro­zesse auf Augenhöhe stattfinden können, damit auch im­pli­zites Wissen einfließt und damit Menschen mit Material oder Artefakten arbeiten können, wenn sie sich verbal nicht aus­drücken können. Es reicht nicht, einfach alle an einen Tisch zu setzen. Das Miteinander muss gestaltet werden. Hierin sind wir Designer:innen sehr gut – aber wir können es nicht alleine. Es ist meine feste Überzeugung, dass wir viel kol­la­borativer arbeiten müssen – im Design selbst, aber auch mit anderen Disziplinen, Akteuren und Praktiken.

Zu welchen Disziplinen haben Sie die größten Schnittstellen?
Weil ich viel in sozialen urbanen Kontexten arbeite, ist So­zio­logie eine ganze wesentliche Disziplin, mit der ich viel zu­sam­menarbeite. Dazu kommen Kultur- und Medien­wis­sen­schaf­ten, Psychologie, Migrationsforschung, Stadtplanung und Ur­banistik, Geografie, Informatik und natürlich Gra­fik­design, weil es viel um die Übersetzung von Inhalten geht und wir in alle Richtungen gut kommunizieren müssen. Design ist per se interdisziplinär angelegt – wir lernen schon in der Aus­bildung, uns auf unterschiedliche Kontexte einzulassen, sie zu verstehen, zu übersetzen und sie über verbale und vi­suelle Mittel zu transportieren. Daher sehe ich in trans­dis­zi­plinä­ren Forschungsprojekten eine zentrale Rolle beim De­sign. Daraus ergeben sich auch neue Handlungsfelder für Desig­ner:innen, etwa in der Vermittlerrolle zwischen Politik und Zivilgesellschaft oder zwischen Verwaltung und Wis­sen­schaft.

Wie offen sind Menschen in Verwaltung und Politik denn gegenüber Design?
Nach meiner Erfahrung braucht es engagierte Einzelper­so­nen, die Interesse an anderen Sicht- und Vorgehensweisen haben. Diese trifft man etwa auf Veranstaltungen zum The­ma Design for Government wie dem DDC Konvent. Es braucht immer noch viel Aufklärungsarbeit darüber, was Design kann und wo es sich einmischen will. Dass diese langsam fruchtet, merken wir daran, dass wir beim Design Research Lab im­mer öfter direkt angefragt werden, ob wir Projekte gemein­sam mit Politik und Verwaltung anstoßen und realisieren möchten. So entstehen immer mehr Gelegenheiten, mit po­li­tischen Entscheidungsträger:innen auf Augenhöhe zu arbeiten.

Zum Beispiel?
Zuletzt haben wir mit der TU Dortmund und den Stadtverwal­tungen Wiesbaden und Berlin das dreijährige Forschungs­pro­jekt »InterPart« zu interkulturellen Räumen der Partizi­pa­tion umgesetzt. Dabei ging es darum, die Teilhabe an Stadt­ent­wick­lungsprozessen neu zu denken, denn ein großes Pro­b­lem ist, dass sich immer dieselben Menschen beteiligen, wäh­rend Randgruppen sich kaum angesprochen fühlen. Da­zu ha­ben wir in Berlin-Moabit und Wiesbaden-Biebrich meh­rere Reallabore eingerichtet, also räumlich und zeitlich be­grenz­te Testräume, in denen Menschen aus Wissenschaft und Pra­xis zusammenkamen. Die zentrale Frage dabei lautete: Wel­che analogen und digitalen Ansätze können dazu beitra­gen, dass mehr Stadtnutzer:innen, insbesondere Menschen mit Migrationsgeschichte, ihre Sichtweisen auf die Stadt in Be­teiligungsverfahren einbringen?

Was waren die wichtigsten Erkenntnisse?
Für Stadtplanung und Verwaltung, dass sie viel mehr ressort­übergreifend zusammenarbeiten und Silos aufbrechen müs­sen. Die Kollaboration in diesen Einrichtungen muss forma­lisiert werden und darf nicht immer nur nach Bedarf stattfin­den. Für mich als Designforscherin war es schön zu sehen, wie bewusst gestaltete Momente zur Interaktion wie die Klin­gelinstallation Menschen neugierig ma­chen und für einen Dialog öffnen.

Was können Designer:innen jenseits der Designforschung in ihrem Berufsalltag für die Demokratie tun?
Eine radikale Antwort: Wir müssen uns aus dem Joch des Kon­sumismus und der Wachstumsgesellschaft befreien, egal in welcher Designsparte. Das wird noch viel zu wenig thema­ti­siert. Wir müssen verstehen, welche Rädchen im System wir sind, und dann schauen, mit welchen Taktiken wir uns ver­wei­gern können. Selbst wenn man innerhalb der neoliberalen Marktstrukturen tätig ist, gibt es Möglichkeiten. Wir kön­nen Auftraggebern Gegen-Narrative anbieten, wodurch sie viel­leicht einen anderen Weg einschlagen. Es liegt in unserer Ver­antwortung, in einem System, das wir nicht direkt ändern kön­nen, zumindest Verbesserungen anzustreben. Also bedient alternative Ökonomien, stärkt Open-Source-Technologien, kollaboriert mit anderen Disziplinen und unterstützt lokale Praktiken! Fragt euch, in welcher Gesellschaft ihr leben wollt.

Dieser Beitrag ist Teil der Titelgeschichte »Demokratie gestalten«. Laden Sie sich die Ausgabe herunter und lesen Sie den vollständigen Artikel in:

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