In ihrer Bachelor-Thesis beschäftigte sich Wiebke Warncke mit einem besonders schmerzhaften Thema. Ganz ohne Bilder erzeugt sie mit ihrem feinfühligen Design Emotionen und sensibilisiert für das Tabuthema Fehlgeburt.
Bergische Universität Wuppertal. Für Wiebke Warncke war klar, dass ihre Bachelorarbeit ein Thema sichtbarer machen sollte, das viele Menschen aus ihrem Umfeld betrifft, aber gesellschaftlich stark tabuisiert wird: die Fehlgeburt. Ihre Bachelorarbeit im Studiengang Design Interaktiver Medien sollte deshalb zur Aufklärung über den Verlust, über das Bedürfnis zu trauern und das Schweigen rund um dieses schwierige Thema beitragen. Das Ziel der Designerin war es, unter Betroffenen und ihrem Umfeld den Austausch zu fördern, persönliche Erfahrungen sichtbar zu machen und die Gesellschaft zu sensibilisieren. Dazu startete sie mit intensiver Recherche und erarbeitete sich ein medizinisches Verständnis, sichtete wissenschaftliche Literatur und setzte sich mit den rechtlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Aspekten auseinander. Zudem führte sie Interviews mit Expert:innen sowie mit vier Frauen unterschiedlichen Alters, die eine Fehlgeburt erlitten haben. Davon ausgehend entwickelte sie ein Konzept für verschiedene Aufklärungsmedien.
Im Zentrum der Arbeit steht ein analoges Erfahrungsbuch mit Fragebogen, die dabei helfen sollen, die eigene Trauer aufzuarbeiten und einen Umgang damit zu finden. Die Inhalte ließ Wiebke Warncke immer wieder von einer Psychotherapeutin und wissenschaftlichen Mitarbeiterin der Uni Wuppertal prüfen. Ihre Rechercheergebnisse und Mitschnitte aus den Interviews übersetzte sie außerdem in eine Website, die in den Bereichen »Zuhören« und »Aufklären« Informationen rund um die Fehlgeburt aufzeigt und gleichzeitig einen Raum für die Erfahrungen der Betroffenen eröffnet. Eine begleitende Kampagne soll mit Plakaten und Postkarten sowie auf Social Media auch bei denjenigen ein Bewusstsein schaffen, die noch nicht in Berührung mit dem Thema gekommen sind.
Als Absender für das Projekt entwarf Wiebke Warncke die fiktive Initiative Stiller Verlust und ein Branding, das bewusst auf Bilder und Illustrationen verzichtet, damit die Erfahrungen der Betroffenen ganz unvoreingenommen kommuniziert und aufgenommen werden können. Auch auf Schwarz und Weiß verzichtete sie ganz. Helles Rot hebt als Signalfarbe bestimmte Inhalte hervor. Ein dunkles Lila steht für die Trauer bei einer Fehlgeburt, und ein helles Grau dient dazu, den Kontrast zur Schrift weicher zu machen. Darüber hinaus führte Warncke zwei Symbole ein, aus denen sich unterschiedliche Visuals zusammensetzen: Ein Kreis symbolisiert die Person und ihr Umfeld, der Schrägstrich repräsentiert den Verlust. Beide Formen tauchen immer wieder auf und geben dem Design eine zurückhaltende Ruhe, etwa als gestanzte Öffnung im Umschlag des Erfahrungsbuchs oder als plakative Elemente in der Kampagne. So ist das Projekt nicht nur inhaltlich hervorragend aufgearbeitet, sondern sensibilisiert auch gestalterisch für das Tabuthema Fehlgeburt.
Wiebke Warncke (@wiebkewarncke) will in Zukunft an der Schnittstelle von Design und Gesellschaft arbeiten, Menschen berühren und komplexe Themen zugänglich machen. Seit Herbst 2023 studiert sie an der Münster School of Design im Master Kommunikationsdesign und arbeitet parallel bereits seit mehreren Jahren als selbstständige Illustratorin
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