Neu sehen: Unterwegs mit Foto-Legende Daido Moriyama
Keine moderne Street Photography ohne Daido Moriyama! Während im c/o Berlin am Samstag eine Retrospektive seiner Arbeiten eröffnet, zeigt das nahegelegene Delphi Lux Kino regelmäßig dieses packende Kinoporträt.
Schon nach ein paar Minuten fragt man sich, ob der Fotograf Daido Moriyama überhaupt mal ohne Kamera vor dem Auge auf die Welt blickt. Mit leichtem Schritt, in grelle Rockband-, Mickey-Mouse- oder Jack-Kerouac-Shirts gekleidet, streift der 81-jährige durch Tokio und hat seine Nikon Kleinbildkamera unermüdlich im Anschlag.
Er hält sie in enge Gassen, in Schaufenster und auf Leuchtreklamen, fotografiert Schulmädchen, die nach Hause huschen oder Passanten, die an der Ampel warten, nimmt Hunde ins Visier, Straßenecken oder schaukelnde Lampions im Rotlichtbezirk.
50 Jahre nachdem Daido Moriyama Bildband »Japan: A Photo Theater« auf der Photokina in Paris für Furore sorgte und seit Jahrzehnten vergriffen ist, arbeiten Grafiker und Herausgeber an einer Neuauflage.
Radikale Street Photography
Und während der japanische Regisseur Gen Iwama den fotografierenden Moriyama durch die Straßen folgt, erzählt er gleichzeitig die Entstehungsgeschichte des neuen Bildbands und setzt sich zu den Gestaltern ins Studio.
Er folgt ihren Diskussionen über Fotografie und Buchgestaltung und ihren Gesprächen mit Moriyama in denen sie seiner Philosophie auf die Spur kommen wollen, seiner radikalen Ästhetik und seinem unerbittlichen Blick.
»Kameras sind nur Kopiergeräte« hört man den vielfach preisgekrönten Fotografen sagen oder »Ich mag es da, wo es nach Mensch stinkt« und mehr als hundert Mal erwähnt er den Namen seines Freundes und Weggefährten Takuma Nakahira (1938-2015), der ein ebenso radikaler Fotograf wie er selbst war.
Wie ein Buch entsteht
Gleichzeitig folgt der Film mit dem tollen Untertitel »The Past Is Always new – The Future Is Always Nostalgic« der Herstellung des Buches und geht dabei bis zum Fällen der Bäume in Hokkaido zurück, zeigt, wie sie die Flüsse entlang treiben und verarbeitet werden.
Und vor allem werden immer wieder Bilder Moriyamas dazwischen geschnitten, mitreißende und körnige Schwarzweißaufnahmen, die auf Tokio wie auf eine Bühne schauen über die Hunde streifen, Geishas und Punks, Transvestiten und Liebespaare.
Wie ein Countdown zählt die Dokumentation die Tage zur Kunstmesse Paris Photo herunter auf der schließlich die Neuauflage von »Japan: A Photo Theater« erscheint.
Mittendrin in den drängelnden Menschenmassen, die ein Exemplar und einen Blick auf den legendären Fotografen ergattern wollen, sitzt Moriyama seelenruhig und signiert. Von den Straßen Tokios, die er seit mehr als 60 Jahren durchstreift, ist er schließlich einiges gewohnt.
Jetzt ist »Daido Moriyama. The Past Is Always new – The Future Is Always Nostalgic« in regelmäßiger Matinee und begleitend zur Moriyama-Retrospektive im c/o Berlin im nahegelegenem Delphi Lux Kino zu sehen.
Schlagwörter:
Film,
Fotografie
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