
Visual Artists: Die Kreativszene in Afrika boomt!
Ob Buchcover, NFTs, Comics oder Animationsfilme – eine neue Generation aufregender Visual Artists bricht sich in Afrika Bahn. Wir geben Einblicke
Ein Riesenhit ist »Super Sema«. Die zehnjährige Heldin bringt in einer App Kindern das Lesen bei und bekämpft in einer YouTube-Animationsserie mithilfe von Wissenschaft, Technik und Mathe einen bösen Roboter, der ihre Stadt beherrschen will. Produktionsfirma ist Kukua aus Nairobi, zu deren wichtigsten Investor:innen Oscar-Preisträgerin Lupita Nyong’o gehört, bekannt aus »12 Years a Slave« und der wegweisenden Afrofuturismussaga »Black Panther« von Marvel.

Reale und mythische Wesen
Bei einer südlich der Sahara im Schnitt 18,3 Jahre alten (!) Bevölkerung erfreuen sich auch Graphic Novels und Comics großer Beliebtheit. Meist werden sie nicht in gedruckter Form, sondern online konsumiert, etwa bei der führenden Comic-Abo-Plattform Vortex. Neben afrikanischen Superheld:innen sind in den Bildergeschichten göttliche Wesen, mythische Monster und legendäre Figuren der lokalen Geschichte anzutreffen. Der Afrofuturismus, eine der prägendsten visuellen Strömungen des Kontinents, verschmilzt hier – wie übrigens auch bei vielen NFTs aus Afrika – Gegenwart, Vergangenheit und Sci-Fi-Zukunft in einer unauflöslichen, identitätsstiftenden Verbindung.

Zu den interessantesten Publishern gehört Avandu Vosi aus Kenia. Gründer Salim Busuru ist Autodidakt, zeichnete zunächst Logos, Illustrationen und kleine Comics für NGOs, arbeitete dann in einer Werbeagentur. Inzwischen entstehen in seiner Firma beliebte Webtoons wie das Fantasy-Abenteuer »Sanamu«, wo Kriegerdrillinge gegen einen Hexendoktor kämpfen, Casual Games wie das im Kinderalltag des ländlichen Kenia angesiedelte Jump ’n’ Run »Kade« oder so actiongeladene Animationsfilme wie »Ma-Otero«. Das Motto: »Wir wollen der Welt mit Comics Geschichten aus der afrikanischen Kultur erzählen.«
Diesen Ansatz finden auch internationale Streaming-Plattformen spannend. So setzen HBO und Cartoon Network gerade die von der nigerianischen Yoruba-Tradition inspirierte Graphic-Novel-Reihe »Ivanu: Child of Wonder« als Animationsserie um. Die Produktion übernimmt das Oscar-prämierte afroamerikanische Studio Lion Forge in St. Louis.
Es passiert also viel
. . . aber es gibt auch noch immer viel zu tun. Wie groß der Nachholbedarf bei der Darstellung schwarzer Menschen ist, offenbarte ein Bild, das 2020 viral ging: eine anatomische Illustration des Medizinstudenten Chidiebere Ibe, die einen Fötus im Körper einer schwarzen Schwangeren zeigte. Eigentlich die normalste Sache der Welt, aber eben noch eine Rarität, die eine große Debatte über Bilder in medizinischen Büchern und Journalen auslöste. Und dabei geht es nicht nur theoretisch um Diversität, sondern ganz praktisch um Gesundheit. Der Mangel an Illustrationen von Hautkrankheiten bei schwarzen Menschen etwa mache es schwer, richtige Diagnosen zu stellen, so Chidiebere Ibe. Der Nigerianer hält inzwischen weltweit Vorträge, hat auf Instagram rund 142k Followers, arbeitet an einem Lehrbuch über angeborene Kinderkrankheiten und will ein Netzwerk medizinischer Illustratorinnen und Illustratoren aus Afrika aufbauen.
Hier findet man afrikanische Artists
Was bei den hier genannten Plattformen auffällt: Im Zentrum stehen Porträts schwarzer Menschen. Und besonders viele Arbeiten kommen aus Nigeria sowie Südafrika – oder auch aus der Diaspora.
Muse Origins »Showcasing African creativity« ist Motto dieses Onlinemagazins, das die in Toronto lebende Nigerianerin Adiya Atuluku ins Leben rief. Die Collage auf der Startseite (oben zu sehen) kreierte Jumbo Oyindoubra Clinton: Sie zeigt eine der berühmten Benin-Bronzen, die die Briten in der Kolonialzeit als Beutekunst auch an deutsche Museen verkauften. Ein 2022 geschlossenes Abkommen zwischen Deutschland und Nigeria erlaubt es nun, dass die meisten dieser Stücke als Leihgaben erst mal an Ort und Stelle verbleiben.
Website www.museorigins.org
Instagram @muse_origins
African NFT Community Diese internationale Initiative versteht sich als Inkubator, der afrikanischen Artists beim Einstieg ins Metaverse und die Welt der NFTs hilft. Zugleich ist die Community aber eine perfekte Adresse, um die junge Kreativavantgarde kennenzulernen. Wie immer bei NFTs ist Twitter der wichtigste Kommunikationskanal, wer »nur« tolle Bildwelten sehen will, ist bei Instagram richtig.
Website https://africannftcommunity.io
Instagram @africannftcommunity
Twitter @africannftclub
African Digital Art Das 2009 von Jepchumba gegründete Onlinemagazin mit Porträts Hunderter Artists wurde zum wichtigsten Medium für afrikanische Kreativität (wobei es trotz des Namens ruhig auch mal analog zugehen darf). Zu sehen sind meist freie Arbeiten, die sich zwischen (NFT-)Kunst, Illustration, Collage, Fotografie und Animation bewegen. Die aus Kenia stammende Gründerin wurde vom »Guardian« zu einer von »Africa’s Top 25 Women Achievers« gekürt und hält weltweit Vorträge.
Website www.africandigitalart.com
Instagram @africandigitalart
»Wir suchen bewusst global nach künstlerischen Talenten«
Illustrationsagentin Rebecca Dell leitet zusammen mit Illustratorin Isobel Mehta in London die Repräsentanz The Different Folk, die sich geografischer und stilistischer Vielfalt verschrieben hat. Einer der von ihnen vertretenen Artists ist Maxime Manga aus Yaoundé, Hauptstadt von Kamerun. Wir wollten Näheres wissen.

Wann und wie seid ihr mit Maxime in Kontakt gekommen?
Rebecca Dell: Seit Januar 2021 arbeiten wir offiziell zusammen, und es war eine tolle Erfahrung. Ich bin über Instagram auf ihn gestoßen und war sofort fasziniert. Am Anfang hatte er keine wirkliche kommerzielle Erfahrung. Er war gerade 22, sprach wenig Englisch (wir brauchten für unseren ersten Call einen Französischübersetzer) und übernahm nur kleine private Aufträge. Das hat sich seither sprunghaft geändert! Wir hatten das Vergnügen, mit ihm an Projekten für Adobe, Converse, den »New Yorker« oder die Oscar-Akademie zu arbeiten.
Seit wann gibt es The Different Folk und vertretet ihr noch andere Illustrator:innen aus Afrika?
Wir sind gerade zwei Jahr alt geworden! Ich selbst kenne die Branche seit zehn Jahren und kam über die Content- und Designagentur Chapel an Bord, die eine neuartige, zeitgemäße Repräsentanz aufbauen wollte. Seither suchen wir bewusst global nach künstlerischen Talenten, ohne uns auf die üblichen Kreativ-Hubs zu beschränken. So arbeiten wir auch mit Yay Abe und Hust Wilson aus Südafrika zusammen.
Wie groß ist das Interesse im Markt? »Afrikanische« Looks wurden bisher meist von Kreativen aus Europa oder den USA gestaltet, inklusive der Cover afrikanischer Romane.
Das Interesse unserer Kund:innen, über die westlichen Märkte hinauszuschauen und diversere, inspirierende Artists zu suchen, wächst definitiv. Bei manchen Aufträgen geht es tatsächlich darum, afrikanische Illustrator:innen zu feiern. Aber oft werden sie einfach wegen toller Portfolios gebucht, egal, wo und in welcher Zeitzone sie leben. Als Agentur achten wir darauf, dass Aufträge, die mit afrikanischer Kultur zu tun haben, an Artists aus Afrika oder aus der Diaspora gehen. Ebenso wie Aufträge mit einem queeren Fokus an diese Community gehen sollten.
Dieser Artikel ist in PAGE 02.2023 erschienen. Die komplette Ausgabe können Sie hier runterladen.