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Die Branche bewertet »The Social Network«

Kritiken zu dem Facebook-Film »The Social Network« gab es in der vergangenen Woche en masse. Trotzdem ist uns die Meinung eines Experten diesen Platz wert. Johannes Kleske, Social-Media-Spezialist und frisch gebackener Agenturinhaber, hat für uns seine Eindrücke aufgeschrieben.

Kritiken zu dem Facebook-Film »The Social Network« gab es in der vergangenen Woche en masse. Trotzdem ist uns die Meinung eines Experten diesen Platz wert. Johannes Kleske, Social-Media-Spezialist und frisch gebackener Agenturinhaber, hat für uns seine Eindrücke aufgeschrieben.

Es ist der 6. Oktober 2010 gegen 19:45 Uhr und eigentlich habe ich keine Zeit. Vor zwei Tagen habe ich mit zwei Freunden meine eigene Agentur gegründet und sollte eigentlich besseres zu tun haben. Aber wenn der bereits unendlich diskutierte Film über die Entstehung von Facebook Vorpremiere hat, verbuche ich das mal irgendwo zwischen Recherche und gegönnter Auszeit. Als ich mit meinem Co-Gründer Igor am Cinestar im Sony Center in Berlin ankomme, warten schon einige Freunde. Während Igor zum wiederholten Mal die Frage »Und was macht ihr jetzt eigentlich genau?« beantworten muss, checke ich mich nebenher auf den kurz vorher offiziell in Deutschland verfügbar gewordenen Facebook Places ein, um meinem Facebook-Kontakten mitzuteilen, dass ich mir jetzt den Film ansehen werde. Hier kann ich auch sehen, wer noch alles dabei ist, von dem ich es vielleicht gar nicht mitbekommen habe. Genau, ich kommuniziere auf einer Plattform darüber, einen Film über diese Plattform zu schauen beziehungsweise einen Film über die Menschen und Geschichten hinter dieser Plattform. Das nennt man dann wohl Relevanz. Kein Wunder, dass sich die Medien, online und offline, mit Reviews und Diskussionen überschlagen.

Dabei scheinen sich die Meinungen grob in zwei Lager zu spalten. Der Kinogänger-Mainstream ist mehr als angetan, wie die Übersicht auf metacritic zeigt. Aaron Sorkin (Drehbuch) und David Fincher (Regie) hätten einen soliden Film abgeliefert, der spannend ist und unterhält.

Wer allerdings ins Detail geht oder die Hintergründe genauer kennt, wird mit Einigem in »The Social Network« nicht glücklich sein. Insbesondere Lawrence Lessig, Harvard Professor und Creative-Commons-Gründe, und Jeff Jarvis, Journalismus-Professor und Autor von »What Would Google Do?« merken das in ihren Rezensionen an. Sie werfen den Filmemachern vor, das Internet und die Dynamiken des Social Webs schlicht nicht verstanden und deswegen wichtige Inhalte ausgelassen zu haben. Auch nervt die stereotype Darstellung von Nerds, mit der Hollywood mal wieder alle Klischees bedient, statt die Chance zu nutzen und etwas genauer hinzusehen. Insbesondere Zuckerbergs große Vision, die Plattform für unsere sozialen Beziehungen zu schaffen, geht komplett unter und damit der entscheidende Faktor, warum Facebook in seiner heutigen Form überhaupt noch so existiert und nicht wie alle anderen Plattformen auf dem Level bereits verkauft wurde.

Nichtsdestotrotz empfehlen auch Lessig und Jarvis, sich den Film anzusehen. Denn dieser Film gibt das erste Mal einem sehr großen Publikum Einblick in die Entstehung eines aktuellen Web-Unternehmens und hält dabei einige interessante Aspekte bereit. Das Mantra »Eine Idee ist nichts ohne Exekution« wird im Film sehr deutlich durch den Prozess der Winklevoss-Zwillinge, die Zuckerberg beschuldigen, ihre Idee gestohlen zu haben.

Zuckerberg hat sich in der bisherigen Geschichte von Facebook auch bei zahlreichen anderen Diensten bedient. Letztendlich kommt es immer darauf an, wie eine Idee umgesetzt und mit anderen kombiniert wird. Das kann man gerade wieder sehr schön am Erfolg der iPhone-App Instagram (http://instagr.am/) sehen, für die die Entwickler viele bekannte Konzepte zu einer neuen Applikation zusammen gebaut haben.  Wie Lessig schon richtig angemerkt hat, vermittelt der Film unter anderem, wie einfach es heute geworden ist, eine Idee für ein Web-Projekt direkt in die Tat umzusetzen und es schnell und interativ ständig zu verbessern. Man kann nur hoffen, dass dieser Aspekt des Films viele neue Unternehmer motivieren wird, ihr Ding zu machen.

Ebenfalls sehr klar vor Augen geführt bekommt man den anfänglichen Erfolgsfaktor der Exklusivität. Die Fokussierung auf das direkte soziale Umfeld hat in den Anfangstagen von Facebook den Unterschied zu den damaligen Konkurrenten Friendster und myspace ausgemacht. Während ich im Kino saß, stellte Zuckerberg in Kalifornien die komplett überarbeitete Facebook-Gruppen-Funktion vor, die wieder vieles von der exklusiven Kommunikation im kleinen Kreis ermöglichen und vereinfachen soll.

Ein bisschen erfreuen kann man sich an der Ironie, dass der Napster Co-Gründer Sean Parker vom Musiker Justin Timberlake gespielt wird. Allerdings hat Parker wohl deutlich mehr zu bieten als der Charakter im Film vermuten lässt. Nachzulesen im Porträt von David Kirkpatrick in Vanity Fair. Apropos Musik: Ohne Zweifel großartig ist der Soundtrack des Films von Trent Reznor und Atticus Ross. Selbst wenn man sich den Film nicht ansieht, sollte man sich die Musik anhören. Denn zu der lässt sich hervorragend arbeiten; vielleicht inspiriert durch The Social Network an einer eigenen Startup-Idee.


Johannes Kleske, 31, zieht gerade nach Berlin, wo er mit zwei Freunden unter dem Namen Third Wave eine Boutique Agentur für strategische Beratung und Trendforschung gegründet hat.


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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Trotz wenig Zeit gute Zusammenfassung mit hilfreichen Links! Danke, Johannes und viel Erfolg in Berlin.

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