Die besten Tipps für erfolgreiches Mentoring in der Kreativbranche
Professionelle Mentoring-Programme unterstützen Kreative auf ihrem beruflichen Weg – nicht nur zu Beginn der Karriere. Ein kleiner Ratgeber zum Thema Mentoring für Designerinnen und Designer
Mentorship als Safe Space
Einige solcher Programme sind gerade gestartet, darunter das ADC Mentoring speziell für Frauen. Dreißig Mitglieder des Art Directors Club für Deutschland stellen sich dafür ehrenamtlich zur Verfügung, Interessierte können sich unter www.adc.de/career/mentoring direkt an ihre:n Wunschmentor:in wenden.
»Als Mentor will ich meinen Mentees helfen, in unserer Branche Fuß zu fassen und auch lange dabeizubleiben«
sagt Till Eckel, Chief Creative Officer bei MediaMonks in Berlin. »Wo sonst hast du die Gelegenheit, neutral und ohne dass mit dem Gespräch irgendwelche Absichten verbunden sind, über deine beruflichen Perspektiven, über Möglichkeiten und Unsicherheiten zu sprechen?«
Dabei gehe es nicht darum, jemandem eine Stelle zu besorgen oder Entscheidungen im Job abzunehmen, sondern um den vertrauensvollen, offenen und ehrlichen Austausch in einer Art Safe Space – und darum, zu zeigen, dass bei »alten Hasen« auch nicht immer alles glatt lief. Mieke Brüning, Marketing-Managerin beim Start-up Baby Fresh, Hersteller von gesunder Beikostnahrung für Babies, und Till Eckels Mentee: »Ich bin mit relativ wenig praktischer Berufserfahrung zu einer Stelle mit viel Verantwortung gekommen und brauchte einen Mentor, der mich darin unterstützt, ein bisschen mehr Ruhe, Routine und auch Vertrauen in meine Fähigkeiten zu entwickeln. Es hilft sehr, ab und zu mit jemandem zu sprechen, der mehr Erfahrung hat.« Eckel und Brüning telefonieren alle zwei Wochen, aber auch in der Zeit zwischen diesen Terminen kann Mieke Brüning sich jederzeit melden.
Initiiert wurde das ADC Mentoring unter anderem von Dörte Spengler-Ahrens, Kreativchefin bei Jung von Matt und Präsidentin des ADC. Als solche trat sie vor einem Jahr mit einem klaren Ziel an: Förderung von Frauen in der Kreativbranche. Entsprechend richtete sich das neue Mentoring-Programm in der ersten Runde an Frauen, soll aber 2022 auch für Männer offen sein.
Den richtigen Mentoring-Partner finden
Tatsächlich legen viele Organisator:innen den Fokus auf Mentoring-Programme für Frauen. »Das ist besonders wichtig, weil sich für junge Kreative leider immer noch viel zu wenige zufällige Begegnungen mit erfolgreichen weiblichen Vorbildern ergeben«, sagt Sabine Cole, Executive Content Director bei der Hamburger Designagentur loved sowie ADC-Präsidiumsmitglied für den Fachbereich Editorial. Cole fungiert neben 14 weiteren Kreativen als Mentorin im Programm der Fakultät Gestaltung an der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim. Studentinnen können sich mit einem Portfolio als Mentee bewerben. In einem Speeddating lernen sich dann alle potenziellen Mentoring-Partner kennen. »Das Matching danach hat keine Viertelstunde gedauert«, lacht Professorin Barbara Kotte, die das Programm gestartet hat. »Es war sehr deutlich, wer zu wem passt.«
»Mentorings für junge Frauen sind besonders wichtig, weil sich für sie leider immer noch viel zu wenige zufällige Begegnungen mit erfolgreichen weiblichen Vorbildern ergeben.«
Sabine Cole, Executive Content Director bei loved, Hamburg
Mit diesem Angebot möchte Barbara Kotte ihren Studentinnen helfen, das eigene Profil zu entwickeln und ihre Möglichkeiten für den Berufsweg auszuloten. Gleichzeitig möchte sie eine Basis schaffen für ein Netzwerk, in dem sich die Mentees auch nach dem Studium austauschen können. Kelly Meineke, die im zweiten Mastersemester Advertising Design und Branding Design studiert, schätzt besonders die praxisbezogene und kundenorientierte Sichtweise auf ihre Arbeiten und das aufrichtige Feedback ihrer Mentorin. So ermutigte Sabine Cole sie zum Beispiel, im Bereich Bewegtbild noch fitter zu werden, wenn sie später ins Editorial Design wolle.
»Ich schätze besonders die praxisbezogene und kundenorientierte Sichtweise auf meine Arbeiten und das ehrliche Feedback meiner Mentorin«
Kelly Meinecke, Designstudentin an der HAWK in Hildesheim
Mentoring als Starthilfe für die Existenzgründung
Neben der fachlichen Unterstützung spielen in Mentoring-Programmen zumeist auch Businessthemen eine Rolle. Besonders wichtig ist dies für Existenzgründer:innen. Ihre Ausgangslage ist sehr individuell, ein Eins-zu-eins-Mentoring daher eine dankbare Ergänzung zu sonstigen Beratungsformaten. Gute Erfahrungen hat Jakob Klug damit gemacht: 2020 beendete er sein Studium an der Burg Giebichstein Kunsthochschule Halle und wollte sich als Spielzeugdesigner selbstständig machen. »Ich hatte bereits ein Produkt entwickelt – einen isometrischen Legebaukausten aus gelasertem Holz – und suchte jemanden, der mir Tipps geben konnte in puncto Preisgestaltung, Vertrieb und Marketing«, sagt Jakob Klug. Natürlich könne man sich all diese Dinge anlesen, es sei aber viel effizienter, mit jemandem zu sprechen, der genau das Gleiche bereits durchlebt hat, am besten mit einem ähnlichen Produkt – und der sich mit der Situation direkt identifizieren kann.
Über das Angebot Co.Pilot des Gründerzentrums Designhaus Halle fand Klug den perfekten Partner: Markus Utomo, einen Designer mit mehr als zwölf Jahren Erfahrung im Bereich Spielzeuggestaltung. Mit ihm trifft er sich zweimal im Monat remote, sie sprechen auch über stilistische Fragen, aber vor allem über Preisstrukturen, Akquise, Marktpräsenz. »Gerade für Designer:innen, die häufig dazu neigen, sich im Perfektionismus zu verlieren, ist diese Perspektive viel Wert«, findet Utomo.
Für Kollektiv Plus X, das auch an dem Co.Pilot-Programm teilnimmt, war entscheidend, dass seine Mentorin sich ebenfalls an der Schnittstelle zwischen Design und Kunst bewegt – und sich im Laufe ihres Berufslebens ähnliche Fragen gestellt hat. Mit Andrea Hofmann von raumlaborberlin fand die Gestaltergruppe eine Ansprechpartnerin, die die Arbeit im Kollektiv kennt und ihnen etwa mit ihrer Erfahrung im Beantragen von Geldern für Projekte im öffentlichen Raum helfen kann. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Außendarstellung und die Verbesserung des eigenen Webauftritts. Hofmann und Plus X treffen sich einmal im Monat remote und protokollieren die Gespräche in einem teilbaren Dokument, sodass auch spontane Fragen nicht untergehen.
»Für uns war es entscheidend, dass sich unsere Mentorin ebenfalls an der Schnittstelle zwischen Design und Kunst bewegt – und sich im Laufe ihres Berufslebens ähnliche Fragen gestellt hat«
Kollektiv Plus X, Halle
Ihre Befähigung, Mentorin zu sein, komme zum einen aus der Berufserfahrung – es habe aber auch geholfen, dass sie schon an der Uni Tutorin war, berichtet Andrea Hofmann. Für sie ist der Mehrwert definitiv beidseitig – sie als Mentorin lerne viel über sich selbst und könne ihre Führungskompetenzen ausbauen. In einigen Konzernen gibt es dafür spezielle Reverse Mentorings, in denen etwa CEOs von Digital Natives lernen sollen. »Ein reizvoller Gedanke«, findet Dörte Spengler-Ahrens. »Ich denke aber, dass das vielleicht kein eigenes Format braucht, sondern dass unsere ADC-Mentor:innen auch so einiges mitnehmen werden.« Sicherlich würden auch sie Feedback von den Mentees bekommen, in ihrer Rolle dazulernen und Anregungen zu den (veränderten) Erwartungen an Leadership erhalten.
»Für mich ist der Mehrwert definitiv beidseitig: Als Mentorin lerne ich viel über mich selbst und kann meine Führungskompetenzen ausbauen«
Andrea Hofmann von raumlaborberlin
Unterstützung für Kreative auf unterschiedlichen Levels
Nicht nur Berufseinsteiger:innen und Juniors können viel von Mentoren und Mentor:innen lernen – das Format macht auf allen Karrierestufen Sinn und ist dabei für Unternehmen eine gute Möglichkeit der Mitarbeiter:innenbindung. In Designagenturen hat sich systematisches Mentoring jedoch noch nicht etabliert – einen Anfang macht die Peter Schmidt Group, die im Rahmen ihrer internen Elephant Academy ein solches Programm aufsetzt. »Es ist bekannt, dass wir als Arbeitgeber:innen in einem großen Wettbewerb stehen«, erklärt Kristin Janoschka, Executive Director Consulting bei der Peter Schmidt Group. »Aber wir möchten unsere Talente gerne behalten.« Deshalb beginnt die Agentur gerade damit, ihren Mitarbeitenden zusätzlich zu anderen Weiterbildungsformaten persönliche Mentor:innen an die Seite zu stellen, die sie noch individueller auf ihrem Karriereweg weiterbringen sollen.
»Es kommt vor, dass man sich seiner Fähigkeiten zwar bewusst ist, aber nicht sicher, welche die nächsten beruflichen Schritte sein können«, erläutert Larissa von der Heide, Senior-Designerin bei der Peter Schmidt Group. Das Mentoring helfe ihr, stolz auf das Erreichte zu sein und einen Weg einzuschlagen, auf den sie sich »mit einem guten Gefühl fokussieren« kann. Zudem schätze sie es sehr, dass ihre Mentorin ihr Projekte anvertraue, die sie dazu bringen, ihre Komfortzone zu verlassen. »Klar – das kann manchmal auch unangenehm werden. Es macht aber meine Ideen sichtbarer und mich noch selbstsicherer«, sagt von der Heide. Auf diese Weise könne sie nicht nur ihre Stärken schneller ausbauen, sondern auch ihre Ziele in wesentlich kürzeren Zeitabständen erreichen. »Das motiviert – und treibt mich an.« Gutes Mentoring bedeutet gegenseitiges Zuhören und einen regelmäßigen Austausch, der über die allgemeine Feedback-Kultur im Arbeitsalltag hinausgeht. Es ist persönlicher, spezifischer und fokussierter – und kann Kreativen so helfen, sich beruflich und menschlich weiterzuentwickeln.
5 Tipps für erfolgreiches Mentoring
5 Tipps von Karin Heinzl, Gründerin der Plattform MentorMe und Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Mentoring
1. Das perfekte Match finden
Die Basis für ein gutes Mentoring ist, dass die Partner:innen zusammenpassen. Es muss klar sein, welche Fragestellungen und im besten Fall auch, welche Ziele der oder die Mentee hat und in welchem Maße der Mentor oder die Mentorin helfen kann. In den Programmen der Kreativbranche findet das Matching normalerweise analog statt, zum Beispiel über Speed-Datings oder Workshops. Es gibt aber auch Algorithmen, die bei der Auswahl helfen.
2. Auf Kontinuität achten
Der oder die Mentor:in sollte dem oder der Mentee mindestens einmal im Monat für eine Stunde am Telefon, per Video oder vor Ort zur Verfügung stehen – der jeweilige Folgetermin sollte spätestens am Ende eines Treffens festgelegt werden. Läuft ein Mentoring gut, entsteht häufig ein Verhältnis, in dem der oder die Mentee sich jederzeit spontan bei ihrem Mentor oder ihrer Mentorin melden kann. Dafür machen Laufzeiten von mindestens einem halben, besser einem Jahr Sinn.
3. Input einfordern
Das gilt für beide Seiten: Es liegt bei den Mentees, nach Feedback und Antworten auf ihre Fragen zu verlangen. Aber auch Mentor:innen können den Erfolg eines Mentorings vorantreiben, beispielweise durch Aufgaben und Fragestellungen, die bis zum nächsten Treffen bearbeitet werden müssen. Dabei sollten Mentor:innen immer objektiv bleiben, auf die Eigenheiten der Mentees eingehen – und ihnen keinesfalls ihren eigenen Weg oder Stil aufdrücken.
4. Einander zuhören
Dies ist mit der wichtigste Part eines erfolgreichen Mentorings und gilt für Mentees ebenso wie für Mentor:innen. Nur wer zuhört, weiß, welche Probleme das Gegenüber hat und wie man ihm helfen kann. Außerdem entsteht dadurch der Mehrwert, dass auch der oder die Mentor:in viel vom Mentee lernen kann. Mentoring ist nicht einseitig – es profitieren immer beide Seiten davon.
5. Professionell bleiben
So gut ein Mentoring auch läuft: Mentor:in und Mentee müssen nicht beste Freunde werden. Im Optimalfall hat man nach dem Abschluss eines Programms sein Netzwerk um eine:n wichtige:n Ansprechpartner:in erweitert, den oder die man jederzeit zu allen fachlichen oder die Karriere betreffenden Fragen ansprechen kann.
Mentoring-Programme für Kreative
Eine Auswahl an regionalen und überregionalen Angeboten
- Pilot läuft bereits in der dritten Runde und startet jährlich. Es wird vom Europäischen Sozialfonds und von Sachsen-Anhalt gefördert und ist damit ein gutes Beispiel für das Engagement von Ländern, Regionen und Städten für die Kreativbranche.
- In Mecklenburg-Vorpommern bietet der Künstlerbund Mentorings an.
- In Österreich gibt es Mentorings für Existenzgründer:innen.
- Die Kreativwirtschaft Hamburg hat gerade die Creative Future Academy gestartet, ein Mentoring, das Kreativunternehmer:innen in Sachen Digitalisierung weiterbringen soll. Die Bewerbungsplattform ist bereits geschlossen, es wird aber weitere Runden geben.
- Das Mentoring des ADC richtet sich aktuell zunächst an Frauen. 2022 sollen sich auch männliche Kreative bewerben können.
- Ebenfalls für Frauen wurde die Plattform MentorMe gegründet, die Mentor:innen und Mentees aus allen Branchen aneinander vermittelt.
Während der Recherche für diesen Artikel dachte Julia Bröder (rechts) natürlich auch an ihre eigenen Mentor:innen – allen voran an die beiden Fachjournalist:innen Bärbel Unckrich (links) und Mehrdad Amirkhizi.
Dieser Artikel ist in PAGE 11.2021 erschienen. Die komplette Ausgabe können Sie hier runterladen.