Betonlandschaft versus grüne Wildnis: Aus dem Gegensatz zwischen Stadt und Natur lassen sich neuartige, inspirierende Bildsprachen entwickeln. Wir zeigen spannende Beispiele, die das visuelle Cross-over dieser heterogenen Welten für die Kommunikation nutzen.
Unsere Vorstellungen vom Städtischen und Ländlichen erweisen sich zunehmend als überholt. Während in Paris Erdbeeren in senkrechten Substratgefäßen auf dem Dach einer Messehalle wachsen und man in Sydney Champignons in einer Tiefgarage züchtet, werden unweit der chinesischen Stadt Ezhou Schweine in einem Hochhaus mit 26 Etagen gemästet. Man kann sich also getrost von den herkömmlichen Bildern und Assoziationen verabschieden, denn Stadt und Land sind im Fluss. Sie sind immer stärker verwoben und ineinander verschachtelt – mal verdrängt das Urbane die Natur, mal erobert sich die Natur städtischen Raum zurück.
Die visuelle Verschränkung von städtischen und natürlichen Elementen birgt ein hohes Potenzial für innovative Formensprachen, die auch für andere Branchen, von Mode bis Mobilfunkanbieter, attraktiv sind. Denn diese Bildwelten antworten auf die Sehnsucht der Städter nach Natur, ohne retrobehaftete Landlustklischees zu bemühen. Die visuelle Welt von Urban Nature erlaubt es, Naturverbundenheit und Zukunftsgewandtheit gleichermaßen zu kommunizieren und das Thema Nachhaltigkeit realitätsbezogener als mit den bisherigen Stereotypen darzustellen.
Allerdings birgt dieses Feld auch die Gefahr, in neue Klischees zu verfallen, wie etwa ein Vodafone-Spot zeigt: Skater:innen vor Betonkulisse entdecken dank Smartphone die urbane Natur mehr als hautnah, senden einander Fotos von einem Stiefmütterchen vor einem Parkhaus und einem Vogelnest auf einer Ampel, bevor sie sich an einem betonierten Kanalufer unter einer Betonbrücke versammeln, sich lächelnd Fotos auf dem Handy anschauen und einen Marienkäfer vom einen zum anderen Finger krabbeln lassen. Der Abspann: »Das neue iPhone 14 Pro im grünen 5G-Netz von Vodafone«. Man kann sich bildlich vorstellen, wie das perfekte Stiefmütterchen zuvor in die Betonritze gestopft, das Nest per Leiter auf die Ampel befördert und ein Marienkäfer als Statist organisiert wurde. Dabei bietet gerade das zufällig Gewachsene, die nicht geplante Verschränkung des Urbanen und des Natürlichen – was die Skater:innen ja vorgeben, per Handykamera zu erkunden – viel Potenzial für authentische Bildsprachen.