Kreative sollten ihren Respekt vor Variable Fonts ablegen. Ob für Web oder Print, dynamisch oder statisch, sie können den Designprozess vereinfachen und das Ergebnis spannender machen
Auch rund fünf Jahre nach Erscheinen der ersten variablen Schriften sind sie in Gestaltungsprojekten noch eher die Ausnahme als die Regel. Warum, das lässt sich nur vermuten: Kreative denken vielleicht, die Technik nicht richtig im Griff zu haben und bei der Arbeit mit ihnen Fehler zu machen, Brands könnten befürchten, die Darstellung auf ihrer Website nicht hundertprozentig kontrollieren zu können. Thierry Blancpain, Mitgründer der Foundry Grilli Type, sieht das allerdings entspannt: »Im Vergleich zu früheren neuen Schrifttechnologien sind wir mit Variable Fonts schon ziemlich weit. Das OpenType-Format wurde 1996 vorgestellt, der erste OpenType-Retail-Font kam aber erst 2001 heraus, und es dauerte noch einmal vier Jahre, bis sich OT-Fonts unproblematisch einsetzen ließen. Wir sind heute nur einfach ein anderes Tempo gewohnt.«
Als denkwerk vor Kurzem für einen Kunden eine White-Label-Plattform entwickelte und dabei dessen Corporate Font ersetzen musste, kam der Digitalagentur der Variable Font der Roboto Flex gerade recht. »Wir konnten diesen sehr weit an die Hausschrift des Kunden anpassen, sodass es keine Probleme mit Laufweiten von Texten oder Grauwerten von Headlines gab«, erklärt Design Director Christian Leuenhagen. Die zwölf Achsen des von Font Bureau entwickelten Google Fonts fand er beeindruckend, aber auch ein bisschen einschüchternd: »Die Fette, die Laufweite oder den Grad der Kursiven anzupassen ist händelbar. Aber die Verlängerung der Ober- und Unterlängen etwa führt zu einer deutlichen Charakterveränderung der Buchstaben. So etwas gehört eher in die Hände erfahrener Schriftgestalter:innen.«