Die Geschäftsführerin der Allianz Deutscher Designer AGD schreibt über Leben und Arbeiten als Designer zu Beginn des 21. Jahrhunderts.
Im September 2015 hielt ich einen Vortrag im Bundeswirtschafts- ministerium bei einer Veranstaltung zum Thema »Innovationsverhalten der deutschen Kultur- und Kreativwirtschaft – Erfolgreich in die Zukunft«. Meine Aufgabe bestand darin, potentielle Rollen von Design und Designern in Innovations- prozessen aufzuzeigen. Natürlich hätte ich erzählen können, dass Innovation kreatives Denken benötigt, die Fähigkeit, Dinge querzudenken, aus anderer Perspektive zu betrachten und so weiter. Aber hätte ich das getan, wäre mein Publikum genauso gelangweilt gewesen wie Sie in diesem Moment – zu Recht.
Weitaus interessanter ist doch, eine nicht selbsterklärende These in den Raum zu werfen – nämlich, dass sich die Designzone ausweitet. Sie stammt ursprünglich von Bruno Latour, der bei einem Symposium zum Design der Zukunft schon 2013 sagte: »Die Ausweitung der Designzone ist verknüpft mit einer Ausweitung der Relevanz von Design – je mehr Produkte und Dienstleitungen der Gesellschaft dezidiert designt werden, desto relevanter wird Design in der Gesellschaft. Die Ausweitung der Relevanz führt dann letztlich zu einer Ausweitung der gesellschaftlichen Präsenz und Verantwortung von Designern.«
Ich möchte in dieser Kolumne überprüfen, ob und wie Designer heute diese These mit ihrem Tun bestätigen oder verwerfen – und bestenfalls eine Systematik dafür finden.
Interdisziplinarität ist die Zukunft
Fasziniert vom Elektroantrieb startete Jürgen Hinderhofer, Geschäftsführer des Produktdesignbüros Slogdesign in Biberach, Anfang 2011 die Entwicklung der E-Bike-Marke FEDDZ – und zwar sowohl gestalterisch als auch technisch. Denn diese beiden Konzeptionsstränge mussten miteinander verknüpft werden, um das Projekt konsequent zu Ende zu denken. Hinderhofer entwickelte, gestaltete und produzierte FEDDZ mit Blick auf den gesamten Lebenszyklus des Produkts, verwendete ausschließlich ausbaubare, wieder- oder zweitverwertbare Bauteile. Er knüpfte ein Netz regionaler Lieferanten und verzichtete bewusst auf die vermeintlich günstige Zulieferung aus Fernost. Dafür gab es unter anderem einen Preis beim German Design Award 2016 vom Rat für Formgebung.
Jürgen Hinderhofer hat mit FEDDZ in mehrfacher Hinsicht die Designzone ausgeweitet
Jürgen Hinderhofer hat mit FEDDZ in mehrfacher Hinsicht die Designzone ausgeweitet. Zum einen ist er mit einer eigenen Marke in einen noch jungen Markt vorgestoßen und dort erfolgreich. Zum anderen ist er sich seiner Verantwortung als Designer bewusst, handelt konsequent nachhaltig, stärkt regionale Netzwerke und sprengt die althergebrachten Grenzen zwischen den Disziplinen.
»Ein wesentliches erfolgsentscheidendes Element unserer Arbeit als Gestalter ist ihre Interdisziplinarität«, glaubt Hinderhofer. Das gelte auch für Auftragsarbeiten: »Die Produkte und Leistungen unserer Kunden zeugen von deren großer Expertise, Innovationskraft und Erfahrung, auf die ich im Designprozess auf keinen Fall verzichten möchte. Im Dialog entstehen neue Inspiration und Ideen mit Kunden, von denen einige inzwischen Partner geworden sind für neue spannende Projekte. Und nicht zuletzt lerne ich jedes Mal selbst dazu.«
Fazit:
Dehnen wir die Designzone also bewusst – und nicht länger irgendwie unausgesprochen – aus, können wir uns der modernen Rolle des Designers nähern und neue relevante Handlungsräume erschließen. Weitere gelungene Beispiele stelle ich Ihnen fortan in loser Reihenfolge vor.
Victoria Ringleb ist seit 2010 Geschäftsführerin der AGD. Sie hat Kommunikationswissenschaften und Interkulturelle Wirtschaftskommunikation in Jena, Cambridge und Brisbane studiert. Alle weiteren Ihrer Kolumnen lesen Sie hier.