Das Berufsfeld Design ist im ständigen Umbruch – und das Designstudium muss mitziehen. Was sollten Hochschulen heute vermitteln? Und was nicht mehr?
Schaut man sich die deutschsprachige Designhochschullandschaft an, beschleicht einen manchmal das ungute Gefühl, dass die Ausbildungsstätten nicht recht hinterherkommen mit den Veränderungen der Berufspraxis. Wie auch? Das Kommunikationsdesign fächert sich immer weiter auf, ständig kommen neue Felder, Spezialisierungen und Ansprüche dazu. Aber im Bachelorstudium ist die Zeit eng begrenzt – und nur wenige Designabsolvent:innen entscheiden sich für einen Master. Zugleich werden viele Studieninhalte durch die rasante Digitalisierung und Automatisierung obsolet. Hochschulen stehen also permanent vor der Herausforderung, zeitgemäße Skills zu lehren, veraltete auszusortieren und dabei noch den Weitblick zu vermitteln, den Gestalter:innen für ein erfolgreiches Berufsleben benötigen.Angesichts der Fortschritte bei künstlicher Intelligenz, bei globalen Bewegungen wie Black Lives Matter und der Erfahrung, wie schnell während einer Pandemie Veränderungen nötig und möglich sind, lohnt sich ein neuer Blick auf die Gegenwart – und die Zukunft – des Designstudiums. Und das nicht nur für Hochschulen und Lehrende, sondern für die Designwirtschaft allgemein. Denn was in der Designlehre geschieht, prägt nachhaltig die Berufswelt und die Rolle von Gestaltung in der Gesellschaft.
Design im gesellschaftlichen Kontext
Wie soll das Designstudium der Zukunft konkret aussehen? Diese Frage beschäftigt die Designforschung genauso wie Berufsverbände, Lehrende und Studierende. Entsprechend viele Meinungen gibt es zu dieser Frage. Bei ein paar Punkten sind sich jedoch (fast) alle einig. Zum Beispiel bei der Forderung nach einer breiteren Allgemeinbildung und mehr wissenschaftlichem Arbeiten. Denn um mehr gesellschaftliche Verantwortung übernehmen zu können, müssen die Studierenden den Gesamtzusammenhang verstehen, in dem Design entsteht.
Hochschulen können nicht voraussetzen, dass Student:innen sich jenseits des Studiums mit sozialen oder ökologischen Themen beschäftigen, sondern sollten andere Wissensbereiche in die Lehre miteinbeziehen. Seien es Sozialwissenschaften und angewandte Psychologie mit Kognitions- und Verhaltensforschung, wie es die Designforscher Michael Meyer und Don Norman von der University of California San Diego fordern, oder eine größere Nähe zur Anthropologie, wie Stefan Bufler vorschlägt, Professor für Identity Design an der Hochschule Augsburg.
»Gesellschaftliche Themen spielen im Bachelorstudium noch nicht die Rolle, die sie sollten. Aber es bewegt sich viel, die Diskurse werden immer lauter und die Studierenden sind sehr daran interessiert«, sagt Bufler.
Designkurse: Breites Wissensfundament
Dafür braucht es aber auch entsprechende Kompetenzen. In vielen Designkursen überwiegt das »schnelle Machen« gegenüber Recherche und Konzepterstellung – mit Ausnahme von Interaction- und UX-Design-Studiengängen, wo Design Research eine größere Rolle spielt. »Die Fähigkeit, analytisch zu beurteilen, zu argumentieren und andere Wissensbereiche in ein Projekt einzubeziehen, hat an Bedeutung gewonnen«, beobachtet Michael Renner, Leiter des Instituts Visuelle Kommunikation an der Hochschule für Gestaltung und Kunst an der Fachhochschule Nordwestschweiz.
Offenbar fehlt es vielerorts auch an Wissen über die design- und kulturhistorischen Dimensionen von Gestaltung. »Es gibt zwar einen Wissenskanon im Design – der bleibt hierzulande aber immer noch zu oft beim Bauhaus stecken oder existiert nur in Form von Bildern ohne Kontext auf Pinterest und Co«, sagt Stefan Bufler. Ähnlich sieht es Pascal Kress, künstlerischer Mitarbeiter am Institut für Transmediale Gestaltung an der Universität der Künste Berlin: »Ich versuche, den Horizont meiner Studierenden zu erweitern – nicht nur im Grafikdesign, sondern zum Beispiel auch in der Mode und Architektur. Dazu gehört, ihnen Dinge zu zeigen, die sie nicht jeden Tag auf Instagram sehen, ein breites Spektrum an Geschichte und Geschichten zu vermitteln und bei Gastvorträgen auf möglichst diverse Sprecher:innen zu achten.« Dies mag mittlerweile selbstverständlich klingen, ist an vielen Hochschulen aber noch eine relativ neue Denkweise.